Ein langer Bart als perfekte Provokation
Verbote scheinen ein bequemer Weg zu sein, Extremisten mundtot zu machen. Ihr Gedankengut ist damit aber nicht aus der Welt, meint der Publizist Albrecht Metzger. Das gelte auch für Salafisten, von denen viele aus Deutschland ins Ausland emigrierten und sich dort weiter radikalisierten.
Deutschland ist seit über sechzig Jahren eine Demokratie, es herrscht Meinungs- und Glaubensfreiheit. Doch das Erbe der Weimarer Republik steckt uns immer noch in den Knochen. "Wehret den Anfängen", heißt die Lehre, die die Gründungseltern der Bundesrepublik aus der deutschen Geschichte gezogen haben.
Anders ausgedrückt: Jeder, der sich gegen die Demokratie ausspricht und sie benutzen will, um die Freiheit abzuschaffen, wird an den Rand gedrückt, stigmatisiert, seine Parteien und Vereine verboten. Nie wieder sollen Extremisten in der Lage sein, auf demokratischem Weg an die Macht zu kommen. Ein hehrer Grundsatz.
Die Frage ist nur: Hat sich dieses wehrhafte Konzept nicht überholt? Könnten wir nicht gelassener mit den Feinden des liberalen Rechtsstaates umgehen? Ich meine, ja.
Verbote scheinen ein bequemer Weg, Extremisten mundtot zu machen. Ihr Gedankengut ist damit aber nicht aus der Welt. Viel nachhaltiger wäre es, sich mit ihnen offensiv auseinander zu setzen, sie herauszufordern und zu stellen. Nicht nur aus Prinzip, weil Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, sondern auch, weil es der gesündere Weg ist. Denn gerade jungen Leuten etwas zu verbieten, sie in die Ecke zu drängen, führt allzu leicht dazu, sie zu radikalisieren.
Ein Beispiel: Seit etwa zwei Jahren verfolgen deutsche Politiker – allen voran Innenminister Hans-Peter Friedrich – eine harte Linie gegenüber Salafisten. Sie werden pauschal als Extremisten bezeichnet und ihre Vereine verboten – als erster "Millatu Ibrahim", dessen Moschee in Solingen zugleich geschlossen wurde.
Das Resultat: Viele Anhänger emigrierten ins Ausland, zuerst nach Ägypten, dann nach Syrien. Dort haben sie sich weiter radikalisiert, lassen ihren Gewaltphantasien freien Lauf. Aus ihrem Umfeld kommen sehr wahrscheinlich auch jene, die in einer Botschaft via Internet all diejenigen zu Freiwild erklärten, die den Propheten Mohammed beleidigen würden.
Keine Frage: Millatu Ibrahim war kein harmloser Verein, als er noch aktiv war. Seine Prediger wetterten gegen die Demokratie und die "verderbte" deutsche Gesellschaft. Seine Anhänger waren maßgeblich an den Demonstrationen in Solingen und Bonn beteiligt, bei denen Polizisten zum Teil schwer verletzt wurden. Mordaufrufe, wie sie jetzt zu hören sind, gab es jedoch nicht.
Der jüngste Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz warnt davor, der Salafismus würde sich weiter ausbreiten. Ich behaupte: Mit Verboten ist dieses Phänomen nicht einzudämmen. Im Gegenteil. "Salafismus" ist zu einem Kampfbegriff geworden. Undifferenziert wird er auf strenggläubige Muslime angewandt. Selbst solche unter ihnen, die zu keinerlei Gewalt aufrufen, werden zur Gefahr hochstilisiert, allein weil sie wortreich Demokratie ablehnen.
Je konfrontativer aber die Stimmung wird, je mehr sich junge Frauen und vor allem Männer missverstanden, ausgegrenzt und ungerecht behandelt fühlen, desto aggressiver reagieren sie. Es ist ja nicht unbedingt Glaubensstärke, wohl aber häufig jugendlicher Protest, der sie zu einem orthodoxen Religionsbekenntnis treibt. Nichts wirkt heutzutage provokativer, als sich einen langen Bart wachsen zu lassen und dem Propheten Mohammed nachzueifern.
Sie ernst zu nehmen, sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen, wäre besser, als ihre Vereine zu verbieten. Natürlich ist es richtig, rote Linien aufzuzeigen: Leute, wir beobachten euch und wer zur Gewalt aufruft, bekommt ein Strafverfahren an den Hals.
Aber unterhalb dieser Schwelle haben religiöse Extremisten wie alle anderen Bürger das Recht, sich zu artikulieren, selbst wenn sie unseren liberalen Rechtsstaat ablehnen. Zur Erinnerung: Wir reden hier von ein paar tausend Leuten. Sie werden nicht in der Lage sein, die deutsche Demokratie aus den Angeln zu heben.
