Ein leichter und ein schwerer Film

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack |
Im Mittelpunkt des amerikanischen Streifens "Ein gutes Jahr" steht ein von Russell Crowe gespielter Londoner Investmentbanker. Als er ein Weingut in Südfrankreich erbt, beginnt sich sein Leben überraschend zu ändern. Der Film "Der letzte Zug" spielt 1943. Er erzählt von der Reise jüdischer Gefangener von Berlin-Grunewald nach Auschwitz in den Tod.
"Ein gutes Jahr"
USA 2006, Regie: Ridley Scott, Hauptdarsteller: Russell Crowe, Marion Cotillard, Albert Finney, ohne Altersbeschränkung

Ridley Scott ist einer der herausragendsten Filmemacher unserer Zeit. Der gebürtige Brite, Jahrgang 1937, hat Genre-Filmgeschichte durch Klassiker wie "Die Duellisten" (1977, Debütfilm, "Jury-Preis" in Cannes), "Alien" (1979), vor allem natürlich "Blade Runner" (1982), aber auch "Thelma & Louise" (1991) sowie "Gladiator" (2000, 5 "Oscars", darunter "Bester Film" und "Bester Hauptdarsteller" Russell Crowe) geschrieben und inszeniert.

Hier lässt er es diesmal "ruhiger" angehen, adaptierte den gleichnamigen, 2004 herausgekommenen und inzwischen zum Bestseller avancierten Roman des Engländers Peter Mayle. Dabei im Blick- und Mittelpunkt: Der zynisch-coole Londoner Investmentbanker Max Skinner. Der kennt nichts anderes als eine mit Dauerarbeit und -präsenz ausgefüllte 7-Tage-Woche, in der es vor allem immer nur um das eine geht: Mächtig viel "Kohle" zu machen.

Doch dann spielt ihm das Leben einen ebenso zufälligen wie angenehmen Streich (auch wenn er das anfangs "ganz anders" sieht): Max erbt in der südfranzösischen Provence das kleine Weingut seines Onkels Henry. Mit dem hatte er in der prägenden Kindheit und Jugend einen tollen Kontakt, doch dann verschlug es ihn in die große Börsenwelt. Jedenfalls hatten die beiden seit über 10 Jahren keinen Kontakt mehr. Max möchte das komfortable Gut, wie gewohnt, schnell verkaufen und zu Geld machen, doch das läuft hier halt nicht so schnell ab, wie gewünscht und Max muss sich, wohl oder übel, auf die provenzalische Lebensart einlassen und entdeckt dabei nach und nach deren außerordentliche wie wunderschöne Vorzüge: Landschaftlich wie privat. Stichwort: Lebensart und Liebe.

Natürlich eine vorhersehbare Geschichte, aber einem Regisseur wie Ridley Scott gelingt es, diese an sich banale Story in einen pointierten, charmanten und dabei höchst unterhaltsamen Film zu verwandeln, in dem die Emotionen und Gedanken sowie auch der fein zusammengestellte, stimmungsvolle Soundtrack bestens mit den guten Schauspielern korrespondieren. Russell Crowe gibt prima das nette Raubein, das "ins Leben" zurückgeholt wird, währenddessen Spitzenakteure wie Albert Finney ("Mord im Orient-Expreß"; neulich der Chef von "Erin Brockovich", Julia Roberts; "Big Fish"), Marion Cotillard ("Cesar" als "Beste Nebendarstellerin" in "Mathilde - Eine große Liebe", 2004), Tom Hollander ("Gosford Park") sowie der kleine Freddie Highmore als "Young Max" (neulich Hauptdarsteller in "Charlie und die Schokoladenfabrik" von Tim Burton; davor bereits "auffällig" in "Wenn Träume fliegen lernen", neben Johnny Depp) souverän-sympathische Stichwortgeber sind.

