Ein Lob der Powerfrau

Rezensiert von Irène Bluche |
Frauen sind die idealen Arbeitnehmer des 21. Jahrhunderts, glaubt Hanna Rosin. Denn weibliche Fähigkeiten seien heute in der Wirtschaft mehr gefragt denn je. Ihr Reportagebuch ist eine Hommage an die moderne Powerfrau. Die ein fast schon irritierendes Leistungsdenken offenbart.
Frauen sind aus Plastik, Männer aus Pappe, sagt Hanna Rosin, denn: Plastik ist flexibel, Pappe nicht.

"(Die Plastikfrau) hat einen nahezu napoleonischen Eroberungsdrang. Während sie sich eifrig Neues erschließt, hält sie zugleich am Alten fest und produziert damit ein ganz neues Sortiment existenzieller Zwickmühlen (zu viel Arbeit und zu viel häusliche Verantwortung, zu viel Macht und zu viel Verwundbarkeit, zu viel Nettigkeit und nicht genug Glück). (...) Der Mann aus Pappe hingegen ändert sich fast gar nicht. Ein Jahrhundert kann vergehen, und sein Lebensstil und seine Ziele sind immer noch fast die Gleichen."

In einer Zeit, in der sich die Gesellschaft und die Arbeitswelt ständig verändern, ist laut Rosin klar, wer bessere Chancen hat, sich anzupassen: die Plastikfrau.

Mädchen sind in der Schule besser, sie machen mehr Hochschulabschlüsse und seit einigen Jahren sind erstmals in den USA mehr Frauen erwerbstätig als Männer. Der Grund: Die idealen Arbeitnehmer des 21. Jahrhunderts seien typisch weiblich:

"Irgendwann in den vergangenen 40 Jahren war auf dem Arbeitsmarkt der Punkt erricht, wo Kraft und Größe keine Rolle mehr spielten, und von da an büßten die Männer ihre Vormachtstellung ein. (...) Traditionell weibliche Eigenschaften wie Empathie, Geduld und die Fähigkeit zur Problemlösung im Team ersetzten allmählich das vertikal ausgerichtete Modell für Autorität und Erfolg. Zum ersten Mal in der Geschichte haben Frauen in der Weltwirtschaft zunehmend mehr Erfolg als Männer."

Warum Frauen angeblich so viel flexibler als Männer sind, erklärt Rosin nicht eindeutig: Sie führt teilweise widersprüchliche biologistische Herleitungen an über eine angeborene Natur der Frau, die schon in der Steinzeithöhle nach dem Rechten sah, als auch gesellschaftskulturelle Muster – die jahrhundertelange Erziehung von Mädchen zu fleißigen, braven und multitaskingfähigen Müttern. Lieber lässt Rosin Zahlen für sich sprechen, die sie aber nicht immer klar belegen kann:

"Etwa 80 Prozent der Frauen im Alter zwischen 24 und 54 Jahren sind erwerbstätig und der Anteil der Frauen mit Hochschulabschluss ist sogar noch höher. Nach den Angaben des Bureau of Labor Statistics waren im Jahr 2011 51,4 Prozent der Personen in leitenden Positionen oder akademischen Berufen weiblich – 1980 waren es nur 26,1 Prozent."

Der Aufstieg der Frauen bedeutet kein feministisches Paradies

Rosin ist von der Hauptstadt Washington ins von Arbeitslosigkeit geprägte Alabama gereist, vom alternativen Portland ins innovative Silicon Valley. Reportagenhaft erzählt sie – oft zu detailverliebt - von ihren Begegnungen mit Schülerinnen, Studentinnen, Vorstandsvorsitzenden. Sie ist dabei auf dynamische erfolgreiche Frauen getroffen und auf ihre meist apathischen arbeitslosen Männer, die spätestens seit der für die USA verheerenden Finanzkrise nicht mehr beruflich Fuß fassen:

"Calvin würde nicht mit einem Chevy vorfahren und seinen alten Platz am Kopf der Tafel wieder einnehmen, weil dort schon Bethenny saß, ganz zu schweigen davon, dass sie die Monatsraten für die Hypothek, die Renovierung der Küche und ihren eigenen Gebrauchtwagen zahlte. Bethenny tat zu viel, aber es funktionierte, und sie hatte ihre Freiheit. Warum sollte sie das alles aufgeben wollen?"

