Ein Kunstverein für New York

Von Susanne Lettenbauer |
Zeitgenössische deutsche Künstler, deutsche Regisseure, deutsche Kuratoren und allen voran die Hauptstadt Berlin gelten in New York als cool. Diesem Trend komm das Goethe-Institut entgegen: Es eröffnet jetzt in der New Yorker Lower East Side das "Goethe Art Institute". Die Dependance vom eigentlichen Goethe-Haus soll Künstler vorstellen, die Amerika aus europäischer Sicht kommentieren. Im ersten Jahr kuratiert der Münchner Kunstverein die geplanten Ausstellungen.
Ludlowstreet Downtown Manhattan. Die letzten Vorbereitungen für die Eröffnung des neuen Goethe-Treffpunktes laufen langsam an. In der Ecke stehen noch die Kisten mit den Heften, die im Mittelpunkt der ersten Ausstellung stehen bzw. an den Wänden hängen werden. Die britische Kuratorin Sara McCrory steht mit ihrem Assistenten vor der Tür, ein befreundeter Bildhauer aus New York sitzt auf den Stufen dieser grauen Plattform, Liam Gillick trinkt seinen Kaffee. Seit dem vergangenen Herbst hat er "Ludlow 38", so der offizielle Name für den Satelliten des Goethe Institutes, umgestaltet:

"Die Idee war von Anfang an, den Raum möglichst so zu lassen wie er ist, das war ganz wichtig, dass wir nicht von vornherein den Raum beeinflussen. Wir wollten nicht noch eine hübsch renovierte Galerie hier in der Lower East Side eröffnen. Ich habe deshalb überlegt, wie ein/zwei Elemente diesen Raum zu etwas Besonderem machen könnten."

Dann steht er plötzlich auf und zeigt nach unten:

"Das Dominante an diesem Raum ist die Plattform, zu der die drei Stufen führen. Eine hellgraue, neutrale Fläche, von der man hinten wieder ein paar Stufen hinuntergeht zum zweiten Raum. Wir wollen eben hier keinen reinen Ausstellungsraum haben, sondern den Künstlern die Gelegenheit zum Gespräch, zum Treffen, zum Tratschen und Diskutieren geben. Wir machen das ja jetzt gerade auch, einfach hier Sitzen und Reden und genau das versuchen wir anzubieten."

Schaut man aus der Tür mit dem klein geratenen Schriftzug "Ludlow 38 Goethe Institut Kunstverein München" dann gähnt gegenüber ein leerer Schulhof, daneben blinken chinesische Schriftzeichen, die rostigen Außentreppen an den Backsteinhäusern tun ihr übriges, um klarzumachen: Das feine Goethe-Institut, eigentlich in direkter Nachbarschaft zum Central Park und sündhaft teuren Lofthochhäusern, hat sich dorthin begeben, wo Künstler in New York noch leben können von ihrer Arbeit. In unmittelbarer Nachbarschaft finden sich die Künstlerinitiative "Dexter Sinister" und das Kunstmagazin "Dot.Dot.Dot", so Stefan Kalmar vom Münchner Kunstverein:

"Das war ein ganz klarer Ansatz, das Goethe-Institut ist in der 5th Avenue gegenüber vom Metropolitan Museum, das ist in dem Kontext keine urbane Gegend, in dem Kunst produziert wird, in dem die Leute leben können, die Kunst machen, sich für Kunst interessieren, aktiv am kulturellen Leben, kulturelle Produzenten in dieser Stadt New York sind, die leben hier in der Lower East Side, die arbeiten hier, die haben ihre Studios hier und Umziehen ist daher sinnvoll, nicht darauf zu pochen, dass man erwartet, dass die Leute von der Bowery bis hoch in die 5th Avenue kommen, und dann lieber zu den Leuten geht und eine Projektraum aufmacht."

Spricht man mit dem Münchner Stefan Kalmar über sein Konzept, dann wird schnell klar, dass er in internationalen Kategorien denkt. Allein den Auftrag für die Renovierung und Einrichtung des Institutes an den britischen Künstler Liam Gillick zu vergeben, macht deutlich, dass hier nicht, wie man an einem "Goethe Art Institute" vermuten könnte, vorrangig deutsche Künstler mit den Geldern des deutschen Außenministeriums promotet werden, sondern hier zählen allein herausragende künstlerische Positionen, ob aus Deutschland ist für Kalmar absolut nebensächlich:

"Zum Beispiel werden wir einen Künstler in einer Gruppenausstellung im Frühjahr in New York zeigen, das ist Jo Snaider. Jo Snaider lebt seit über zehn Jahren in Berlin, in Deutschland, ist aber in New York geboren und seine Arbeit setzt sich seit den letzten fünf, sechs Jahren kritisch mit dem Irakkrieg und vor allem der medialen Darstellung des Irakkrieges auseinander."