Der Film "Ein gutes Jahr" zeigt sich wie ein freundlich-unbeschwertes, mediterran-lakonisches Menü: Appetitlich wie amüsant; ein köstlicher Kinofilm.

"Der letzte Zug"
Deutschland 2006, Regie: Joseph Vilsmaier, Dana Vávrová, Hauptdarsteller: Sibel Kekilli, Gedeon Burkhard, ab zwölf Jahren

Regie führen in diesem Film Joseph Vilsmaier (67) und (Ehefrau) Dana Vávrová (39). Ihre Anfangsfilme - als Regisseur und Hauptdarstellerin -, "Herbstmilch" und "Rama Dama" (1988 + 1990), fanden viel Zuspruch, während die Vilsmaier-Streifen danach, u.a. "Stalingrad", "Schlafes Bruder", "Comedian Harmonists" sowie vor allem "Marlene" (2000) und zuletzt "Bergkristall" (2004) mitunter heftig kritisiert wurden.

Nach dem Absprung von Armin Mueller-Stahl, Rolf Schübel und Ivan Fila übernahmen die beiden im letzten Frühjahr die (in der Zusammenarbeit mit Produzent Artur Brauner sowie durch eine schwere Verletzung Vilsmaiers infolge eines Unglücks während der Dreharbeiten) angespannten Dreharbeiten in Prag und Berlin.

Thema: Kriegsjahr 1943. Die Nazis wollen Berlin endgültig "judenrein" machen. Menschen werden aus ihren Häusern, Wohnungen gezerrt, geprügelt, auf der Straße verhaftet und zum Bahnhof Grunewald gebracht. Über 70.000 Juden wurden bereits aus der Hauptstadt deportiert. Im April, kurz vor dem Geburtstag "des Führers", rollt von Gleis 17 ein Zug mit 688 Juden in Richtung Auschwitz. Zusammengepfercht in Viehwaggons, kaum Wasser, kein Essen. Alte, Junge, Kinder, Babys. Akademiker, Arbeiter, Künstler, Sportler, Hausfrauen. Arme, Reiche, Schwangere, Familien, Fremde, Freunde. Auf Hilferufe antworten die begleitenden Soldaten mit Maschinengewehrschüssen.

Der Film "Der letzte Zug" handelt von der sechs Tage dauernden Reise in den Tod. Dabei beschreibt er die im Grunde unbeschreiblichen Zustände in einem dieser Waggons mit 100 Gefangenen: Unerträgliche Hitze, Durst, Hunger. Die Enge. Verzweiflung, Fassungslosigkeit, Hoffnungslosigkeit. Das Wissen um die Ausweglosigkeit. Entsetzen, Angst, Resignation. Die Kamera verlässt nur ganz selten den Waggon, bleibt ganz nah an den Menschen, die an Entkräftung sterben oder wahnsinnig werden. Das Leid verschlägt einem immerfort den Atem. Am Ende schließlich, angekommen in Auschwitz, öffnet sich die Waggontür, die Kamera blickt auf die Passagiere - und die Lebenden sind kaum mehr von den Toten zu unterscheiden.

Die Intensität der Darstellung macht den Betrachter ebenso fassungslos. Sie geht unter die Haut, berührt direkt in Kopf und Bauch. Das Ensemble - mit u.a. Gedeon Burkhard, Lale Yavas (Adolf-Grimme-Preisträgerin für die Hauptrolle in dem TV-Zweiteiler "Zeit der Wünsche"), Juraj Kukura, Sibel Kekilli ("Gegen die Wand"), Brigitte Grothum - spielt überzeugend, ist sehr glaubwürdig, um so mehr hier weniger die Worte und mehr die Körpersprache gefragt ist. Ein erschütternder, wichtiger, nachhaltig wirkender Film, der zu den eindrucksvollsten deutschen Produktionen der letzten Jahre zählt und unbedingt zum künftigen schulischen Film-Pflichtprogramm gehören sollte.
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