Die neue Welt, die Hanna Rosin beschreibt, ist bei Weitem keine bessere. Der Aufstieg der Frauen bedeutet kein feministisches Paradies: Viele der Frauen sind jetzt die dominanten Ernährerinnen, die sich über die mangelnde Bildung ihres Partner mokieren und sich ihm überlegen fühlen - weil sie das Geld verdienen. Die traditionelle Rollenkonstellation, der sie selbst entfliehen wollten, bürden sie nun ihren Männern auf. Doch dafür gestalten sie ihren Arbeitsplatz oft familienfreundlicher und führen gerade in Führungspositionen neue Arbeitszeitmodelle und Kommunikationsformen ein:

"Die herausragendste Eigenschaft der Frauen ist nicht unbedingt, dass sie netter oder freundlicher sind als die Männer oder dass sie alles tun, um ihren Nachwuchs zu schützen. Vielmehr besteht sie (...) darin, dass sie stark auf soziale Anreize reagieren und ihre Persönlichkeit verändern, um die Spielräume auszunutzen, die sich ihnen in ihrer Zeit bieten."

Rosin verfolgt ein fast schon irritierendes Leistungsdenken: Sie preist Frauen an, die durch Zwölfstundenarbeitstage, Kinderbetreuung und Haushalt in Acht-Zentimeter-Stilletos stürmen. Dabei belächelt sie diejenigen, denen der Drang nach Erfolg an der Weltspitze und Reichtum fremd ist und die sich mit einer 40-Stunden-Woche zufriedengeben.

"Manchmal – und das ist besonders schwer – sehen Frauen einfach keinen größeren Reiz darin, ihre mittleren Jahre damit zu verbringen, in einer Firma die Karriereleiter zu erklimmen, anstatt ausschließlich Mutter zu sein oder auch einfach nur ein Buch in einem Café zu lesen."

Diese gnadenlose Arbeitsmoral ist sehr amerikanisch, doch wäre es zu einfach zu sagen, dass Rosin nur US-amerikanische Verhältnisse beschreibt: Der Arbeitsmarkt wandelt sich auch in Deutschland, Mädchen sind auch an deutschen Schulen besser als Jungen, Frauen haben zwar noch nicht genügend, aber immer mehr Machtpositionen und verdienen mehr Geld als noch vor wenigen Jahren. In einigen ländlichen Regionen Deutschlands leben kaum noch junge erfolgreiche Frauen, aber viele arbeitslose Männer. Rosins etwas überlange Reportagereise durch die USA hält auch uns einen Spiegel vor – im Guten wie im Schlechten.

Trotz ihrer Begeisterung für die neuen Plastikfrauen hofft Rosin, dass sich in einer nahen Zukunft ein ausgewogenes Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern entwickeln wird. Und so ist der provozierende Titel "Das Ende der Männer" irreführend: Denn die Autorin relativiert zum Schluss ihre eigene steile These:

"In der Zukunft kann auch der Mann aus Pappe – womöglich nachdem er selbst eine Weile der Underdog gewesen sein wird und sich in erster Linie um die Kinder kümmern musste – wieder flexibler und damit zu einem Mann aus Plastik werden."

Am Ende sind die Männer für Hanna Rosin also nicht, aber der Aufstieg der Frauen - der ist nicht mehr aufzuhalten.

Cover: "Das Ende der Männer. Und der Aufstieg der Frauen"
Cover: "Das Ende der Männer. Und der Aufstieg der Frauen"© Berlin Verlag
Hanna Rosin: Das Ende der Männer. Und der Aufstieg der Frauen
Berlin Verlag, Berlin 2013
352 Seiten, 19,99 Euro
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