Ein Mannsbild ohne Furcht und Tadel

Von Marli Feldvoß |
1935 wurde der Amerikaner Errol Flynn in der Rolle des Edelpiraten Captain Blood über Nacht zum Weltstar. Auch als Robin Hood und in der Rolle des Boxers James J. Corbett eroberte der Schauspieler die Gunst der Kinogänger im Sturme. Lobend hieß es über ihn, Flynn spiele eigentlich nur sich selbst.
Von Marli Feldvoß

Errol Flynn, Inbegriff des Abenteurers und Haudegens, ein Mannsbild ohne Furcht und Tadel, war die reinste Verkörperung des virilen, von keinerlei Selbstzweifeln geplagten amerikanischen Männlichkeitsideals, das zur Zeit der großen Depression in den 30er-Jahren besonders gefragt war. Nicht nur in der Rolle des Edelpiraten und Sklavenbefreiers Captain Blood, die ihn 1935 über Nacht zum Weltstar kürte, in allen seinen Filmfiguren steckte der Geist eines Rebellen.

In dem bis heute wegen seiner Fechtszenen und seines Tempos geschätzten "Robin Hood" von 1938 ist Flynn der Rächer der Armen und Entrechteten schlechthin. Er ging nicht nur mit Pfeil und Bogen, sondern auch mit Schlagfertigkeit und Wortwitz auf seine Gegner los – egal ob Mann oder Frau. Ein stets zu Scherzen aufgelegter Galan, der sich auch von den Liebesschwüren der Lady Marian alias Olivia de Havilland nicht aus der Ruhe bringen ließ.

Errol Leslie Thomson Flynn wurde am 20. Juni 1909 als Sohn eines bekannten Meeresbiologen in Hobart, der Hauptstadt der australischen Insel Tasmanien, geboren. Der in Internaten aufgewachsene junge Flynn war ein Problemkind, flog aus allen Schulen, verließ mit 17 schließlich sein erzkonservatives Elternhaus, um sich in den verschiedensten Berufen durchzuschlagen. In Neuguinea soll er Kolonialbeamter, Plantagenverwalter, Kapitän eines Küstenseglers, Jäger des verbotenen Paradiesvogels, Goldschürfer, Diamantenschmuggler, Journalist und Angeklagter in einem Mordprozess gewesen sein. Flynn war ein genialer Geschichtenerzähler.

Wirklich verbürgt ist nur seine Liebe zur See. Zufällig wurde dem athletisch gebauten, blendend aussehenden Abenteurer 1933 die Rolle des Fletcher Christian im australischen Film "In the Wake of the Bounty" angeboten. Bald darauf schloss er sich einer englischen Theatertruppe an, wurde von einem Talentesucher des Warner Studios entdeckt und hatte bereits 1935 einen Hollywood-Vertrag in der Tasche.

"I suppose most of us act ..."

"Wir alle sind Schauspieler unser ganzes Leben lang, denn wir verstecken uns alle hinter einer Maske. Wir möchten etwas darstellen, was wir nicht sind. Ich war 18 oder 20, als ich das begriffen habe."

Film und Leben waren bei Errol Flynn schwer zu unterscheiden. Im Grunde spielte er immer nur sich selbst. Das gilt auch für seine beste Rolle als charismatischer Boxer James J. Corbett in "Gentleman Jim" 1942, der wie ein Muhammed Ali im Ring herumtänzelte. Flynns stets ausschweifender hedonistischer Lebensstil mit Alkohol- und Drogenexzessen blieb nicht ohne Folgen. Ende der 40er verblasste sein Stern zwar am Kinohimmel, aber selbst der Prozess wegen Verführung Minderjähriger, in dem er freigesprochen wurde, tat dem Mythos Errol Flynn keinen Abbruch. Erst Ende der 50er kehrte er mit respektablen Filmen auf die Leinwand zurück. Seine letzten Jahre verbrachte er überwiegend auf seiner Yacht im Pazifik und in der Karibik.

Flynn:
"Die stereotypen Rollen, die ich spielte, löschten mit der Zeit meinen Ehrgeiz aus, etwas Anspruchsvolleres zu tun oder wenigstens bessere Rollen in Hollywood zu ergattern. Wenn man jung ist, ein Anfänger, hat man seinen Vertrag zu erfüllen und wenig zu melden. Dann sitzt man in der Patsche. Mit der Zeit habe ich meinen inneren Schneid verloren, auch meinen Glauben an mich selbst als Schauspieler."

Errol Flynn hätte vielleicht lieber Bücher geschrieben als Filme gedreht oder sich stärker politisch engagiert. Wenig bekannt ist, dass er als Reporter in den spanischen Bürgerkrieg zog, in Barcelona mit Ernest Hemingway zusammentraf und Fidel Castro verehrte. Als er am 14. Oktober 1959 in Vancouver, Kanada, überraschend einem Herzschlag erlag, war er körperlich ein Wrack. "Ich will ernst genommen werden", ließ er auf seinen Grabstein meißeln und zum Schluss: "In dieser freudlosen Welt will ich als ein farbenfroher Klecks in Erinnerung bleiben."