Ein Leben ohne Handy
Seit der Präsentation des weltweit ersten kommerziellen Handys im Jahr 1983 ist die Zahl der Nutzer explosionsartig gewachsen. Statistisch gesehen hat heute jeder fünfte Deutsche sogar zwei Mobiltelefone. Einige wenige allerdings verweigern sich dem Handy-Trend. Für sie überwiegt die Last und nicht die Erleichterung, die das mobile Telefonieren mit sich gebracht hat.
"Ich heiße Hilke G., bin 40 Jahre alt, Journalistin und habe kein Handy."
"Ich bin Ines Paul, bin in der Mediabranche tätig und ich habe kein Handy, weil ich es privat einfach nicht brauche."
Doch auch bei den beiden jungen Frauen gibt es Situationen, in denen ein Handy nützlich gewesen wäre.
"Zum Beispiel stand ich mal im Stau und wollte Bescheid geben, dass es sich halt echt hinauszögert. Ich stand dort gut zwei Stunden fest, solche Situationen waren es."
"Ja, wenn ich es beruflich brauche, dann leihe ich mir eins. Dann gibt es ein Diensthandy - wobei viele auch erstaunt sind, dass das überhaupt noch existiert."
Der Grund vieler Menschen, Handys mit einem Bann zu belegen, ist meistens immer so - oder so ähnlich:
"Ich fühle mich oft selber gestört, auch durch Handygeklingel im Laden oder in der Bahn. Und wenn ich mir anhören muss, dass die Leute alle möglichen privaten Geschichten neben mir erzählen, die mich weder was angehen noch interessieren - und ich möchte mich daran auch nicht beteiligen. Ich finde es manchmal auch ganz angenehm, nicht dauernd erreichbar zu sein."
Die Zahl derjenigen Deutschen, die ganz ohne Handy leben, liegt derzeit bei nur noch etwa 15 Prozent. Der Löwenanteil davon sind Rentner und Arbeitslose: Menschen also, die sich die neue Technik nicht mehr aneignen möchten oder die sie sich schlichtweg nicht leisten können.
Von den jungen erwerbstätigen Deutschen zwischen 20 und 45 Jahren allerdings nutzen mittlerweile rund 97 Prozent ein eigenes Mobiltelefon. Sie alle passen sich damit flexibleren Umgangsformen an, die das mobile Telefonieren ermöglicht hat. Kommunikationswissenschaftler Klaus Beck von der Freien Universität Berlin:
"Wenn Sie mal mithören, was ja leider unvermeidlich ist in der Mobiltelefonie, dann hören sie immer diese Eröffnung: 'Ich bin gerade im Zug nach so und so, ich bin gerade hier und da, und neben mir sitzt…' Das sind alles Dinge, die wir nie hatten bei der Festnetztelefonie. Das heißt, die Art und Weise, wie telefoniert wird, auf der sprachlichen Ebene ändert sich, die Kontexte ändern sich. Wo wir gehen und stehen sind Menschen am Telefonieren. Und das führt natürlich auch zu Stress und zu Belastungen."
Hilke G.: "Was ich so höre, was Leute in ihr Handy reden in der Öffentlichkeit, ist total überflüssig. 'Ich bin jetzt hier kurz vor Westend, und in fünf Minuten bin ich zu Hause oder solche Nachrichten - also ich weiß nicht, das kommt mir total überflüssig vor."
Ines Paul: "Ich denke, dass so viel kommuniziert wird heute, so viel unnützes Zeug, und gerade auch übers Handy, das möchte ich gar nicht unterstützen. Und ich brauche es auch nicht für mich. Ich rede auch so schon genug, da muss ich nicht auch noch im Supermarkt mit Leuten telefonieren können."
In der österreichischen Stadt Graz ist es seit April dieses Jahres verboten, in Bussen und Straßenbahnen zu telefonieren - die Fahrgäste fühlten sich zunehmend belästigt. Aufkleber bitten die Kunden jetzt, ihr Handy auszuschalten.
