"Ein neues Verständnis der Spezies Mensch auf dieser Erde"
Glaubt man einigen Wissenschaftlern, dann befindet sich unsere Erde inzwischen im "Athropozän" - im Zeitalter des Menschen. Im Haus der Kulturen der Welt in Berlin startet nun ein Projekt, das dieses Thema aus verschiednen Perspektiven beleuchten soll. Ein Gespräch mit dem Intendanten Bernd Scherer.
Matthias Hanselmann: Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin startet heute mit einer dreitägigen Auftaktveranstaltung ein Projekt, das zunächst insgesamt zwei Jahre laufen wird, im Zentrum steht eine Wortschöpfung, die ein neues Zeitalter der Geschichte unseres Planeten beschreiben soll, das Anthropozän. Gleich unser Gespräch mit dem Leiter des Hauses der Kulturen der Welt, Bernd Scherer, vorher erklärt uns mein Kollege Thomas Otto genauer, wofür der Begriff eigentlich steht.
Thomas Otto über das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, der seinen Fußabdruck auf diesem Planeten hinterlassen wird – so oder so. Ich habe mit Professor Bernd Scherer gesprochen, er ist der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt und Hauptinitiator der zweijährigen Veranstaltungsreihe in seinem Hause, die sich ab heute mit dem Anthropozän beschäftigen wird. Zunächst wollte ich wissen, ob es dabei im Wesentlichen um einen Begriffswechsel geht oder um eine völlig neue Sicht auf die Geschichte unseres Planeten.
Bernd M. Scherer: De facto geht es um ein neues Narrativ, nämlich darum, wie wir die Rolle des Menschen auf dieser Erde begreifen wollen. Angestoßen wurde die Debatte zunächst mal von Paul Crutzen, der ist Klimaforscher, dann wurde sie übernommen von den Geologen, den Erdwissenschaftlern, und da ist eine historische Referenz ganz interessant: Seit dem 19. Jahrhundert gibt es in London eine Royal Society, die definiert die Erdzeitalter. Und diese hat jetzt ein Research Team, also ein Forschungsteam eingesetzt, um zu überprüfen, ob die Einwirkung des Menschen auf die Erde eine geologische Relevanz hat.
Also die Grundidee des Anthropozäns ist ja, dass der Mensch eigentlich, seit er Kultur macht, auf die Erde einwirkt, aber diese Einwirkung in den letzten 200 Jahren und speziell nach 1945 – man spricht da von der Big Acceleration – eine Dimension angenommen hat, dass das, was wir als Natur verstehen, eigentlich schon vom Menschen gemacht ist. Das ist natürlich ein ganz neues Verständnis der Spezies Mensch auf dieser Erde, denn wenn das so ist, dann schreibt sich der Mensch als Naturwesen in die geologische Zeit dieser Erde ein.
Das heißt ganz konkret, unser Handeln von heute hat Dimensionen, die zwei, drei Hunderttausenden von Jahren noch sichtbar sind auf dieser Erde, und das bedeutet natürlich wirklich eine Neuorientierung. Zum Beispiel seit wir Wissenschaft betreiben und speziell seit dem 19. Jahrhundert gibt es eine Trennung in den Wissenschaften, speziell diese große Trennung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Wenn der Mensch aber als Lebewesen so einen starken Einfluss auf die Natur hat durch seine Kultur, muss diese Relation zwischen Kultur und Naturwissenschaften ganz neu gedacht werden.
Es ist mir auch ganz wichtig, deutlich zu machen, dass so ein Unternehmen jetzt nicht von einer Institution alleine geleistet wird. Und ich bin sehr froh, dass es uns gelang, einerseits die Max-Planck-Gesellschaft mit ihren Max-Planck-Instituten zu gewinnen, bei diesem Projekt mitzumachen, denn das sind ja sowohl eher geisteswissenschaftlich orientierte Institute wie naturwissenschaftliche Institute, die Forschung leisten. Dann haben wir das Deutsche Museum in München als das vielleicht wichtigste Museum für Technologiegeschichte, die mit uns zusammenarbeiten, das Rachel Carson Center, ein neues Forschungszentrum in München zum Thema Ökologie, und das Potsdam-Institut von Herrn Töpfer, die alle in diesem Projekt mitmachen, und was wir die nächsten zwei Tage entwickeln…
Hanselmann: Ja, ich wollte gerade nämlich einhaken, Sie haben es mehrfach erwähnt, die Frage Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften – man denkt, dass es bei dem Thema zunächst vorrangig zumindest um wissenschaftliche Fragen geht. Was können denn da Künstler, Architekten, Historiker und so weiter beitragen?
