Ein Leben für das Kino

Von Gerrit Stratmann |
Hanns-Peter Hüster liebt Kino seit Kindesbeinen. Vor 50 Jahren eröffnete er in Essen sein erstes Unternehmen. Heute betreibt er drei vielfach ausgezeichnete Programmkinos und die Essener Lichtburg, den größten Kinosaal Deutschlands.
"Das Dschungelbuch" weckte bei Hanns-Peter Hüster die Leidenschaft für den Film. Die Realverfilmung aus dem Jahr 1942 mit dem indischen Kinderstar Sabu sah er als Jugendlicher nach dem Krieg in einem Essener Kino. Es dauerte nicht lange, bis er sein erstes eigenes Kino betrieb. Mit Freunden ließ er im Luftschutzkeller seiner Eltern kurze Trickfilme über die Leinwand flimmern, stumm und im Handbetrieb:

"Das war das, was wir früher hatten: ein Noris-Projektor mit Handkurbel. Also man hat hier unten die Aufwickelrolle und hier oben kam der Film drauf. Und Filme für den Projektor hab ich auch noch in meiner Sammlung. Also man könnte den wieder anschließen, laufen lassen. Aber das hab ich schon lang nicht mehr gemacht."

Geboren 1935 in Augsburg, wächst Hanns-Peter Hüster während des Krieges bei seiner Großmutter in Naumburg an der Saale auf. Erst nach Kriegsende findet die Familie wieder in Essen zusammen, wo der Vater als Geschäftsführer eines Kaufhauses arbeitet:

"Er hatte durch diese ganzen Nazizeiten zu Film überhaupt keine Verbindung. Er hatte eben auch mitgekriegt, was da für Filme gedreht wurden, und das waren Sachen, die ihn nicht interessierten. Insofern war das für ihn ein ziemlicher Schock als ich dann anfing, mich dafür zu interessieren."

Und trotzdem schenkt er seinem Sohn zur Konfirmation eine 16mm-Kamera. Mit ihr sammelt Hanns-Peter Hüster seine ersten Erfahrungen als Kameramann. Sein zweiter Kurzfilm von 1957 ist immer noch erhalten

"Das war eine Verfilmung von einer Kurzgeschichte von Tucholsky, die heißt Zeugung. Und das haben wir dann auf dem Dachboden meiner Eltern inszeniert, richtig Kulissen gebaut mit allem drum und dran, und haben dann unter dem Titel Der Morgen diesen Film gemacht."

Filmausschnitt: "Je weniger die Leute besitzen, desto voller sind ihre Stuben. Diese hat nur eine. Darin haben sie gestern das Kind gezeugt. Dass es ein Sohn werden würde, wusste die Frau noch nicht."

Das Essener Büro von Hanns-Peter Hüster direkt über dem Filmkunsttheater Eulenspiegel ähnelt einem Museum für Filmtechnikgeschichte. Hier hat er Unmengen von Filmen, Kameras und alten Projektoren gesammelt, die ihn Zeit seines Lebens begleitet haben:

"Das nächste war dann ein Siemens-Projektor. Da hab ich einen hier von drin stehen. Hier ist ein fürchterliches Durcheinander. Das waren die üblichen Filmprojektoren, die man früher in den Schulen hatte. Den haben wir dann irgendwann mal gekauft und haben dann uns auch von der Schulbildstelle Filme ausgeliehen. Das war dann der zweite Versuch."

Nach einer Ausbildung bei Siemens & Halske und einer Tätigkeit als Kameramann beim WDR übernahm Hanns-Peter Hüster 1962 endlich sein erstes echtes Kino in Essen-Frillendorf, das Studio Filmforum. Zwei Jahre später zog er mit der Technik in das neue Jugendzentrum der Stadt um. Dort war er bis 1970 als Angestellter für das Programm verantwortlich. Dann lockte ihn die Selbständigkeit. Ein befreundetes Ehepaar wechselte ins Ausland und suchte jemanden, der in dieser Zeit ihre Kunstgalerie weiterführte:

"Ich hab dann auch versucht, ein paar Wochen diesen Kunsthandel weiter zu betreiben, aber gemerkt, das ist nicht mein Ding. Und dann hab ich angefangen, aus dieser kleinen Galerie ein Kino zu machen. Tagsüber wurden dann immer noch die Bilder aufgehängt und die Stühle weggeräumt. Und abends konnte man dort Kino machen."

Mit nur 43 Plätzen hat die neue "Galerie Cinema" einen schweren Stand neben den großen Filmtheatern. Viele Filme bekommt er nicht, weil die anderen Kinos sie selber ausschlachten wollen. Also bedient er mit seinem Programm eine Nische, die sonst kein anderes Kino anbietet.

Einer dieser Nischenfilme ist Hal Ashbys wunderbare Komödie "Harold & Maude", die seit 1973 jeden Sonntag in der Galerie Cinema läuft:

"Ich halt den noch wie vor heute für sehr wichtig. Und dieser Film ist immer noch aktuell. Und ein sehr liebevoller Film. Er erzählt was über die Liebe."

Die Liebe erwischt auch Hanns-Peter Hüster in der Galerie Cinema. Bei einer Vorstellung von Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" lernt er seine Frau Marianne kennen. Heute führt sie die Geschäfte und kümmert sich um die mittlerweile sechs Kinos der Essener Filmkunsttheater GmbH. Hanns-Peter Hüster:

"Wenn man Geld verdienen will oder reich werden will, dann soll man kein Kino machen. Weil wenn man up to date bleiben will, muss man immer wieder investieren, investieren, investieren, und da muss man schon eine große Liebe zum Medium entwickeln, um das durchzuhalten. Und auch in den 50 Jahren bin ich nicht reich geworden daran."

Mit ihrer Liebe zum Kino und den vielfach ausgezeichneten Programmen ihrer Filmtheater haben er und seine Frau auch die Eröffnung des ersten Multiplex-Kinos in Essen überlebt. Mit großem Einsatz retteten sie außerdem das Filmstudio, das älteste Kino des Ruhrgebietes, und die Lichtburg, das größte Kino in Deutschland, vor dem Verschwinden. Nicht um des Geldes willen, sondern für etwas anderes:

"Dann gibt es hier so einen schönen Spruch von, glaube ich, Arno Schmidt. Das ist irgendwann morgens mal im Radio zitiert worden und da hab ich mir das sofort aufgeschrieben. Das heißt: 'Was ist Glück? Ein ruhiger Augenblick beim Frühstückskaffee. Ein alter Schlager im Radio. Klaras Knie. Oder der Augenblick, in dem in einem Vorstadtkino die Leinwand zu flimmern beginnt.' Das besagt doch eigentlich alles."
Mehr zum Thema