Ein Land - zwei Staaten

Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands 1945 beginnt eine Phase, in der die Alliierten über das Land bestimmen und die mit der Gründung zweier deutscher Staaten 1949 endet. Die vom Deutschlandradio herausgegebene Doppel-CD "Geschichte zum Hören. Der Weg in die Zweistaatlichkeit 1945 - 1949" zeichnet die Ereignisse mit zahlreichen historischen Reportage und Originaltönen nach.
Der größte Krieg der Weltgeschichte ist zu Ende, das Chaos, das Leid unfassbar, die Zukunft völlig ungewiss. Damit beginnt die CD "Geschichte zum Hören. Der Weg in die Zweistaatlichkeit 1945-1949". Die Widersprüchlichkeit der Situation fasst niemand besser in Worte als Thomas Mann in einer Rundfunkansprache: "Wie bitter ist es, wenn der Jubel der Welt der Niederlage, der tiefsten Demütigung des eigenen Landes gilt. Wie zeigt sich darin noch einmal schrecklich der Abgrund, der sich zwischen Deutschland und der gesitteten Welt aufgetan hatte. Und dennoch: Ich sage, es ist trotz allem eine große Stunde: die Rückkehr Deutschlands zur Menschlichkeit."

Damit beginnt der Weg Deutschlands in eine Zukunft, die zunächst von den vier Besatzungsmächten bestimmt wird und die 1949 in die Zweistaatlichkeit mündet. Diesen Weg zeichnet die CD in Berichten und Originaltönen nach. In drei Abschnitten werden Kriegsende und Neubeginn (1945 - 46), der Beginn des Kalten Krieges (1947 - 48) und der Aufbau der beiden deutschen Staaten (1948 - 49) dokumentiert. Wolfgang Leonhard erzählt, wie er die Gründung der SED erlebt hat – in der trügerischen Hoffnung, dass sich damit die sowjetische Besatzungsherrschaft bald erübrigen würde. Die Realität ist geprägt von Demontagen, die das ohnehin kaum zu bewältigende Nachkriegselend noch einmal verstärken. Demontagen gibt es in Ost und West – aber in den Westzonen wächst bald die Sorge vor allem der Amerikaner und Briten, dass eine dauerhafte Verelendung unkalkulierbare politische Folgen haben würde. Da Stalin einen gemeinsamen Wiederaufbau blockiert, gehen die Westmächte ihren eigenen Weg, mit der Gründung der Bizone und der Verabschiedung des amerikanischen Marshallplans. So beginnt der Kalte Krieg in Deutschland, und 1947 deutet das Scheitern der ersten gesamtdeutschen Ministerpräsidentenkonferenz darauf hin, dass die Aufteilung der Welt in West und Ost auch für Deutschland einschneidende Konsequenzen haben wird.

In der Viersektorenstadt Berlin bekommt diese Entwicklung eine eigene Dynamik mit der Berliner Blockade und der politischen Spaltung der bis 1948 noch einheitlich regierten Stadt. Eine RIAS-Reportage dokumentiert auf der CD, wie die SED durch eine gezielte Eskalation dafür sorgt, dass die Stadtverordneten der Westsektoren in den britischen Sektor weichen. Für die SED ist nicht hinnehmbar, dass sie bei den ersten freien Gesamtberliner Wahlen 1946 weniger als 20 Prozent der Stimmen bekommen hat.

1948 bricht der Alliierte Kontrollrat, der eigentlich Deutschland als Ganzes regieren sollte, auseinander. Der Weg in die Zweistaatlichkeit ist nun vorgezeichnet. Trotzdem gehen die deutschen Politiker ihn nicht freiwillig. Die Ministerpräsidenten der Westzonen werden von den Westmächten im Sommer 1948 geradezu verdonnert, mit den Vorbereitungen für eine Staatsgründung zu beginnen. So konstituiert sich in Bonn der Parlamentarische Rat, der das Grundgesetz erarbeitet. Zu den kuriosen Tondokumenten dieser CD gehört eine Rede zur Wahl der Bundeshauptstadt: Der Frankfurter Oberbürgermeister bedankt sich dafür, dass Frankfurt am Main zur Hauptstadt gewählt worden sei. Im Gefühl des sicheren Sieges hatte er sie einen Tag vor der Wahl, bei der Bonn das Rennen machte, aufgenommen.

Am Ende ist der zweite deutsche Staat mit viel Pathos gegründet worden, die SED ist etwas enttäuscht, dass Johannes R. Becher für die SED keine Hymne mit revolutionärem Elan komponiert hat, und Thomas Mann besucht Deutschland West und Ost. In Frankfurt am Main und in Weimar bekommt er den Goethepreis. Er gerät ins Kreuzfeuer der westlichen Kritik, weil er sich in Weimar hofieren lässt, obwohl die sowjetische Besatzungsmacht im ehemaligen KZ Buchenwald noch ein Internierungslager unterhält. Seine Hilflosigkeit im Umgang mit dieser Situation ist ein Sinnbild dafür, wie schwierig die deutschen Verhältnisse 1949 geworden sind.

Mit Thomas Mann endet die Doppel-CD, die auf der Grundlage von Sendungen im Deutschlandfunk und in Deutschlandradio Kultur und in Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv entstanden ist. Wissenschaftlich beraten und begleitet wurde sie von Prof. Peter Steinbach und einem Seminar der Universität Mannheim. Das Booklet enthält neben einer Zeittafel auch einen Beitrag von Peter Steinbach und Johannes Groß über die historische Zäsur des Jahres 1945 – unter dem Titel: "Von einer schrecklichen Zukunft befreit".

Besprochen von Winfried Sträter

Geschichte zum Hören. Der Weg in die Zweistaatlichkeit 1945 - 1949
Herausgegeben von Deutschlandradio (Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk)
2 CDs, 157 Minuten Laufzeit, 17,90 Euro

Die CD ist erhältlich über den Deutschlandradio-Hörerservice (0221-345-1831), bei Deutschlandradio audire oder über den Buchhandel.