Scherer: Ich glaube, wenn man es versucht, kurz zu beschreiben, dann ist die Entwicklung der letzten 200 Jahre, die dazu führte, was wir jetzt Anthropozän nennen, wesentlich gekennzeichnet dadurch, dass wir die Natur, das heißt die Objektwelt, als Ressource für unser wirtschaftliches Handeln verstanden haben und dabei eine Konsumgesellschaft, wie wir sie heute kennen, was ja auch gleichzeitig eine Wegwerfgesellschaft ist, entwickelt wurde. Das heißt, die Natur, die Gegenstandswelt, wurde eigentlich – war ein Black Hole, ein Schwarzes Loch, das nie eigentlich in unser kulturelles Bewusstsein richtig als Produktionsprozess mit eindrang.
Diese Gegenstandswelt reagiert momentan. Wir haben Klimaprobleme, wir sehen, dass die Meere verschmutzt werden – das waren ja nicht von uns intentionale Handlungen, die Meere zu verschmutzen. Wir wollten eine bestimmte, sage ich mal, Ess- und Transportkultur, die hat zu einer Plastikindustrie geführt, die hat dann dazu geführt, dass die Meere verschmutzt werden. Das heißt, wir haben uns ein Wirtschaften angewöhnt, das wesentlich darauf bezogen war, dass wir die Natur gar nicht als Gegenüber oder als Teil unserer Umwelt verstanden, als Teil unserer eigenen Lebensform. Und die Künste, um Ihre Frage zu beantworten, sind deshalb wichtig, weil es, glaube ich, zentral darum gehen wird, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einfach eine ganz neue Sensibilität für Gegenstände, für die Natur zu entwickeln als Teil unseres eigenen Lebenszusammenhangs, und dann daraus Technologieentwicklung und Forschung zu betreiben.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton" – wir sprechen mit Bernd Scherer, dem Leiter des Hauses der Kulturen der Welt Berlin, über das Projekt Anthropozän, eine zweijährige Veranstaltungsreihe zu einer Neubewertung der weltgeschichtlichen Epoche, in der wir Menschen uns befinden. Herr Scherer, "Apokalypse ist out" überschrieb die "Berliner Zeitung" den Artikel über Ihr Projekt. Heißt Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, dass er es komplett in seiner Hand hat, die Zukunft der Erde zu gestalten? Eine neue Eiszeit wird er ja wohl nicht verhindern können.
Scherer: In dem Begriff des Anthropozäns ist eine gewisse Ambivalenz eingesehen. Im Prinzip, so wie er jetzt gebraucht wird, beschreibt er ja einen Zustand, der in den letzten 200, 300 Jahren vor allem hergestellt wurde, und zwar nicht intentional hergestellt wurde. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, den wir als Spezies Mensch geschaffen haben. Und in gewisser Weise, würde ich sagen, ist eine neue Bescheidenheit angesagt, denn der Mensch hat immer so getan, als ob er die Erde einfach beherrschen könnte, ausbauen könnte. Jetzt wissen wir, dass die Erde auf uns auch reagiert, sozusagen, dass wir selbst Betroffene dieses Systems sind.
Und ich glaube, zunächst mal ist eigentlich eine neue Bescheidenheit angesagt und eine Reflexion darauf, was kann der Mensch mit seinen Fähigkeiten, die er hat, eigentlich bewirken, und was bedeutet das für unsere Weltproduktion, ja? Also das heißt, gerade nicht die Herrscherrolle anzustreben, sondern die Herrscherrolle haben wir 200 Jahre versucht implizit zu realisieren. Und das hat zu dieser Situation geführt, in der wir sind, und wir müssen ein ganz neues Selbstverständnis unserer selbst als Spezies auf dieser Erde in dem Bezug zur Natur und den Gegenstandswelten entwickeln, um ein menschenangemessenes Leben und Produzieren zu erzeugen.
Hanselmann: Es gibt uns seit rund 250.000 Jahren nach den Erkenntnissen der Wissenschaft. Geht es um so etwas wie eine Art Umweltschutz für die kommenden 250.000 Jahre?