Die deutsche Bundesnetzagentur empfiehlt etwa Gastronomen und Veranstaltern, Verbotsschilder aufzuhängen, wenn ihre Kundschaft durch Mobilfunkgespräche genervt ist. Die deutschen Fluggesellschaften haben angekündigt, Gespräche über den Wolken nicht zu erlauben. Begründung: Die Fluggäste wollen ihre Ruhe.
Mobiltelefone haben den Einzug in die deutschen Familien gehalten. Besonders die jüngere Generation kann schon nicht mehr ohne. Dadurch verändern sich aber auch unsere Beziehungen, sagt der Kommunikationswissenschaftler Klaus Beck:
"Es werden noch Verabredungen längerfristig getroffen, aber eben ungenaue Verabredungen. Das heißt, wir haben so eine Art Mikromanagement von Verabredungen. Man wird heute vielleicht eher die Versuchung haben, mehr Termine an einem Tag unterzubringen, auch private Termine, also dieses Freizeitmanagement.
Auch das Wechseln abends zwischen den Clubs oder Kneipen, das ist sehr viel intensiver geworden, als das früher der Fall war, wo man sozusagen einen festen Ort, eine feste Zeit vereinbart hat und dann auch in Kauf genommen hat, dass man vielleicht eine Viertelstunde wartet oder jemanden eine Viertelstunde warten lässt."
Die Handyverweigerin Ines Paul lehnt diese vage Form der Verabredungen ab. Sie bevorzugt Kontinuität statt maximaler Flexibilität.
"Also, ohne Handy kann ich mich hervorragend verabreden. Man muss sich halt festlegen bei mir. Man kann also nicht sagen: Oh, ich sage kurz vorher mal ab, oder ich frage mal spontan, ob Ines Zeit hat - das ist natürlich nicht möglich."
Auch Hilke G. denkt so ähnlich, ist aber teilweise inkonsequent:
"Natürlich nutze ich aus, dass meine Freunde oder mein Lebensgefährte, dass die Handys haben und ich sie halt erreichen kann, wenn bei mir sich irgend etwas ändert. Aber ich stelle fest, das geht ganz gut. Man muss sich halt verbindlicher verabreden, so wie es früher auch ging. Wir sagen halt, wir treffen uns Dienstag 20 Uhr und telefonieren nicht noch dreimal vorher, um den Termin noch zweimal zu verschieben."
Der Lüneburger Soziologieprofessor Günter Burkart vertritt in seinem Buch 'Handymania' die These, dass das Handy zentrale Aspekte unserer gegenwärtigen Gesellschaft symbolisiert: Es stehe für Kommunikation, Vernetzung, Erreichbarkeit, Individualisierung, Mobilität.
Die absolute Anzahl der Handyanschlüsse in Deutschland scheint diese These zu stützen: Unter anderem neben den USA, Japan und Indien gehört Deutschland hier zur weltweiten Spitze. Für Kommunikationswissenschaftler Klaus Beck keine zwangsläufige Entwicklung - sie lasse sich durchaus steuern.
"Es ist nicht so, dass wir da wehrlose Opfer sind einer Kultur, die wie eine Flut über uns schwappt, der man sich gar nicht entziehen kann. Das zeigt ja auch das Verhalten, dass sich einige Leute befreien vom Handy, nachdem sie entsprechende Erfahrungen gemacht haben, oder von vorneherein nur sehr selektiv davon Gebrauch machen."
Ungestört zu sein und nicht immer Gewehr bei Fuß zu stehen, den nächsten überflüssigen Anruf nicht entgegennehmen zu müssen - davon träumen heute schon viele. Einige tun etwas dagegen und schalten ihr Handy nur ab und zu ein - oder sie verzichten völlig darauf.
Ines Paul: "Ich fühle mich auf jeden Fall einfach unabhängiger ohne Handy, ohne ständig erreichbar und kontrollierbar zu sein. Nicht, dass ich mich jetzt gerne geheimniskrämerisch gebe oder so, aber ich muss einfach nicht immer erreichbar sein für die Leute, finde ich wirklich nicht."
