Ein neuer Feiertag für Deutschland

Lasst uns den Brückentag feiern!

04:17 Minuten
Zwei Personen sitzen auf dem Geländer der Hackerbrücke in München und genießen den Sonnenuntergang bei einer Unterhaltung.
Was würde so ein Brückentag nicht alles bewirken im Land, kommt Arno Orzessek zu dem Schluss. © imago images / Ralph Peters
Eine Glosse von Arno Orzessek · 18.04.2019
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Mit Ostern beginnt die frühjährliche Feiertagssaison, die Zeit der kurzen Wochen, die dann leider mit Pfingsten endet. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte klaffen riesige Feiertagslöcher. Das muss nicht so bleiben, meint Autor Arno Orzessek.
Eins muss man klipp und klar sagen: Was die private Ausgestaltung von Feiertagen angeht, leben wir in einem erfreulich liberalen Land. Sie können als Atheist zu Ostern die gottloseste Sause durchziehen – kein Religionswächter wird deshalb bei Ihnen klingeln.
Und falls Sie und Ihre Kumpel in ein paar Wochen mit bierbeladenen Bollerwagen durch die weite Flur ziehen, müssen Sie beileibe nicht an jedem Baum der Himmelfahrt Christi gedenken, die Ihren Vatertags-Freuden religiösermaßen zugrunde liegt. Trotzdem gibt's Leute in Deutschland, denen die christliche Herleitung der meisten Feiertage irgendwie stinkt. Sie lechzen nach weltlichem Ausgleich.
Der bayerische Bund für Geistesfreiheit bfg zum Beispiel hat seine Mitglieder schon vor Jahren zum Feiern "humanistischer Feiertage" aufgefordert. Und zwar am Welthumanistentag, am Tag der Menschenrechte und am Evolutionstag. Letzterer, das als Info am Rande, fällt laut bfg genau auf den "sechsten Freitag nach dem Sonntag, der dem ersten Frühjahresvollmond folgt".

Je mehr Feiertage, desto florierender das Bundesland

Allerdings muss jeder wackere Humanist die erbaulichen Feiertage beim Arbeitgeber als Einzelkämpfer beantragen – andernfalls hätte er rechtswidrig blau gemacht. In diesem Punkt geht es in Berlin cooler zu. Dort wurde jüngst mit einem Affenzahn, der ein seltsames Licht auf die etwas zähe Fertigstellung des stadtnahen Flughafens wirft, der 8. März als Frauentag zum gesetzlichen Feiertag erhoben – an dem indessen, die Gleichstellung funktioniert, auch Männer frei haben.
Eine überaus charmante Maßnahme! Schließlich hatte ausgerechnet das weltberühmte Freudenhaus Berlin, das seinen Haushalt zu guten Teilen per Länderfinanzausgleich bestreitet, bis dato nur karge neun Feiertage... Während die Bayern, die den Finanzausgleich leisten, derer satte 13 haben – deutscher Rekord. Insofern sollte selbst mathematischen Nullen auffallen: Je mehr Feiertage, desto florierender das Bundesland.
Um aber hässlichen föderalen Überbietungswettkämpfen vorzubeugen, hier ein Vorschlag zur Güte: Lasst uns der ganzen Republik einheitlich frischen Feiertagsschwung verpassen! Klar, der Tag muss weltanschaulich unbelastet sein. Und am besten natürlich passt einer, an dem ohnehin immer alle gern frei hätten.

Der Brückentag ist der ideale Feiertag

Falls Sie mitgedacht haben, ahnen Sie die Lösung, und die ist echt super: Kein anderer als der Brückentag als solcher wird unser neuer Feiertag! Und zwar jedes Jahr der Brückentag, der die Lücke zwischen der größten Anzahl von Tagen überbrückt, die ohnehin frei sind. Sollten Sie schon mal einen Job gehabt haben, wissen Sie: Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Ordentliche Arbeitnehmer entziffern den attraktivsten Brückentag im Kalender binnen Sekunden.
Und Arbeitgeber genauso. Die wittern nämlich die Neigung ihrer -nehmer zum Blaumachen an diesem Tag – sofern es nicht mit Urlaub geklappt hat. Auch symbolisch wäre unser Brückentag ein besonders liebenswerter Feiertag. "Brücken bauen" ist ja politisch total korrekt, quasi ein Synonym für die friedliche Ingenieursarbeit des guten Willens. Man vergleiche 'Brücken bauen' mit "Brücken hinter sich abreißen", dann kapiert man's sofort.

Der Brückentag verbessert das Weltklima

Malen wir uns außerdem folgendes Bild aus: Das Einheitsdenkmal, die kindlich-gigantische Wippe vor dem Berliner Humboldt-Forum, wird tatsächlich fertiggestellt; und es ist mal wieder Brückentag; und das arbeitsfreie Volk schaukelt sich beseelt in seine Zukunft... Wow! Würde dann nicht aufs Schönste Altkanzler Helmut Kohl ins Recht gesetzt, der Deutschland schon vor Jahrzehnten als "kollektiven Freizeitpark" tituliert hat?
Und noch etwas: Unser Grundgesetz ist bekanntlich ein Exportschlager; weltweit haben Verfassungs-Autoren daraus abgekupfert. Schreiben wir also den Brückentag im Grundgesetz als höchsten Feiertag fest – Nachahmer werden sich finden! Und wenn dann auf allen Kontinenten am Brückentag alljährlich beste Laune herrscht, wird es heißen: Was diese Deutschen mit dem Diesel nicht geschafft haben, das haben sie mit ihrem Brückentag geschafft – sie haben das Weltklima verbessert!

Arno Orzessek, geboren 1966 in Osnabrück, studierte in Köln Literaturwissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte. Er arbeitet als freiberuflicher Journalist vor allem für die "Süddeutsche Zeitung" und das DeutschlandRadio. Arno Orzessek lebt in Berlin.


Der Autor Arno Orzessek
© imago/STAR-MEDIA
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