Scherer: Ja, wobei Umweltschutz sehr eindimensional klingt. Es geht darum, unser Selbstverständnis als Mensch, als Teil dieser Erde, als Teil dieser Systeme zu verstehen, und daraus neue Konsequenzen für Produktion, für Wirtschaften, für Gesellschaftsentwicklung zu entwickeln.
Hanselmann: Sie haben ein zweijähriges Programm geplant für das Haus der Kulturen der Welt. Was werden wir da alles erleben können?
Scherer: Wir eröffnen das Projekt heute Abend im Haus der Kulturen der Welt, und die Eröffnungsphase der nächsten drei, vier Tage soll dazu dienen, die Fragestellungen, die wir jetzt so angerissen haben in diesem Gespräch, auszubreiten, und es ist uns gelungen, sowohl Wissenschaftler als auch Künstler aus allen möglichen Disziplinen, die eine Relevanz haben für dieses Thema, einzuladen, und wir werden dann über die nächsten zwei Jahre immer wieder verschiedene Programme, die in sich eine eigene Logik haben, die aber auf diese Fragestellung hin bezogen ist, realisieren.
Hanselmann: Letzte Frage: Haben Sie große Hoffnungen, dass dieses Narrativ, von dem Sie erzählen, letztlich in konkrete Handlungen einmünden wird?
Scherer: Was interessant ist, ist, dass dieses Projekt ja ein Sonderprojekt ist, das vom Deutschen Bundestag speziell gefördert wird, sodass auch die Politik auch sozusagen von Anfang an involviert war in der konzeptionellen Entwicklung dieses Projektes, und das natürlich auch jetzt verfolgt, also von daher ist diese politische Dimension da. Wir wissen von dem Interesse aus den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften, dass genau diese Form einer neuen Kooperation zwischen den Wissenschaften von zentralem Interesse ist, weil solche Forenräume, die neue Formen dieser Kooperation erzeugen, geradezu gesucht werden, und parallel zum Beispiel zu den Abendveranstaltungen werden wir zwei große Workshops haben mit Fachwissenschaftlern, teilweise auch Direktoren vom zentralen Forschungsinstituten, die mit uns gemeinsam überlegen, was könnte man an Projekten für die Zukunft entwickeln.
Hanselmann: Bernd Scherer, der Leiter des Hauses der Kulturen der Welt, in dem heute das Anthropozän-Projekt eröffnet wird. Einzelheiten finden Sie im Internet unter hkw.de und, da wir eine Medienpartnerschaft mit dem Projekt haben, auch auf unserer Homepage dradio.de.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Otto über das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, der seinen Fußabdruck auf diesem Planeten hinterlassen wird – so oder so. Ich habe mit Professor Bernd Scherer gesprochen, er ist der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt und Hauptinitiator der zweijährigen Veranstaltungsreihe in seinem Hause, die sich ab heute mit dem Anthropozän beschäftigen wird. Zunächst wollte ich wissen, ob es dabei im Wesentlichen um einen Begriffswechsel geht oder um eine völlig neue Sicht auf die Geschichte unseres Planeten.
Bernd M. Scherer: De facto geht es um ein neues Narrativ, nämlich darum, wie wir die Rolle des Menschen auf dieser Erde begreifen wollen. Angestoßen wurde die Debatte zunächst mal von Paul Crutzen, der ist Klimaforscher, dann wurde sie übernommen von den Geologen, den Erdwissenschaftlern, und da ist eine historische Referenz ganz interessant: Seit dem 19. Jahrhundert gibt es in London eine Royal Society, die definiert die Erdzeitalter. Und diese hat jetzt ein Research Team, also ein Forschungsteam eingesetzt, um zu überprüfen, ob die Einwirkung des Menschen auf die Erde eine geologische Relevanz hat.
Also die Grundidee des Anthropozäns ist ja, dass der Mensch eigentlich, seit er Kultur macht, auf die Erde einwirkt, aber diese Einwirkung in den letzten 200 Jahren und speziell nach 1945 – man spricht da von der Big Acceleration – eine Dimension angenommen hat, dass das, was wir als Natur verstehen, eigentlich schon vom Menschen gemacht ist. Das ist natürlich ein ganz neues Verständnis der Spezies Mensch auf dieser Erde, denn wenn das so ist, dann schreibt sich der Mensch als Naturwesen in die geologische Zeit dieser Erde ein.
