Ein nationales Ereignis

Von Sabine Adler |
An diesem Wochenende startet in den polnischen Kinos Andrzej Wajdas Film über den früheren Gewerkschaftschef Lech Walesa. Millionen Polen wollen ihn sehen, in manchen Kinos laufen zehn Vorstellungen an einem Tag.
"Walesa – Mann der Hoffnung" – das ist nicht nur ein Film, sondern ein nationales Ereignis, die polnische Uraufführung ein Staatsakt. Der 87-jährige gefeierte Regisseur Andrzej Wajda verhilft der in zwei Lager gespalteten Nation zu einem kollektiven Schwelgen in ihrer jüngeren heroischen Geschichte.

An diesem Wochenende startet der Walesa-Film in den Kinos, häufig mit zehn Vorstellungen an einem Tag, weil ihn Millionen sehen wollen. Wer heute mindestens 40 Jahre alt ist, fühlt sich schon wegen der Musik 20 Jahre zurückversetzt.

Gdanks 1980, triste Plattenbauten.

"Hier wohnt der Boss einer Zehn-Millionen-Mitglieder-Gewerkschaft",

fragt ungläubig die italienische Starjournalistin Oriana Fallaci. Mit der Distanz der weitgereisten Beobachterin hat sie die historische Dimension des Wandels, den Walesa anführt, messerscharf erfasst. Er fürchtet sich geradezu vor der Tragweite.

Diese nachgespielte Interview-Situation ist der rote Faden des Films, über die Zeit von 1970 bis 1989. Walesa, der geradeaus denkende, geerdete Solidarnosc-Chef, der sich bedingungslos für andere in die Bresche wirft, aber auch fast krankhaft stolz ist, und ein Choleriker, der sich ständig verhaspelt.
Meisterhaft gespielt von Robert Wieckiewicz. Unbedingt ein Oscar-Anwärter für den besten Schauspieler.

Robert Wiêckiewicz: "Ich hatte Angst, denn es war ein Risiko, Walesa so echt wie möglich zu spielen. Deswegen fragte ich alle Kollegen beim Dreh, ob das geht. Mir lag es fern, ihn zu karikieren, zu parodieren. Andererseits wusste ich, dass - wenn es gelingt - es umso perfekter wird. Wenn ich aus der Maske kam und schon aussah wie Walesa, aber noch nicht so sprach, dann fehlte was."

Agnieszka Grochowska verleiht Walesas zarter Frau Danuta eine Eindringlichkeit, die meist leise darherkommt. Nur einmal platzt ihr der Kragen und sie komplimentiert sämtliche Gewerkschaftsaktivisten und Journalisten raus, die in Scharen die winzige Wohnung bevölkern.
Andrzej Wajda zeigt die bewegte, spannende Zeit so ruppig, wie sein Held noch heute daherkommt. Die Resonanz: positiv.

"Vor allem Robert Wieckiewicz gefällt mir in der Rolle, Super!",

sagt ein Mann Mitte vierzig.

Und zwei betagte Damen:

"Ich bin gerührt. Der Film entspricht unseren Erinnerungen, unseren Erlebnissen."
Zwei Freundinnen verlassen untergehakt das Kino:

"Super! Ich bin extra aus Kanada gekommen und bin so froh, dass ich den Film gesehen habe. Ich werde alles tun, um ihn nach Kanada zu holen."

Und Walesa über Walesa? Ein wenig beleidigt.

Lech Walesa: "Ich war neugierig, wie Leute wie Wajda mich sehen. Er meinte, dass ich es wegen meines Hochmuts geschafft habe. Nur, wenn ich so hochmütig wäre, wie er findet, hätten mich die Arbeiter kaum auf den Schultern getragen."

Am Ende des Streiks der von da an immer mächtigeren Solidarnosc, die den Sozialismus zum Einsturz bringen wird, ist sein siebtes Kind da:

"Ich danke euch, geht jetzt nach Hause! Sorgt für Nachwuchs! Habt Dank!"