Ein neuer Blick auf das Leben
Krebs kann jeden treffen, aber trotzdem gibt es noch viel Unwissenheit, auch bei den Betroffenen, die dazu neigen, die Schuld für die Krankheit bei sich selbst zu suchen. Die Strahlenmedizinerin Cordula Petersen und ihre Co-Autoren wollen die Krankheit enttabuisieren.
"Lasst mich mit eurem Krebs in Ruhe. Ich kann es nicht mehr hören. Und lesen", forderte 2009 der Literaturkritiker Richard Kämmerlings und provozierte damit die Strahlenmedizinerin Cordula Petersen so sehr, dass sie sofort beschloss, ein weiteres Buch zum Thema Krebs auf den Weg zu bringen. Jetzt ist es erschienen.
"Warum ich" heißt das Buch, in dem zehn Krebspatienten zu ihrer Krankheit befragt werden. Sie erzählen von der Diagnose, der Therapie und davon, wie die Krankheit ihr Leben beeinflusst hat. Begleitet werden diese Interviews, die Monika Agthe und Friedrich Dönhoff geführt haben, von Erklärungen der Medizinerin Petersen zu Fragen, wie der nach der Suche nach dem richtigen Arzt, nach verschiedenen Behandlungsmethoden und nach dem Umgang mit dem Tod. Dabei erzählt Cordula Petersen aber auch, warum sie diesen Beruf gewählt hat und wie sie selbst damit zurechtkommt, jeden Tag schwer kranke Menschen zu treffen.
Das großes Thema dieses Buch aber ist: Krebs kann jeden treffen, und Schuld in diesem Zusammenhang gibt es keine, gemeint ist die vielzitierte "Krebsmentalität". Genau deshalb ist es den Autoren umso wichtiger, das Thema raus aus der Tabuecke zu holen. Denn anders als Richard Kämmerlings sind sie davon überzeugt, dass die meisten Menschen nicht wissen, was Krebs tatsächlich bedeutet; welche medizinische Mühle mit Diagnoseeröffnung losgetreten wird, welches Hoffen und Bangen die Betroffenen durchmachen, aber auch welche Schmerzen damit verbunden sind. Vielmehr aber noch wollen Cordula Petersen und ihre Mitverfasser den Patienten selbst Mut machen, ihnen signalisieren: Du bist nicht allein.
Genau das ist das große Plus dieses kleinen, unaufgeregten Buches. Es schafft Sympathien für dieses zehn Menschen, die sich öffnen, die teilhaben lassen, an der schwersten und dunkelsten Zeit ihres Lebens. Unaufgeregt tun sie das. Sie erzählen ohne Scheu von ihrer Krankheit, die oft genug dazu führte, neue Prioritäten zu setzen. Dabei lassen sie tief blicken in ihre seelische Verfassung. Und beschreiben ihre unterschiedlichen Wege, mit der Krankheit umzugehen, sie zu akzeptieren oder sich dagegen zu wehren; von den Wirkungen der Medikamente und von ihrer Angst vor dem Tod. Ein neuer Blick auf das Leben entsteht so.
Und weil Krebs eine der großen Volkskrankheiten ist, sind auch die Geschichten der zehn Patienten in diesem Buch völlig unterschiedlich. Mal sind sie jung, dann wieder alt: der jüngste ist 31 Jahre, die älteste 89. Der eine arbeitet wieder, die andere ist zuhause. Bei einem ist der Krebs besiegt, beim anderen sind Metastasen aufgetaucht: Die Diplompädagogin Birgit Mansel-Grönitz verstarb kurz nach dem Interview. Die Mutter von drei Kindern wurde nur 48 Jahre alt. Ihre Geschichte zählt zu den stärksten im Buch, denn obwohl der Krebs schon weit vorangeschritten war, strahlt diese Frau eine ungeheure Lebenskraft aus. Sie erzählt von ihren Kindern, wie sie gemeinsam lachen, was der achtjährige Sohn über den Tumor der Mutter sagt, wie die Töchter sich die Anziehsachen der Mutter ausleihen. Aber sie erzählt auch davon, wie schwer die Suche nach dem richtigen Arzt ist und dass sie irgendwann keine Behandlung mehr wollte und wie gut es ihr mit dieser Entscheidung geht. All das ist Krebs. Es gibt nicht nur Leid, sondern auch Zwischentöne und Glücksgefühle.
"Erzählt von dem, was zählt, und nicht von Tumormarkern. Erzählt vom Leben. Das Ende kennen wir schon", forderte Richard Kämmerlings. Genau das tut dieses Buch! Es erzählt vom Leben. Vom Leben mit Krebs.