Eine Position, die durch den auch künftig noch steigenden Gebrauch der Handys an den Rand gedrängt wird: Bundesnetzagentur und Mobilfunkanbieter rechnen mit weiterem Wachstum. UMTS-Anschlüsse, also besonders schnelle und leistungsstarke Handyverbindungen mit Internetzugang, versprechen ein künftiges Milliardengeschäft. Und trotz einiger Verweigerer: Der Siegeszug des Handys hält an.
"Ich bin Ines Paul, bin in der Mediabranche tätig und ich habe kein Handy, weil ich es privat einfach nicht brauche."
Doch auch bei den beiden jungen Frauen gibt es Situationen, in denen ein Handy nützlich gewesen wäre.
"Zum Beispiel stand ich mal im Stau und wollte Bescheid geben, dass es sich halt echt hinauszögert. Ich stand dort gut zwei Stunden fest, solche Situationen waren es."
"Ja, wenn ich es beruflich brauche, dann leihe ich mir eins. Dann gibt es ein Diensthandy - wobei viele auch erstaunt sind, dass das überhaupt noch existiert."
Der Grund vieler Menschen, Handys mit einem Bann zu belegen, ist meistens immer so - oder so ähnlich:
"Ich fühle mich oft selber gestört, auch durch Handygeklingel im Laden oder in der Bahn. Und wenn ich mir anhören muss, dass die Leute alle möglichen privaten Geschichten neben mir erzählen, die mich weder was angehen noch interessieren - und ich möchte mich daran auch nicht beteiligen. Ich finde es manchmal auch ganz angenehm, nicht dauernd erreichbar zu sein."
Die Zahl derjenigen Deutschen, die ganz ohne Handy leben, liegt derzeit bei nur noch etwa 15 Prozent. Der Löwenanteil davon sind Rentner und Arbeitslose: Menschen also, die sich die neue Technik nicht mehr aneignen möchten oder die sie sich schlichtweg nicht leisten können.
Von den jungen erwerbstätigen Deutschen zwischen 20 und 45 Jahren allerdings nutzen mittlerweile rund 97 Prozent ein eigenes Mobiltelefon. Sie alle passen sich damit flexibleren Umgangsformen an, die das mobile Telefonieren ermöglicht hat. Kommunikationswissenschaftler Klaus Beck von der Freien Universität Berlin:
"Wenn Sie mal mithören, was ja leider unvermeidlich ist in der Mobiltelefonie, dann hören sie immer diese Eröffnung: 'Ich bin gerade im Zug nach so und so, ich bin gerade hier und da, und neben mir sitzt…' Das sind alles Dinge, die wir nie hatten bei der Festnetztelefonie. Das heißt, die Art und Weise, wie telefoniert wird, auf der sprachlichen Ebene ändert sich, die Kontexte ändern sich. Wo wir gehen und stehen sind Menschen am Telefonieren. Und das führt natürlich auch zu Stress und zu Belastungen."
Hilke G.: "Was ich so höre, was Leute in ihr Handy reden in der Öffentlichkeit, ist total überflüssig. 'Ich bin jetzt hier kurz vor Westend, und in fünf Minuten bin ich zu Hause oder solche Nachrichten - also ich weiß nicht, das kommt mir total überflüssig vor."
Ines Paul: "Ich denke, dass so viel kommuniziert wird heute, so viel unnützes Zeug, und gerade auch übers Handy, das möchte ich gar nicht unterstützen. Und ich brauche es auch nicht für mich. Ich rede auch so schon genug, da muss ich nicht auch noch im Supermarkt mit Leuten telefonieren können."
In der österreichischen Stadt Graz ist es seit April dieses Jahres verboten, in Bussen und Straßenbahnen zu telefonieren - die Fahrgäste fühlten sich zunehmend belästigt. Aufkleber bitten die Kunden jetzt, ihr Handy auszuschalten.
Die deutsche Bundesnetzagentur empfiehlt etwa Gastronomen und Veranstaltern, Verbotsschilder aufzuhängen, wenn ihre Kundschaft durch Mobilfunkgespräche genervt ist. Die deutschen Fluggesellschaften haben angekündigt, Gespräche über den Wolken nicht zu erlauben. Begründung: Die Fluggäste wollen ihre Ruhe.