Das heißt ganz konkret, unser Handeln von heute hat Dimensionen, die zwei, drei Hunderttausenden von Jahren noch sichtbar sind auf dieser Erde, und das bedeutet natürlich wirklich eine Neuorientierung. Zum Beispiel seit wir Wissenschaft betreiben und speziell seit dem 19. Jahrhundert gibt es eine Trennung in den Wissenschaften, speziell diese große Trennung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Wenn der Mensch aber als Lebewesen so einen starken Einfluss auf die Natur hat durch seine Kultur, muss diese Relation zwischen Kultur und Naturwissenschaften ganz neu gedacht werden.
Es ist mir auch ganz wichtig, deutlich zu machen, dass so ein Unternehmen jetzt nicht von einer Institution alleine geleistet wird. Und ich bin sehr froh, dass es uns gelang, einerseits die Max-Planck-Gesellschaft mit ihren Max-Planck-Instituten zu gewinnen, bei diesem Projekt mitzumachen, denn das sind ja sowohl eher geisteswissenschaftlich orientierte Institute wie naturwissenschaftliche Institute, die Forschung leisten. Dann haben wir das Deutsche Museum in München als das vielleicht wichtigste Museum für Technologiegeschichte, die mit uns zusammenarbeiten, das Rachel Carson Center, ein neues Forschungszentrum in München zum Thema Ökologie, und das Potsdam-Institut von Herrn Töpfer, die alle in diesem Projekt mitmachen, und was wir die nächsten zwei Tage entwickeln…
Hanselmann: Ja, ich wollte gerade nämlich einhaken, Sie haben es mehrfach erwähnt, die Frage Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften – man denkt, dass es bei dem Thema zunächst vorrangig zumindest um wissenschaftliche Fragen geht. Was können denn da Künstler, Architekten, Historiker und so weiter beitragen?
Scherer: Ich glaube, wenn man es versucht, kurz zu beschreiben, dann ist die Entwicklung der letzten 200 Jahre, die dazu führte, was wir jetzt Anthropozän nennen, wesentlich gekennzeichnet dadurch, dass wir die Natur, das heißt die Objektwelt, als Ressource für unser wirtschaftliches Handeln verstanden haben und dabei eine Konsumgesellschaft, wie wir sie heute kennen, was ja auch gleichzeitig eine Wegwerfgesellschaft ist, entwickelt wurde. Das heißt, die Natur, die Gegenstandswelt, wurde eigentlich – war ein Black Hole, ein Schwarzes Loch, das nie eigentlich in unser kulturelles Bewusstsein richtig als Produktionsprozess mit eindrang.
Diese Gegenstandswelt reagiert momentan. Wir haben Klimaprobleme, wir sehen, dass die Meere verschmutzt werden – das waren ja nicht von uns intentionale Handlungen, die Meere zu verschmutzen. Wir wollten eine bestimmte, sage ich mal, Ess- und Transportkultur, die hat zu einer Plastikindustrie geführt, die hat dann dazu geführt, dass die Meere verschmutzt werden. Das heißt, wir haben uns ein Wirtschaften angewöhnt, das wesentlich darauf bezogen war, dass wir die Natur gar nicht als Gegenüber oder als Teil unserer Umwelt verstanden, als Teil unserer eigenen Lebensform. Und die Künste, um Ihre Frage zu beantworten, sind deshalb wichtig, weil es, glaube ich, zentral darum gehen wird, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einfach eine ganz neue Sensibilität für Gegenstände, für die Natur zu entwickeln als Teil unseres eigenen Lebenszusammenhangs, und dann daraus Technologieentwicklung und Forschung zu betreiben.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton" – wir sprechen mit Bernd Scherer, dem Leiter des Hauses der Kulturen der Welt Berlin, über das Projekt Anthropozän, eine zweijährige Veranstaltungsreihe zu einer Neubewertung der weltgeschichtlichen Epoche, in der wir Menschen uns befinden. Herr Scherer, "Apokalypse ist out" überschrieb die "Berliner Zeitung" den Artikel über Ihr Projekt. Heißt Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, dass er es komplett in seiner Hand hat, die Zukunft der Erde zu gestalten? Eine neue Eiszeit wird er ja wohl nicht verhindern können.
