Ein Masterplan für die Museumsinsel

Von Marietta Schwarz |
Noch bahnen sich die Besucher ihren Weg an den Absperrungen vorbei, um den Pergamonaltar, die Nofretete oder die Gemälde Kaspar David Friedrichs zu sehen. Doch wenn die Gerüste auf der Museumsinsel einmal verschwunden sein werden, wird die derzeit teuerste Baustelle Berlins sich mit den bedeutendsten Museen der Welt messen können – dem Pariser Louvre, dem British Museum oder der Petersburger Eremitage.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz rechnet mit vier Millionen Besuchern jährlich. Eine Sensation, aber auch ein Problem – denn einst verschaffte sich der Berliner Bürger noch einzeln per Klingeldruck Einlass in die vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. erschaffene "Freistätte der Künste und Wissenschaften".

1999 erarbeitete der britische Architekt David Chipperfield für die Museumsinsel einen Masterplan, der die inhaltliche Einheit und architektonische Autonomie der einzelnen Gebäude hervorhob. Die fünf zwischen 1830 und 1930 errichteten Museen, die als Gesamtheit seit 1999 auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes stehen, sollten renoviert und um ein zentrales Eingangsgebäude ergänzt werden. Eine interne Verbindung durch die so genannte "Archäologische Promenade" rückte die Vision eines Universalmuseums in greifbare Nähe und ging gleichzeitig sehr pragmatisch mit den bevorstehenden Besucheranstürmen um:

David Chipperfield: " Diese Koordinierung von Sammlungen, aber auch von Service und Infrastruktur, ermutigen uns, sozusagen über Gelenke zwischen den Gebäuden nachzudenken. (…) Wir haben uns dieser Idee so lange widersetzt, bis wir erkannten, dass sie absolut notwendig ist. "

Kritikern gegenüber berufen sich David Chipperfield und die Befürworter des Masterplans auf die ursprüngliche Idee der Museumsinsel, die humanistisches Bildungspathos und technologische Innovationsfreude miteinander verband: Immerhin kombinierte der Baumeister Friedrich August Stüler beim Bau des Neuen Museums Mitte des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal Gussstahl mit antiken Bautechniken. Offensichtlicher war für den Besucher der Erkenntnisgewinn beim Gang durch die Ausstellungsräume: Sie machten den Aufstieg der Menschheit von der Prähistorie bis zur Zivilisation der Neuzeit sinnlich erfahrbar.

Die unterirdische Promenade soll diesen Bildungsgedanken wieder beleben, und die schnellen Besucherströme am lange verweilenden Betrachter vorbei zu den Highlights der Museen leiten, erklärt der Generaldirektor der Staatlichen Berliner Museen, Peter-Klaus Schuster:

" Man geht durch wie durch ein inneres Nervensystem durch die Geschichte – von der Antike bis in die Renaissance – einmal quer über die Insel. "

Der Museumsparcour soll zukünftig im Neuen Museum – durch das Pergamonmuseum vom nun eröffneten Bode-Museum getrennt – beginnen. Das von David Chipperfield geplante neue Eingangsgebäude vor dem Stüler-Bau, (dessen Südost- und Nordwestflügel im Krieg zerstört wurden), würde Kassen, Toiletten, Museumsshops und Restaurants aufnehmen – kurz: einen funktionierenden Betrieb auch für vier Millionen Besucher gewährleisten.

Doch ebenso wie die "archäologische Promenade" ist der Entwurf, den Chipperfield bereits 2001 vorlegte, umstritten. Die Unesco-Gutachterorganisation Icomos kritisierte zuletzt im August, die Komposition aus ineinander geschobenen Glaskuben entspräche nicht "dem Geist des Ortes".

Die Gesellschaft Historisches Berlin fordert gar die Rekonstruktion des früheren Schinkelbaus an dieser Stelle, obwohl sich das Landesdenkmalamt bereits vor sieben Jahren mit einem Neubau einverstanden erklärte. Zudem hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann die Finanzierung der Neubauten – und dazu gehört auch die unterirdische Promenade - in Frage gestellt.

Wie auch immer die Museumsinsel einmal aussehen wird – ihre bis 2015 geplante Fertigstellung wird sich auf jeden Fall verzögern. Die prominenteste Anwohnerin des Areals, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hat schon jetzt jedem Bundesbürger den Besuch am Kupfergraben wärmstens empfohlen.
Mehr zum Thema