Ein neuer Blick auf Lyonel Feininger

Von Adolf Stock |
Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle präsentiert mit "Zurück in Amerika 1937 – 1956" seine erste große Wechselausstellung <papaya:addon addon="d53447f5fcd08d70e2f9158d31e5db71" article="168595" text="im neuen Haus" alternative_text="im neuen Haus" />. Die Werke entstanden in Feiningers Heimatstadt New York. Der Künstler, der einst ein Atelier in der Moritzburg besaß, verließ 1937 Deutschland, wo seine Bilder verbrannt wurden.
Der Stiftung Moritzburg ist es gelungen, einen weithin unbekannten Feininger zu präsentieren.

Kurator Wolfgang Büche: "Wenn man das Werk von Feininger etwas kennt, dann fällt auf, dass unser Verständnis von Feininger als Künstler von wenigen Bildern geprägt ist, es sind Segelbote, es sind die thüringischen Dörfer. Und das war im Prinzip der Ansatzpunkt, dass Feininger in der breiten Öffentlichkeit viel zu kurz gedacht ist."

Das soll sich nun ändern. Bisher wurde sein Spätwerk nicht sonderlich ernst genommen. Es galt eher als Nachklang eines expressiven ausdrucksstarken Künstlers, der seine besten Jahre längst hinter sich hatte.

Katja Schneider, Leiterin der Stiftung Moritzburg: "Aber es ist eben so, dass es in Deutschland einen unbekannten Feininger gibt, und das ist der Feininger, der nach 1937 bis 1956 in New York gelebt hat und dort gearbeitet hat."

Die Ausstellungbeginnt mit dem Bild "Schwarze Welle" von 1937. Es ist ein Abschied. Feininger hatte ein Segelschiff gemalt, so wie er es oft tat. Aber diesmal segelt das Schiff auf einer bedrohlich dunklen Welle und nimmt den Weg von rechts nach links. Das ist eine sehr ungewohnte, verstörende Perspektive, die sich gegen traditionelle Sehgewohnheiten richtet. Doch vielleicht rettet das Schiff europäische Passagiere und bringt sie nach Amerika?

Katja Schneider: "Unter dem Druck der politischen Verhältnisse ist er 1937 gewissermaßen re-immigriert. Es war das Land seiner Kindheit, seiner Jugend, das sich aber natürlich in den 40 Jahren, die er in Deutschland gelebt hat, sehr verändert hat. Er war nicht fremd, aber kam natürlich doch in ein Land, in eine Stadt, die ihm fremd geworden war."

Gut 100 Werke sind jetzt in Halle zu sehen.

Kurator Wolfgang Büche: "Uns ging es jetzt auch nicht darum, hier eine Retrospektive der Gemälde im Spätwerk zu machen, sondern mir ging es darum, diese Bezüge zu zeigen, einmal die Bezüge zum Gesamtwerk und dann auch diese Bezüge untereinander."

In New York blieb Feininger sich und seiner Arbeitsweise treu. Die Bilder von Manhattan zeigen nicht nur Häuserschluchten und Wolkenkratzer, es sind zugleich auch Erinnerungsbilder.

Wolfgang Büche: "Wenn Sie sich die Komposition anschauen mit diesem Lichtkeil, dann sehen Sie das Motiv, welches wir in den Manhattan-Bildern oder in den Aquarellen sehen, das hatte er schon in Halle gefunden. Nicht in Halle erst, sondern schon in Paris, als er 1906/07 in Paris gewesen ist, da taucht dieses Motiv schon auf."

Die Ausstellung folgt Feiningers Arbeitsweise, die weder zeitliche noch mediale Grenzen kennt.

Katja Schneider: "Wir haben ganz bewusst die Medien nicht getrennt, Malerei, Gemälde in Öl stehen neben Aquarellen, stehen neben Zeichnungen, weil wir diese Verbindungen zeigen wollten. Er geht mit Gemälden fast um wie mit Aquarellen, und es gibt auch die ganz interessante Situation, Feininger hat frühe Holzschnitte in Öl gemalt, in den 40er-Jahren."

Feiningers Bilder aktualisieren visuelle Erinnerungen, und oft zitiert sich der Künstler selbst. Im Busch-Reisinger-Museum in Cambridge lagern heute rund 6000 Naturnotizen, die Feininger mit nach Amerika nahm. Einige sind jetzt auch in der Ausstellung zu sehen. Sorgfältig gelocht und in Aktenordner verstaut, dienten sie ihm als Material.

Katja Schneider: "Seine Art zu arbeiten, zu schaffen, bezieht sich immer auf zurückliegende Erlebnisse, Seherlebnisse, Motiverlebnisse, und immer wieder kehrt er zurück zu Dingen, die er vorher schon einmal gesehen hat. Aber in New York bekommt diese Situation natürlich einen etwas neuen Tenor. Er ist angewiesen auf seine Skizzen, und so trägt ein Bild auch den bezeichnenden Titel ''Coast of Nevermore'', also Erinnerung an eine Küste, die nie mehr zu sehen ist."

In New York werden die visuellen Notate zu einem endgültigen Fundus der Erinnerung. Das hat Konsequenzen, in den letzten Jahren verlieren Feiningers Bilder an harten Konturen und werden poetischer.

Katja Schneider: "Ich glaube tatsächlich, dass es daran liegt, dass ihm die Gegenstände, die er darstellt, entrückt sind aus dem visuellen Anblick. Sie sind in die Ferne gerückt, und das gibt ihm eine Freiheit, das verschafft ihm eine Möglichkeit, doch freier und nicht zu sehr an der Gegenwart der Motive zu arbeiten. Und dadurch gelingt es ihm, das also noch einmal in andere Sphären zu heben."

In Halle lässt sich Lyonel Feininger jetzt neu entdecken, lange bevor 2011 im New Yorker Whitney Museum of American Art die große Feininger-Retrospektive eröffnet wird.