Scherer: In dem Begriff des Anthropozäns ist eine gewisse Ambivalenz eingesehen. Im Prinzip, so wie er jetzt gebraucht wird, beschreibt er ja einen Zustand, der in den letzten 200, 300 Jahren vor allem hergestellt wurde, und zwar nicht intentional hergestellt wurde. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, den wir als Spezies Mensch geschaffen haben. Und in gewisser Weise, würde ich sagen, ist eine neue Bescheidenheit angesagt, denn der Mensch hat immer so getan, als ob er die Erde einfach beherrschen könnte, ausbauen könnte. Jetzt wissen wir, dass die Erde auf uns auch reagiert, sozusagen, dass wir selbst Betroffene dieses Systems sind.
Und ich glaube, zunächst mal ist eigentlich eine neue Bescheidenheit angesagt und eine Reflexion darauf, was kann der Mensch mit seinen Fähigkeiten, die er hat, eigentlich bewirken, und was bedeutet das für unsere Weltproduktion, ja? Also das heißt, gerade nicht die Herrscherrolle anzustreben, sondern die Herrscherrolle haben wir 200 Jahre versucht implizit zu realisieren. Und das hat zu dieser Situation geführt, in der wir sind, und wir müssen ein ganz neues Selbstverständnis unserer selbst als Spezies auf dieser Erde in dem Bezug zur Natur und den Gegenstandswelten entwickeln, um ein menschenangemessenes Leben und Produzieren zu erzeugen.
Hanselmann: Es gibt uns seit rund 250.000 Jahren nach den Erkenntnissen der Wissenschaft. Geht es um so etwas wie eine Art Umweltschutz für die kommenden 250.000 Jahre?
Scherer: Ja, wobei Umweltschutz sehr eindimensional klingt. Es geht darum, unser Selbstverständnis als Mensch, als Teil dieser Erde, als Teil dieser Systeme zu verstehen, und daraus neue Konsequenzen für Produktion, für Wirtschaften, für Gesellschaftsentwicklung zu entwickeln.
Hanselmann: Sie haben ein zweijähriges Programm geplant für das Haus der Kulturen der Welt. Was werden wir da alles erleben können?
Scherer: Wir eröffnen das Projekt heute Abend im Haus der Kulturen der Welt, und die Eröffnungsphase der nächsten drei, vier Tage soll dazu dienen, die Fragestellungen, die wir jetzt so angerissen haben in diesem Gespräch, auszubreiten, und es ist uns gelungen, sowohl Wissenschaftler als auch Künstler aus allen möglichen Disziplinen, die eine Relevanz haben für dieses Thema, einzuladen, und wir werden dann über die nächsten zwei Jahre immer wieder verschiedene Programme, die in sich eine eigene Logik haben, die aber auf diese Fragestellung hin bezogen ist, realisieren.
Hanselmann: Letzte Frage: Haben Sie große Hoffnungen, dass dieses Narrativ, von dem Sie erzählen, letztlich in konkrete Handlungen einmünden wird?
Scherer: Was interessant ist, ist, dass dieses Projekt ja ein Sonderprojekt ist, das vom Deutschen Bundestag speziell gefördert wird, sodass auch die Politik auch sozusagen von Anfang an involviert war in der konzeptionellen Entwicklung dieses Projektes, und das natürlich auch jetzt verfolgt, also von daher ist diese politische Dimension da. Wir wissen von dem Interesse aus den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften, dass genau diese Form einer neuen Kooperation zwischen den Wissenschaften von zentralem Interesse ist, weil solche Forenräume, die neue Formen dieser Kooperation erzeugen, geradezu gesucht werden, und parallel zum Beispiel zu den Abendveranstaltungen werden wir zwei große Workshops haben mit Fachwissenschaftlern, teilweise auch Direktoren vom zentralen Forschungsinstituten, die mit uns gemeinsam überlegen, was könnte man an Projekten für die Zukunft entwickeln.
Hanselmann: Bernd Scherer, der Leiter des Hauses der Kulturen der Welt, in dem heute das Anthropozän-Projekt eröffnet wird. Einzelheiten finden Sie im Internet unter hkw.de und, da wir eine Medienpartnerschaft mit dem Projekt haben, auch auf unserer Homepage dradio.de.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.