Ein Lied für die ganze Welt

Von Camilla Hildebrandt |
"Stille Nacht, Heilige Nacht" ist an Heiligabend überall auf der Welt zu hören. Der Erfinder dieses Liedes war der österreichische Priester Joseph Mohr. Franz Xaver Gruber komponierte die Musik. An den Orten, wo Mohr und Gruber lebten, kann man heute Gedenkstätten und Museen besuchen.
Musik Stille Nacht

Mariapfarr im Lungau, rund eineinhalb Busstunden von Salzburg entfernt. Ein 2200-Seelen-Städtchen mit gelb, grün und blau-gestrichenen Häusern, eingerahmt von schneebedeckten Bergen.

Im Zentrum: das ehemalige Pfarrhaus - heute ein Wallfahrts- und "Stille Nacht Museum". Hier findet man Beurteilungen über Mohr, Briefwechsel, sein Universitätszeugnis und seine handschriftlichen Eintragungen in das Tauf- und Sterbebuch.

In dem kleineren der zwei Ausstellungs-Räume stehen ein Stuhl, ein kleiner Tisch und eine Gitarre. So soll Mohrs "Kooperationsstube" damals ausgesehen haben, wo er 1816 das berühmte Weihnachtslied verfasste - mit gerade 24 Jahren.

Mariapfarr war Mohrs erste Stelle als Hilfspfarrer, zwei Jahre zuvor war er erst in Salzburg zum Priester geweiht worden. Kein Beruf, den er sich ausgesucht hatte. Denn als uneheliches Kind hatte man damals kaum Chancen, erklärt der Journalist und Autor Werner Thuswaldner.

"Er ist unter sehr armen Verhältnissen aufgewachsen. Um eine richtige Berufslaufbahn zu machen, dafür haben ihm alle Voraussetzungen gefehlt. Aber er war sehr begabt in der Schule, und da ist er einem Geistlichen aufgefallen, der hat ihn finanziell gefördert. Welche Laufbahn hat man nehmen können Anfang des 19. Jahrhunderts? Die Geistliche oder die Militärlaufbahn."

Musik Stille Nacht

Der junge Mohr war im Gemeindegebiet bald bekannt und beliebt. Denn er kümmerte sich vor allem um die Armen, reiste auch bei den wildesten Schneestürmen in die Berge, um das Sterbesakrament zu erteilen.

Thuswaldner: "Es heißt: er saß bei Ihnen im Gasthaus, hat mit ihnen gesungen. Es heißt, sein Vorgesetzter beschwert sich über ihn und sagt: der läuft mit der Tabakspfeife an der Seite über die Gasse. Ja, er war hilfsbereit, sozial engagiert. Der wusste, was Not und Armut ist!"

Musik Elvis Christmas Peace
Musik Silent Night


20 Kilometer nördlich von Salzburg liegt Oberndorf. Joseph Mohr ließ sich 1817 aus gesundheitlichen Gründen hierher versetzen - seine Lunge machte ihm immer wieder zu schaffen.

Thuswaldner: "Es war ein besonderer Ort, kein Ort von Bauern, sondern von Flussschiffern, die haben den Salztransport betrieben. Das war eine eigene Kaste von Menschen. Und dieser Ort und diese Menschen waren ständig bedroht durch Überschwemmungen. Mohr hat immer geholfen, Mohr ist auf dem Boot gefahren, hat Menschen gerettet, versorgt."

Hier lernte er den Lehrer und Musiker Franz Xaver Gruber kennen. Kurz vor Weihnachten bat er ihn ein Gedicht zu vertonen – das beide am Heiligen Abend 1818 vortrugen, in der St. Nikolas Kirche.

Die Mäuse hatten den Blasebalg der Orgel zerstört, deswegen begleitete Mohr den Gesang mit seiner Gitarre – ein damals höchst unheiliges Instrument.

Thuswaldner: "Das ist eine Geschichte, die sehr gern erzählt wird und es gibt noch viel mehr Geschichten – aber sie entsprechen nicht der Wahrheit."

"Tatsache ist, dass diese Orgel nicht sehr gut war, aber davon, dass sie zerstört war, kann keine Rede sein. Es ist auch kein Lied, das zur Messe gehört, nein, es wurde nach der Messe gesungen, es ist kein Kirchenlied in diesem Sinne."

Rund 50.000 Menschen besuchen jedes Jahr Oberndorf. Sie ziehen am Weihnachtsmarkt vorbei zur Mohr-Gruber-Gedächtniskapelle.
1924 wurde sie eingeweiht - nach dem Abriss der Kirche.

Nur eine Hand voll Leute passen in die achteckige Kapelle mit den bunten Glasfenstern, auf denen Franz Xaver Gruber und Joseph Mohr - wie man ihn sich vorstellte - abgebildet sind.

"Von Mohr - es gibt keine Bildliche Darstellung von ihm. Während Gruber, der war ja ein etablierter Bürger, von ihm gibt es gemalte Portraits."

Mit 56 Jahren - am 4. Dezember 1848 - starb Joseph Mohr. Er hinterließ zwei Messgewänder und eine abgenutzte Stola. Seine Ersparnisse reichten gerade für das Begräbnis.

Thuswaldner: "Es gibt einen ärztlichen Befund, da ist von einer Schrägstellung des Brustbeins die Rede, also man würde sagen: dass er leicht verkrüppelt war."

Hinterlassen hat er außerdem ein Lied, das nur ein Jahr nach seinem Tod - 1849 - schon in einem amerikanischen Gesangsbuch auftauchte und kurze Zeit später auf der ganzen Welt berühmt war.

Musik Silent Night