Albrecht Metzger, geboren 1966 in Hamburg, Studium der Islamwissenschaft, Geschichte und Politikwissenschaft. Buchautor und Journalist, u.a. für ZEIT, Deutschlandfunk, Deutschlandradio und NDR.
Anders ausgedrückt: Jeder, der sich gegen die Demokratie ausspricht und sie benutzen will, um die Freiheit abzuschaffen, wird an den Rand gedrückt, stigmatisiert, seine Parteien und Vereine verboten. Nie wieder sollen Extremisten in der Lage sein, auf demokratischem Weg an die Macht zu kommen. Ein hehrer Grundsatz.
Die Frage ist nur: Hat sich dieses wehrhafte Konzept nicht überholt? Könnten wir nicht gelassener mit den Feinden des liberalen Rechtsstaates umgehen? Ich meine, ja.
Verbote scheinen ein bequemer Weg, Extremisten mundtot zu machen. Ihr Gedankengut ist damit aber nicht aus der Welt. Viel nachhaltiger wäre es, sich mit ihnen offensiv auseinander zu setzen, sie herauszufordern und zu stellen. Nicht nur aus Prinzip, weil Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, sondern auch, weil es der gesündere Weg ist. Denn gerade jungen Leuten etwas zu verbieten, sie in die Ecke zu drängen, führt allzu leicht dazu, sie zu radikalisieren.
Ein Beispiel: Seit etwa zwei Jahren verfolgen deutsche Politiker – allen voran Innenminister Hans-Peter Friedrich – eine harte Linie gegenüber Salafisten. Sie werden pauschal als Extremisten bezeichnet und ihre Vereine verboten – als erster "Millatu Ibrahim", dessen Moschee in Solingen zugleich geschlossen wurde.
Das Resultat: Viele Anhänger emigrierten ins Ausland, zuerst nach Ägypten, dann nach Syrien. Dort haben sie sich weiter radikalisiert, lassen ihren Gewaltphantasien freien Lauf. Aus ihrem Umfeld kommen sehr wahrscheinlich auch jene, die in einer Botschaft via Internet all diejenigen zu Freiwild erklärten, die den Propheten Mohammed beleidigen würden.
Keine Frage: Millatu Ibrahim war kein harmloser Verein, als er noch aktiv war. Seine Prediger wetterten gegen die Demokratie und die "verderbte" deutsche Gesellschaft. Seine Anhänger waren maßgeblich an den Demonstrationen in Solingen und Bonn beteiligt, bei denen Polizisten zum Teil schwer verletzt wurden. Mordaufrufe, wie sie jetzt zu hören sind, gab es jedoch nicht.
Der jüngste Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz warnt davor, der Salafismus würde sich weiter ausbreiten. Ich behaupte: Mit Verboten ist dieses Phänomen nicht einzudämmen. Im Gegenteil. "Salafismus" ist zu einem Kampfbegriff geworden. Undifferenziert wird er auf strenggläubige Muslime angewandt. Selbst solche unter ihnen, die zu keinerlei Gewalt aufrufen, werden zur Gefahr hochstilisiert, allein weil sie wortreich Demokratie ablehnen.
Je konfrontativer aber die Stimmung wird, je mehr sich junge Frauen und vor allem Männer missverstanden, ausgegrenzt und ungerecht behandelt fühlen, desto aggressiver reagieren sie. Es ist ja nicht unbedingt Glaubensstärke, wohl aber häufig jugendlicher Protest, der sie zu einem orthodoxen Religionsbekenntnis treibt. Nichts wirkt heutzutage provokativer, als sich einen langen Bart wachsen zu lassen und dem Propheten Mohammed nachzueifern.
Sie ernst zu nehmen, sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen, wäre besser, als ihre Vereine zu verbieten. Natürlich ist es richtig, rote Linien aufzuzeigen: Leute, wir beobachten euch und wer zur Gewalt aufruft, bekommt ein Strafverfahren an den Hals.
Aber unterhalb dieser Schwelle haben religiöse Extremisten wie alle anderen Bürger das Recht, sich zu artikulieren, selbst wenn sie unseren liberalen Rechtsstaat ablehnen. Zur Erinnerung: Wir reden hier von ein paar tausend Leuten. Sie werden nicht in der Lage sein, die deutsche Demokratie aus den Angeln zu heben.
Albrecht Metzger, geboren 1966 in Hamburg, Studium der Islamwissenschaft, Geschichte und Politikwissenschaft. Buchautor und Journalist, u.a. für ZEIT, Deutschlandfunk, Deutschlandradio und NDR.