Ein Kunst-Kopierer

Von Britta Kuntoff |
Original und Fälschung sind im Kunstsalon Posin in Berlin-Neukölln manchmal nicht leicht auseinanderzuhalten: Alte Meister, Impressionisten, Expressionisten und alle weiteren Kunstrichtungen. Die drei Brüder Posin kopieren berühmte Kunstwerke. Für Michael Posin steht aber auch die eigene Kunst im Zentrum des Schaffens.
"Ich bin ein Nachtmensch, ich arbeite nachts und gehe ins Bett etwa gegen sechs Uhr morgens, dann etwa bis 13 kann passieren, dass ich noch schlafe. Dann trinke ich einen Espresso, dann rauche ich eine Zigarette, dann duschen, dann noch mal Espresso und dann geht los."

Der Russe Michael Posin lehnt sich auf dem abgewetzten Plüschsofa zurück, zündet sich eine seiner ungezählten Zigaretten an und bläst den Qualm genüsslich in die schwere Luft des dunklen Hinterzimmers vom Kunstsalon Posin.

Bohéme in Berlin-Neukölln: An den Wänden um Michael Posin reiht sich dichtgedrängt ein malerisches Meisterwerk der Kunstgeschichte an das andere, auf grüner Auslegware stapeln sich Bilder von Da Vinci, Rembrandt, von Kirchner oder El Greco. Sie sehen verdammt echt aus.

"Wir haben Auftragsbuch, und dort haben wir Voraus-Aufträge genug. Ich denke ab und zu wie wir das einfach schaffen. Wir haben genug Aufträge. Damit haben wir kein Problem."

Michael Posin, Jahrgang 48, ist wie seine beiden älteren Brüder Semjon und Eugen ein überaus erfolgreicher Kunstfälscher. Die Kunden kommen aus aller Welt. Seit Mitte der Achtzigerjahre leben Michael und seine Brüder in Berlin. Die Galerie betreiben sie zusammen. So wie sie fast alles gemeinsam tun.

"Wir sind Brüder. Und wir haben gleiche Interessen. Gleiche Ausbildung, gleiche Interessen, und wir streiten nicht. Wir finden immer eine Lösung. Wir diskutieren wahrscheinlich, aber wir streiten nicht. Und dann können wir zusammen richtig gut arbeiten."

Die drei wirken wie einer anderen Epoche entstiegen. Sie ähneln sich sehr: Wellendes schulterlanges Haar, graue Bärte, ernste, kluge Blicke - und inmitten ihrer goldgerahmten Fälschungen umgibt sie alle drei diese Aura von echtem, wahrem Künstlerdasein.

"Das ist nicht einfach das Bild irgendwie oberflächig nachgemalt wird, das ist ein magisches Prozess und einfach gesagt: Bild muss gemalt werden, nicht nur kapiert, gemalt!"

Die drei Posins haben ihr Handwerk gelernt. Weil ihr Vater, ein Japanologe, mit dem Terror-Regime Stalins in Konflikt geriet und zwei Jahre im Gulag saß, wuchsen Michael, Semjon und Eugen in den Fünfzigerjahren in Sibirien auf. Malerei spielte in ihrem Elternhaus keine Rolle.

Doch statt Autos und Flugzeuge zu zeichnen, begannen die drei schon mit fünf Jahren, Postkarten von Rubins oder Gainsborough abzumalen. Als Michael 15 Jahre alt ist, folgt er seinen beiden Brüdern nach Leningrad, dem heutigen St. Petersburg und studiert zehn Jahre lang Malerei. Michael Posin nicht nur ein Kunst-Kopierer, er malt eigene Bilder:

"Das läuft einfach parallel Ich mach einfach ohne zu denken in welche Kunstrichtung ich arbeiten muss. Ich denke einfach daran nicht. Ich finde Künstler ist frei, wenn er überhaupt nicht denkt. Dass unbedingt jemanden mein Bild gefallen muss oder nicht, das interessiert mich nicht. Meinungen okay. Ich denke nicht dran, dass Meinungen von anderen etwas bei mir ändern, ich glaube nicht."

Fälschungen sind Bestellungen. Von diesen Bildern trennt sich Michael Posin leicht. Anders ist das bei Werken seiner eigenen Malerei:

"Meine eigenen Bilder könnte ich verkaufen, aber auch nicht alle. Es gibt ein paar Bilder wie Schwerpunkte bei mir. Das würde ich nicht verkaufen, nie. Ich kann eine Kopie von meinem Bild machen, bitte schön. Aber dieses Bild bleibt bei mir. Original ist für mich, mein eigenes Original, es bleibt bei mir."

Von einem seiner eigenen Bilder hat Michael Posin sich dennoch getrennt .Ein acht Meter hohes und vier Meter breites Gemälde, das den Lebensweg Jesu Christi zeigt, schenkte er dem Kloster im polnischen Jaroslaw. Papst Johannes Paul II. hat es persönlich gesegnet. Die Einladung zur Audienz im Vatikan kam per Post.

"Als ich diesen Brief in meinen Briefkasten gefunden habe, dann kann man sagen, standen meine Haare zu Berge. Ich habe nicht erwartet so was selbstverständlich. Wir waren zu dritt bei dieser Generalaudienz. Und ich hatte die Möglichkeit, ganz nah zum Papst zu kommen. Ich habe seine Hand genommen und geküsst, ja, ein komisches Gefühl, ehrlich gesagt."

Michael Posin wohnt direkt neben dem Kunstsalon, ein Bruder im gleichen Haus und der andere nur wenige Gehminuten entfernt. Sie sind stets nah dran - am Original und an deren Kopien in ihrer Galerie. Michael Posin braucht es aber dringend, sein eigenes, echtes Reich:

"In meiner Wohnung, wo ich meine eigenen Bilder male, habe ich überhaupt keine Fälschungen. Ich möchte es nicht haben, das ist meine Welt, meine eigenen Bilder und ich möchte es einfach nicht. Wir haben für Fälschungen in unserer Galerie genug Platz. Meine Wohnung ist mein privates Glück, so gesagt, das mache ich einfach meine Sachen. Das ist einfach andere Welt. Meine und das ist dann Schluss. Weiter nichts."