Besprochen von Kim Kindermann
Monika Agthe, Friedrich Dönhoff und Cordula Petersen: Warum ich?
Leben mit Krebs - Patienten und ihre Ärztin erzählen
Hoffmann und Campe, Hamburg 2011
240 Seiten, 18,00 Euro
"Warum ich" heißt das Buch, in dem zehn Krebspatienten zu ihrer Krankheit befragt werden. Sie erzählen von der Diagnose, der Therapie und davon, wie die Krankheit ihr Leben beeinflusst hat. Begleitet werden diese Interviews, die Monika Agthe und Friedrich Dönhoff geführt haben, von Erklärungen der Medizinerin Petersen zu Fragen, wie der nach der Suche nach dem richtigen Arzt, nach verschiedenen Behandlungsmethoden und nach dem Umgang mit dem Tod. Dabei erzählt Cordula Petersen aber auch, warum sie diesen Beruf gewählt hat und wie sie selbst damit zurechtkommt, jeden Tag schwer kranke Menschen zu treffen.
Das großes Thema dieses Buch aber ist: Krebs kann jeden treffen, und Schuld in diesem Zusammenhang gibt es keine, gemeint ist die vielzitierte "Krebsmentalität". Genau deshalb ist es den Autoren umso wichtiger, das Thema raus aus der Tabuecke zu holen. Denn anders als Richard Kämmerlings sind sie davon überzeugt, dass die meisten Menschen nicht wissen, was Krebs tatsächlich bedeutet; welche medizinische Mühle mit Diagnoseeröffnung losgetreten wird, welches Hoffen und Bangen die Betroffenen durchmachen, aber auch welche Schmerzen damit verbunden sind. Vielmehr aber noch wollen Cordula Petersen und ihre Mitverfasser den Patienten selbst Mut machen, ihnen signalisieren: Du bist nicht allein.
Genau das ist das große Plus dieses kleinen, unaufgeregten Buches. Es schafft Sympathien für dieses zehn Menschen, die sich öffnen, die teilhaben lassen, an der schwersten und dunkelsten Zeit ihres Lebens. Unaufgeregt tun sie das. Sie erzählen ohne Scheu von ihrer Krankheit, die oft genug dazu führte, neue Prioritäten zu setzen. Dabei lassen sie tief blicken in ihre seelische Verfassung. Und beschreiben ihre unterschiedlichen Wege, mit der Krankheit umzugehen, sie zu akzeptieren oder sich dagegen zu wehren; von den Wirkungen der Medikamente und von ihrer Angst vor dem Tod. Ein neuer Blick auf das Leben entsteht so.
Und weil Krebs eine der großen Volkskrankheiten ist, sind auch die Geschichten der zehn Patienten in diesem Buch völlig unterschiedlich. Mal sind sie jung, dann wieder alt: der jüngste ist 31 Jahre, die älteste 89. Der eine arbeitet wieder, die andere ist zuhause. Bei einem ist der Krebs besiegt, beim anderen sind Metastasen aufgetaucht: Die Diplompädagogin Birgit Mansel-Grönitz verstarb kurz nach dem Interview. Die Mutter von drei Kindern wurde nur 48 Jahre alt. Ihre Geschichte zählt zu den stärksten im Buch, denn obwohl der Krebs schon weit vorangeschritten war, strahlt diese Frau eine ungeheure Lebenskraft aus. Sie erzählt von ihren Kindern, wie sie gemeinsam lachen, was der achtjährige Sohn über den Tumor der Mutter sagt, wie die Töchter sich die Anziehsachen der Mutter ausleihen. Aber sie erzählt auch davon, wie schwer die Suche nach dem richtigen Arzt ist und dass sie irgendwann keine Behandlung mehr wollte und wie gut es ihr mit dieser Entscheidung geht. All das ist Krebs. Es gibt nicht nur Leid, sondern auch Zwischentöne und Glücksgefühle.
"Erzählt von dem, was zählt, und nicht von Tumormarkern. Erzählt vom Leben. Das Ende kennen wir schon", forderte Richard Kämmerlings. Genau das tut dieses Buch! Es erzählt vom Leben. Vom Leben mit Krebs.
Besprochen von Kim Kindermann
Monika Agthe, Friedrich Dönhoff und Cordula Petersen: Warum ich?
Leben mit Krebs - Patienten und ihre Ärztin erzählen
Hoffmann und Campe, Hamburg 2011
240 Seiten, 18,00 Euro