Ein Moloch im Morast
Die 15-Millionen-Metropole Lagos liegt einen Meter unter dem Meeresspiegel. Das könnte der Stadt in Nigeria eines Tages eine Katastrophe bescheren.
Das Viertel Elaije könnte eine Art Venedig in Afrika sein. Die Holzhäuser sind auf Stelzen gebaut, Fischer gleiten auf Pirogen durch die Lagune, am Ufer spannen Männer Netze auf. So romantisch, so trügerisch: Elaije ist das Drecksloch von Lagos. Hunde wühlen in Müllbergen nach etwas Essbarem, das Wasser ist eine stinkende Kloake, im Hintergrund rauscht die Autobahnbrücke.
Elaije ist ein Viertel, das auf keiner Karte verzeichnet ist, weil es offiziell gar nicht existiert. Hier, am Wasser, leben Menschen wie der junge Fischer Uchenna. Einer von jenen, die vor der Armut auf dem Land geflohen sind – und die Armut der Stadt gefunden haben. Uchenna steht mit seinen Plastikschlappen auf einem Boden aus Müll:
"Im letzten Monat war das Wasser so hoch! Wenn es viel Regen und Sturm gibt, dann steigt der Wasserstand. Deswegen schütten die Leute hier den ganzen Müll auf. So wollen sie den Boden trockenlegen, damit das Wasser nicht bis in ihre Häuser vordringt und sie sich überhaupt noch über die Straße bewegen können, ohne einzusinken."
In der Regenzeit wird das Viertel zur Falle: Wasser schießt die abschüssige Straße hinunter, schwemmt Dreck an, staut sich am Ufer. Gleichzeitig steigt der Wasserstand in der Lagune, der Regen fließt nicht mehr ab.
Immer wieder, immer öfter passiert das. Einige Steinhäuser sind schon abgesackt, der Grund ist zu weich geworden. Die Menschen leben hier die meiste Zeit des Jahres im Schlamm. Mehr Wetterextreme, steigender Meeresspiegel: Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Lagos deutlich sichtbar, so Larry Awosika vom Nigerianischen Institut für Meereskunde:
"Unsere Studien haben ergeben, dass in den letzten fünf Jahren unsere Küste drastisch zurückgegangen ist. Große Flächen sind nun ständig überflutet, es gibt große Überschwemmungen, die Stürme kommen öfter und sie sind zerstörerischer."
Das Meer nagt an Lagos - Kunte Tejwoso musste das am eigenen Leib erfahren. Bis vor kurzem war er Chef des "Shack", einer beliebten Bar am Alpha Beach, einem Strand von Lagos. Wenn er davon spricht, wird seine Stimme ganz leise.
"Das "Shack" war ein Platz für Leute, die an den Strand kamen, um Spaß zu haben. Ein afrikanischer Klub, aus Bambus und Holz. Eine Bar mit Restaurant, viele nigerianische Künstler sind hier aufgetreten. Das "Shack" war einer der wichtigsten Musikclubs von Lagos."
Über vier Jahre hinweg drang das Wasser immer öfter in den Nachtclub ein, überschwemmte ihn, griff das Holz an. Irgendwann hatte Kunte keine Wahl mehr – er musste seinen Club abreißen, wo einmal Land war, ist heute nur noch Wasser. Er hat viel Geld verloren, eine Versicherung hatte er nicht.
Lagos muss sich für die Fluten der Zukunft rüsten – aber zu spüren ist davon nur wenig. Im Gegenteil: Auf der tiefgelegenen Halbinsel Lekki wird derzeit ein neues Geschäftsviertel gebaut, deutlich unter dem Meeresspiegel. Weder wird hier der Boden aufgeschüttet, noch gibt es entsprechende Bauvorschriften.
Ein großes Problem sind weiterhin die vielen offenen Abwasserkanäle von Lagos. Sie sind meist marode und verstopft – und können die Wassermassen nicht bewältigen. Adewale Agbojo, Umweltexperte der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung in Lagos:
"Die Landesregierung von Lagos hat im Laufe der Jahre nicht genug unternommen, um das Abwassersystem in den Griff zu bekommen. Mächtige Leute haben Häuser gebaut, wo Abwasserkanäle verlaufen und sie damit blockiert. Man hat diese Leute gewähren lassen. Wenn es ein funktionierendes Abwassersystem geben würde, wären die Auswirkungen nicht so zerstörerisch."
Der Schlamm, die Kloake, ist auch eine Gesundheitsgefahr: Die vielen Pfützen sind ein perfekter Nährboden für gefährliche Bakterien und Malaria-Mücken. Immerhin: Einige Kanäle hat die Stadtverwaltung schon erneuert, vom Dreck befreit und überdacht. Vor allem in der Innenstadt. Im Armutsviertel Elaije sind der Fischer Uchenna und die anderen Bewohner gezwungen, sich selbst zu helfen. Sie werden hier bleiben, so lange es irgendwie geht, so lange ihnen das Wasser nicht bis zum Hals steigt.