In der Lower East Side, einen Katzensprung vom Ground Zero und der Manhattan Bridge entfernt, verdrängen seit kurzem immer mehr Europäer die asiatischen Bewohner. Die Preisspirale hat angezogen, die hippen Ökoläden in der Ludlowstreet ziehen junge Paare aus der Mittelschicht an. Für den Bildhauer Gareth Long ist die Gegend jetzt schon zu teuer. Er wohnt auf der anderen Seite des Flusses in Brooklyn, wie die meisten seiner Künstlerfreunde.

Trotzdem findet er es besser, dass das Goethe Art Institute in Manhattan eröffnet wird. Dort ist es nicht zu billig und auch nicht zu schick.

"Hier gibt es derzeit einen großen Einfluss von Künstlern, die hierher gezogen sind und denen die Galerien nachfolgen. Außerdem gibt es das neue Museum um die Ecke, dann die Initiative iFlax ein paar Häuser weiter. Hier passiert gerade sehr viel in der unmittelbaren Umgebung. Ich glaube schon, dass hier ein guter Platz ist, das Projekt öffentlich zu machen. Hier kann es ein Publikum anziehen, das genau diese Art des Kunstdiskurses sucht. Diese Mischung aus Ausstellung und Treffpunkt. Ich glaube, die Leute sind der vielen reinen Ausstellungsgalerien überdrüssig."

Neben den Diskussionsrunden und Treffen von Künstlern wird es natürlich trotzdem Ausstellungen geben. In diesem Jahr passenderweise zum Thema "USA 2008", ein Programm zu den nicht nur für die USA wichtigen Präsidentschaftswahlen.

Die britische Kuratoin Sara McCrory stellt ihre Ausstellung unter das Motto "Published and be damned", in etwa "veröffentlicht und weggeschmissen", eine Sammlung von Magazinen und Publikationen ab den 1970er Jahren, die nie eine Öffentlichkeit oder nur ein ganz kleines Publikum gefunden haben:

"Für die selbstgedruckten oder im Eigenverlag veröffentlichten Magazine gibt es keine Grenzen, sie existieren außerhalb des Mainstreams und jeder Wirtschaftlichkeit. Sie haben deshalb oft einen hohen künstlerischen, aber auch politischen Wert, nehmen wir mal die homosexuellen Publizisten. Die sprechen ganz andere Dinge an, als die Massenblätter oder kommerziellen Magazine. Wir haben mittlerweile ungefähr 400 dieser Publikationen aus verschiedenen Ländern, zum Großteil aus Europa, weil wir dort wohnen."

Aufgehängt an Clips und zum Lesen einladend sollen die kleinformatigen Hefte einen Einblick geben, was nichtkommerzielle Publikationen leisten können. Das holländische Magazin "fucking good art" stellt zum Beispiel ganz junge Künstler vor, das dänische Magazin "pist protta" präsentiert eine Mischung aus Lyrik und Fotokunst. Das amerikanische Heft "Murder can be fun" wendet sich fantasievoll gegen die radikalen Ansichten der Mormonen. Auch mit dabei: Die beiden Künstler Alexander Brener und Barbara Schurz mit ihren Heft "Bukaka" , für das sie immerhin einen Preis bekamen. Sara McCrory:

"Gerade hier in dieser Gegend, in der Nähe des neuen Museums und vielen Künstlerinitiativen, die sich überwiegend als nicht nur kommerziell verstehen und keine konventionellen Ausstellungen machen möchten, sehe ich sehr gute Chancen für das Projekt. Ich bin überzeugt, dass der Raum hier Platz für Diskussionen bieten wird und den Kunstdiskurs in New York beleben kann. Das wird erfolgreich werden."

Der Münchner Kunstverein in New York - eigentlich wollte die knapp 1000 Mitglieder umfassende Organisation in Ramallah oder Kabul tätig werden, kritische Brennpunkte, an denen ein Engagement sicher sehr schnell aufgefallen wäre. In New York hingegen, das weiß auch der Generalsekretär des Goethe Institutes, Hans Georg Knopp, ist die Konkurrenz von nationalen Kulturinstitutionen geschweige denn von örtlichen Kunsteinrichtungen immens. Doch das sogenannte Metropolprogramm, das mit der Einweihung des renovierten Goethe-Hauses in Paris begonnen hat, will auch in den Millionenstädten weltweit die Präsenz deutscher Kultur forcieren.

Im besten Falle, so Stefan Wackwitz, kann das Konzept eines Kunstvereines beispielgebend für die Kunstszene New Yorks werden:

"Da ist glaube ich im Moment ganz großes Interesse da, da sind auch Ansatzpunkte, da sind Partner da eben auch in unmittelbarer Nähe der Ludlow Street. Und ich glaube das da hinzubringen, entfaltet Anschlussmöglichkeiten, die dann hoffentlich etwas Interessantes ergeben."