Mobiltelefone haben den Einzug in die deutschen Familien gehalten. Besonders die jüngere Generation kann schon nicht mehr ohne. Dadurch verändern sich aber auch unsere Beziehungen, sagt der Kommunikationswissenschaftler Klaus Beck:
"Es werden noch Verabredungen längerfristig getroffen, aber eben ungenaue Verabredungen. Das heißt, wir haben so eine Art Mikromanagement von Verabredungen. Man wird heute vielleicht eher die Versuchung haben, mehr Termine an einem Tag unterzubringen, auch private Termine, also dieses Freizeitmanagement.
Auch das Wechseln abends zwischen den Clubs oder Kneipen, das ist sehr viel intensiver geworden, als das früher der Fall war, wo man sozusagen einen festen Ort, eine feste Zeit vereinbart hat und dann auch in Kauf genommen hat, dass man vielleicht eine Viertelstunde wartet oder jemanden eine Viertelstunde warten lässt."
Die Handyverweigerin Ines Paul lehnt diese vage Form der Verabredungen ab. Sie bevorzugt Kontinuität statt maximaler Flexibilität.
"Also, ohne Handy kann ich mich hervorragend verabreden. Man muss sich halt festlegen bei mir. Man kann also nicht sagen: Oh, ich sage kurz vorher mal ab, oder ich frage mal spontan, ob Ines Zeit hat - das ist natürlich nicht möglich."
Auch Hilke G. denkt so ähnlich, ist aber teilweise inkonsequent:
"Natürlich nutze ich aus, dass meine Freunde oder mein Lebensgefährte, dass die Handys haben und ich sie halt erreichen kann, wenn bei mir sich irgend etwas ändert. Aber ich stelle fest, das geht ganz gut. Man muss sich halt verbindlicher verabreden, so wie es früher auch ging. Wir sagen halt, wir treffen uns Dienstag 20 Uhr und telefonieren nicht noch dreimal vorher, um den Termin noch zweimal zu verschieben."
Der Lüneburger Soziologieprofessor Günter Burkart vertritt in seinem Buch 'Handymania' die These, dass das Handy zentrale Aspekte unserer gegenwärtigen Gesellschaft symbolisiert: Es stehe für Kommunikation, Vernetzung, Erreichbarkeit, Individualisierung, Mobilität.
Die absolute Anzahl der Handyanschlüsse in Deutschland scheint diese These zu stützen: Unter anderem neben den USA, Japan und Indien gehört Deutschland hier zur weltweiten Spitze. Für Kommunikationswissenschaftler Klaus Beck keine zwangsläufige Entwicklung - sie lasse sich durchaus steuern.
"Es ist nicht so, dass wir da wehrlose Opfer sind einer Kultur, die wie eine Flut über uns schwappt, der man sich gar nicht entziehen kann. Das zeigt ja auch das Verhalten, dass sich einige Leute befreien vom Handy, nachdem sie entsprechende Erfahrungen gemacht haben, oder von vorneherein nur sehr selektiv davon Gebrauch machen."
Ungestört zu sein und nicht immer Gewehr bei Fuß zu stehen, den nächsten überflüssigen Anruf nicht entgegennehmen zu müssen - davon träumen heute schon viele. Einige tun etwas dagegen und schalten ihr Handy nur ab und zu ein - oder sie verzichten völlig darauf.
Ines Paul: "Ich fühle mich auf jeden Fall einfach unabhängiger ohne Handy, ohne ständig erreichbar und kontrollierbar zu sein. Nicht, dass ich mich jetzt gerne geheimniskrämerisch gebe oder so, aber ich muss einfach nicht immer erreichbar sein für die Leute, finde ich wirklich nicht."
Eine Position, die durch den auch künftig noch steigenden Gebrauch der Handys an den Rand gedrängt wird: Bundesnetzagentur und Mobilfunkanbieter rechnen mit weiterem Wachstum. UMTS-Anschlüsse, also besonders schnelle und leistungsstarke Handyverbindungen mit Internetzugang, versprechen ein künftiges Milliardengeschäft. Und trotz einiger Verweigerer: Der Siegeszug des Handys hält an.