Ein Land fasst neuen Tritt
Nach der Wahlniederlage von Polens Regierungschef Kaczynski im Oktober 2007 ging ein Aufatmen durch die westlichen Hauptstädte. Doch die katastrophalen Folgen der zweijährigen Doppelherrschaft der Kaczynski-Brüder an der Spitze von Staat und Regierung werden so schnell nicht zu beheben sein, urteilt der Polen-Korrespondent Reinhold Vetter kenntnisreich in seiner Bilanz der Kaczynski-Regierung.
Soviel scheint dem Autor wenige Monate nach dem Regierungswechsel als sicher: Polen steuert wieder in ruhigere Gewässer. Dem Kabinett von Donald Tusk traut er weit mehr Geschick zu als seinen Vorgängern. In diesen zwei zurückliegenden Jahren hat die Partei der Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski nicht nur innen- wie außenpolitisch gehörig viel Porzellan zerschlagen, sie hat auch die polnische Gesellschaft gespalten, vermittelt die Lektüre.
Reinhold Vetter ist ein Kenner Polens, seit der Wende hat er fast ausschließlich von dort als Korrespondent für deutsche Medien berichtet. Auch wenn er die Bilanz der Kacszynski-Regierung als "überwiegend nur negativ" beurteilt, kann er den zwei Jahren auch Positives abgewinnen: Die schmerzhafte Erfahrung der Zeit unter einer populistischen Regierung habe zu einer Stärkung der Demokratie geführt, schreibt er.
2005 sind nur 41 Prozent zur Wahl gegangen. Das heißt, die Mehrheit der Nichtwähler hat es erst ermöglicht, dass die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" an die Regierung kam. Gewählt von lediglich jedem zehnten Wahlberechtigten entwickelte sie ein Regime, das lediglich eine halbe Legislaturperiode hielt und außerdem auf immer größeren Unwillen in der Bevölkerung stieß. Vor knapp einem Jahr wählten die Polen bei einer Beteiligung von 54 Prozent die Regierung Kaczynski ab und installierten die Bürgerplattform von Donald Tusk.
Die Lektüre fasst alles zusammen, was die Medien über die Monate verstreut aus dem großen Nachbarland im Osten berichtet hatten und alle Welt immer mehr den Kopf schütteln ließ: Die Kaltschnäuzigkeit der Zwillinge gegenüber dem Ausland, insbesondere Deutschland und ausgenommen die USA, die Verstöße gegen Menschen- und Bürgerrechte im Land, die so konsequente wie kühne Besetzung aller wichtigen Posten mit loyalen Parteigängern und Sympathisanten.
Dabei wird das Brüderpaar Kaczynski als Persönlichkeiten mit großen menschlichen Defiziten beschrieben: Getrieben von Gehässigkeit gegenüber selbst geschaffenen Feindbildern, überzeugt, stets Opfer nicht näher definierter Verschwörungen zu sein, misstrauisch und unfähig Kritik zu ertragen, letztlich aber auch nicht imstande, auch nur simpelste politische Probleme zu lösen.
Solche Persönlichkeitsbilder begegnen aber immer wieder, wo es europäische Populisten schaffen, zumindest kurzfristig an die Macht zu kommen. Die Mechanismen von chaotischer Amtsführung und wehleidigen Reaktionen auf Kritik ähneln sich verblüffend. Der Autor gesteht den Kaczynskis zu, wichtige Probleme Polens zwar benannt, aber falsch analysiert zu haben: Korruption, soziale Verwerfungen, außenpolitische Streitfragen.
Vetter trägt die bekannten "Highlights" der Kaczynski-Regierung dokumentierend zusammen. Man erinnert sich etwa an die Abkühlung der politischen Beziehungen zu Deutschland oder die Aufregung über die Demonstration Homosexueller in Warschau. Dabei gibt er ein anschauliches Bild vom Aufstieg und Fall der Rechtspopulisten, analysiert, warum es dazu kam, und schildert den Hintergrund der polnischen Gesellschaft seit dem politischen Umbruch 1989.
Die Antwort auf die Frage des Buchtitels, wohin Polen nun steuere, bleibt der Autor aber schuldig. Während er mehr als zwei Drittel des Buches der Beschreibung der zwei Jahre des politischen Stillstands und der Rückwärtsbewegung schildert, entwirft er keine Szenarien eines Polen der Zukunft, wie es der Titel erwarten ließe. Er gesteht zwar der Regierung Tusk einen beachtenswerten Start zu, wagt sich aber nicht über die Analyse der Ausgangssituation hinaus. Wer allerdings das Polen von heute und seine jüngste Vergangenheit besser verstehen will, ist mit dem Buch sehr gut bedient.