"Mein größter Wunsch an die Regierung wäre, einen neuen Kanal zu haben. Einen, der richtig funktioniert, durch den das Wasser direkt in die Lagune abfließen könnte. Dann wären wir glücklich."
Elaije ist ein Viertel, das auf keiner Karte verzeichnet ist, weil es offiziell gar nicht existiert. Hier, am Wasser, leben Menschen wie der junge Fischer Uchenna. Einer von jenen, die vor der Armut auf dem Land geflohen sind – und die Armut der Stadt gefunden haben. Uchenna steht mit seinen Plastikschlappen auf einem Boden aus Müll:
"Im letzten Monat war das Wasser so hoch! Wenn es viel Regen und Sturm gibt, dann steigt der Wasserstand. Deswegen schütten die Leute hier den ganzen Müll auf. So wollen sie den Boden trockenlegen, damit das Wasser nicht bis in ihre Häuser vordringt und sie sich überhaupt noch über die Straße bewegen können, ohne einzusinken."
In der Regenzeit wird das Viertel zur Falle: Wasser schießt die abschüssige Straße hinunter, schwemmt Dreck an, staut sich am Ufer. Gleichzeitig steigt der Wasserstand in der Lagune, der Regen fließt nicht mehr ab.
Immer wieder, immer öfter passiert das. Einige Steinhäuser sind schon abgesackt, der Grund ist zu weich geworden. Die Menschen leben hier die meiste Zeit des Jahres im Schlamm. Mehr Wetterextreme, steigender Meeresspiegel: Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Lagos deutlich sichtbar, so Larry Awosika vom Nigerianischen Institut für Meereskunde:
"Unsere Studien haben ergeben, dass in den letzten fünf Jahren unsere Küste drastisch zurückgegangen ist. Große Flächen sind nun ständig überflutet, es gibt große Überschwemmungen, die Stürme kommen öfter und sie sind zerstörerischer."
Das Meer nagt an Lagos - Kunte Tejwoso musste das am eigenen Leib erfahren. Bis vor kurzem war er Chef des "Shack", einer beliebten Bar am Alpha Beach, einem Strand von Lagos. Wenn er davon spricht, wird seine Stimme ganz leise.
"Das "Shack" war ein Platz für Leute, die an den Strand kamen, um Spaß zu haben. Ein afrikanischer Klub, aus Bambus und Holz. Eine Bar mit Restaurant, viele nigerianische Künstler sind hier aufgetreten. Das "Shack" war einer der wichtigsten Musikclubs von Lagos."
Über vier Jahre hinweg drang das Wasser immer öfter in den Nachtclub ein, überschwemmte ihn, griff das Holz an. Irgendwann hatte Kunte keine Wahl mehr – er musste seinen Club abreißen, wo einmal Land war, ist heute nur noch Wasser. Er hat viel Geld verloren, eine Versicherung hatte er nicht.
Lagos muss sich für die Fluten der Zukunft rüsten – aber zu spüren ist davon nur wenig. Im Gegenteil: Auf der tiefgelegenen Halbinsel Lekki wird derzeit ein neues Geschäftsviertel gebaut, deutlich unter dem Meeresspiegel. Weder wird hier der Boden aufgeschüttet, noch gibt es entsprechende Bauvorschriften.
Ein großes Problem sind weiterhin die vielen offenen Abwasserkanäle von Lagos. Sie sind meist marode und verstopft – und können die Wassermassen nicht bewältigen. Adewale Agbojo, Umweltexperte der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung in Lagos:
"Die Landesregierung von Lagos hat im Laufe der Jahre nicht genug unternommen, um das Abwassersystem in den Griff zu bekommen. Mächtige Leute haben Häuser gebaut, wo Abwasserkanäle verlaufen und sie damit blockiert. Man hat diese Leute gewähren lassen. Wenn es ein funktionierendes Abwassersystem geben würde, wären die Auswirkungen nicht so zerstörerisch."
Der Schlamm, die Kloake, ist auch eine Gesundheitsgefahr: Die vielen Pfützen sind ein perfekter Nährboden für gefährliche Bakterien und Malaria-Mücken. Immerhin: Einige Kanäle hat die Stadtverwaltung schon erneuert, vom Dreck befreit und überdacht. Vor allem in der Innenstadt. Im Armutsviertel Elaije sind der Fischer Uchenna und die anderen Bewohner gezwungen, sich selbst zu helfen. Sie werden hier bleiben, so lange es irgendwie geht, so lange ihnen das Wasser nicht bis zum Hals steigt.
"Mein größter Wunsch an die Regierung wäre, einen neuen Kanal zu haben. Einen, der richtig funktioniert, durch den das Wasser direkt in die Lagune abfließen könnte. Dann wären wir glücklich."