Rezensiert von Stefan May
Reinhold Vetter: Wohin steuert Polen? Das schwierige Erbe der Kaczynskis
Ch. Links Verlag, Berlin 2008,
208 Seiten, 16,90 Euro
Reinhold Vetter ist ein Kenner Polens, seit der Wende hat er fast ausschließlich von dort als Korrespondent für deutsche Medien berichtet. Auch wenn er die Bilanz der Kacszynski-Regierung als "überwiegend nur negativ" beurteilt, kann er den zwei Jahren auch Positives abgewinnen: Die schmerzhafte Erfahrung der Zeit unter einer populistischen Regierung habe zu einer Stärkung der Demokratie geführt, schreibt er.
2005 sind nur 41 Prozent zur Wahl gegangen. Das heißt, die Mehrheit der Nichtwähler hat es erst ermöglicht, dass die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" an die Regierung kam. Gewählt von lediglich jedem zehnten Wahlberechtigten entwickelte sie ein Regime, das lediglich eine halbe Legislaturperiode hielt und außerdem auf immer größeren Unwillen in der Bevölkerung stieß. Vor knapp einem Jahr wählten die Polen bei einer Beteiligung von 54 Prozent die Regierung Kaczynski ab und installierten die Bürgerplattform von Donald Tusk.
Die Lektüre fasst alles zusammen, was die Medien über die Monate verstreut aus dem großen Nachbarland im Osten berichtet hatten und alle Welt immer mehr den Kopf schütteln ließ: Die Kaltschnäuzigkeit der Zwillinge gegenüber dem Ausland, insbesondere Deutschland und ausgenommen die USA, die Verstöße gegen Menschen- und Bürgerrechte im Land, die so konsequente wie kühne Besetzung aller wichtigen Posten mit loyalen Parteigängern und Sympathisanten.
Dabei wird das Brüderpaar Kaczynski als Persönlichkeiten mit großen menschlichen Defiziten beschrieben: Getrieben von Gehässigkeit gegenüber selbst geschaffenen Feindbildern, überzeugt, stets Opfer nicht näher definierter Verschwörungen zu sein, misstrauisch und unfähig Kritik zu ertragen, letztlich aber auch nicht imstande, auch nur simpelste politische Probleme zu lösen.
Solche Persönlichkeitsbilder begegnen aber immer wieder, wo es europäische Populisten schaffen, zumindest kurzfristig an die Macht zu kommen. Die Mechanismen von chaotischer Amtsführung und wehleidigen Reaktionen auf Kritik ähneln sich verblüffend. Der Autor gesteht den Kaczynskis zu, wichtige Probleme Polens zwar benannt, aber falsch analysiert zu haben: Korruption, soziale Verwerfungen, außenpolitische Streitfragen.
Vetter trägt die bekannten "Highlights" der Kaczynski-Regierung dokumentierend zusammen. Man erinnert sich etwa an die Abkühlung der politischen Beziehungen zu Deutschland oder die Aufregung über die Demonstration Homosexueller in Warschau. Dabei gibt er ein anschauliches Bild vom Aufstieg und Fall der Rechtspopulisten, analysiert, warum es dazu kam, und schildert den Hintergrund der polnischen Gesellschaft seit dem politischen Umbruch 1989.
Die Antwort auf die Frage des Buchtitels, wohin Polen nun steuere, bleibt der Autor aber schuldig. Während er mehr als zwei Drittel des Buches der Beschreibung der zwei Jahre des politischen Stillstands und der Rückwärtsbewegung schildert, entwirft er keine Szenarien eines Polen der Zukunft, wie es der Titel erwarten ließe. Er gesteht zwar der Regierung Tusk einen beachtenswerten Start zu, wagt sich aber nicht über die Analyse der Ausgangssituation hinaus. Wer allerdings das Polen von heute und seine jüngste Vergangenheit besser verstehen will, ist mit dem Buch sehr gut bedient.
Rezensiert von Stefan May
Reinhold Vetter: Wohin steuert Polen? Das schwierige Erbe der Kaczynskis
Ch. Links Verlag, Berlin 2008,
208 Seiten, 16,90 Euro