Ein Osteuropäer sucht in London sein Glück
Seine geliebte Frau ist an Leukämie gestorben, Arbeit gibt es auch nicht mehr, seit das Sägewerk seine Tore geschlossen hat. Lew ist verzweifelt. Wie soll er Mutter und fünfjährige Tochter ernähren? Es gibt nur eine Möglichkeit: sich einen Job im reichen Westen suchen. Seit die Grenzen gefallen sind, sein Land der EU beigetreten ist, dürfen arbeitswillige Osteuropäer ganz legal in England einreisen und arbeiten. Angeblich liegt dort das Geld auf der Straße.
Eine Illusion, wie Lew, in London angekommen, rasch herausfindet. Allein schon seine spärlichen Sprachkenntnisse verhindern, dass er sich nach einer Arbeit erkundigen kann. So trägt er für einen Kebab-Shop Flyer aus. Doch das Geld reicht nicht mal für eine billige Übernachtung. Er schläft im Freien, bis er sich an eine Mitreisende erinnert, die sprachgewandte Lydia, die in London ebenfalls ihr Glück machen wollte.
Sie hilft ihm, einen Job als Küchenhilfe zu finden. Als er auch noch ein billiges Zimmer mieten kann, scheint er vorerst gerettet, kann sogar das erste Geld in die Heimat schicken. Doch dann beginnen die Verwicklungen. Lydia, die Frau aus der Heimat, hat sich in Lew verliebt. Doch das ist sehr einseitig, denn Lew trauert seiner toten Frau nach, bis er sich von der Kellnerin Sophie verführen lässt. Die allerdings nutzt ihn nur aus und demütigt ihn vor ihren Freunden aus Londons Kulturschickeria.
Rose Tremain hat viel Sympathie für ihren gutmütigen Helden übrig. Mit großen, staunenden Augen stolpert er durch eine ihm fremde Welt. Indem die Schriftstellerin in seine Haut schlüpft, sieht sie das vertraute London aus einer ganz ungewohnten Perspektive, nämlich von unten. Das hektische Großstadtleben, die merkwürdigen Verhaltensnormen, die kühl-distanzierten Mitmenschen, der alltägliche Wohlstand verwirren den Mann, der aus einem kleinen, ärmlichen und zurückgeblieben Dorf stammt. Lew schämt sich für seine Ahnungslosigkeit, sein Unwissen. Nur in einem ist er wirklich gut. Er kann kochen. Und das rettet ihn letztlich davor, in der Fremde unterzugehen, und beschert dem Roman ein bescheidenes glückliches Ende.
Hier wird keine farbprächtige Multikulti-Welt ausgemalt, vielmehr die bittere Außenseiterrolle der Billigarbeitskräfte beschrieben, ihre gnadenlose Ausbeutung, ihre soziale Ausgrenzung, ihre Einsamkeit. Wenn Lew an seine zurückgelassene Tochter denkt, zerreißt es ihm das Herz. Er sehnt sich nach seinem besten Freund Rudi, einem verrückten Vogel. Das Handy wird zur teuren Nabelschnur, die ihn mit der Heimat verbindet.
Zwei Kulturen stoßen aufeinander, und Rose Tremain zeigt, wie schwer es einem Fremden gemacht wird, sich einzufinden. Das gibt ihr aber auch die Gelegenheit, kleine, witzige Anekdoten zu erfinden. Man kann über Lews Fehler und Missverständnisse lachen, ohne ihn zu verlachen. Eine Geschichte voller Verwicklungen und Gefühlstiefen, heiter und schwermütig zugleich, über einen Mann, der allen Schicksalsschlägen trotzt und den Mut nie verliert.
Besprochen von Johannes Kaiser
Rose Tremain: Der weite Weg nach Hause,
aus dem Englischen Christel Dormagen,
Suhrkamp Verlag Frankfurt 2009, 490 S., 14,90 Euro
Sie hilft ihm, einen Job als Küchenhilfe zu finden. Als er auch noch ein billiges Zimmer mieten kann, scheint er vorerst gerettet, kann sogar das erste Geld in die Heimat schicken. Doch dann beginnen die Verwicklungen. Lydia, die Frau aus der Heimat, hat sich in Lew verliebt. Doch das ist sehr einseitig, denn Lew trauert seiner toten Frau nach, bis er sich von der Kellnerin Sophie verführen lässt. Die allerdings nutzt ihn nur aus und demütigt ihn vor ihren Freunden aus Londons Kulturschickeria.
Rose Tremain hat viel Sympathie für ihren gutmütigen Helden übrig. Mit großen, staunenden Augen stolpert er durch eine ihm fremde Welt. Indem die Schriftstellerin in seine Haut schlüpft, sieht sie das vertraute London aus einer ganz ungewohnten Perspektive, nämlich von unten. Das hektische Großstadtleben, die merkwürdigen Verhaltensnormen, die kühl-distanzierten Mitmenschen, der alltägliche Wohlstand verwirren den Mann, der aus einem kleinen, ärmlichen und zurückgeblieben Dorf stammt. Lew schämt sich für seine Ahnungslosigkeit, sein Unwissen. Nur in einem ist er wirklich gut. Er kann kochen. Und das rettet ihn letztlich davor, in der Fremde unterzugehen, und beschert dem Roman ein bescheidenes glückliches Ende.
Hier wird keine farbprächtige Multikulti-Welt ausgemalt, vielmehr die bittere Außenseiterrolle der Billigarbeitskräfte beschrieben, ihre gnadenlose Ausbeutung, ihre soziale Ausgrenzung, ihre Einsamkeit. Wenn Lew an seine zurückgelassene Tochter denkt, zerreißt es ihm das Herz. Er sehnt sich nach seinem besten Freund Rudi, einem verrückten Vogel. Das Handy wird zur teuren Nabelschnur, die ihn mit der Heimat verbindet.
Zwei Kulturen stoßen aufeinander, und Rose Tremain zeigt, wie schwer es einem Fremden gemacht wird, sich einzufinden. Das gibt ihr aber auch die Gelegenheit, kleine, witzige Anekdoten zu erfinden. Man kann über Lews Fehler und Missverständnisse lachen, ohne ihn zu verlachen. Eine Geschichte voller Verwicklungen und Gefühlstiefen, heiter und schwermütig zugleich, über einen Mann, der allen Schicksalsschlägen trotzt und den Mut nie verliert.
Besprochen von Johannes Kaiser
Rose Tremain: Der weite Weg nach Hause,
aus dem Englischen Christel Dormagen,
Suhrkamp Verlag Frankfurt 2009, 490 S., 14,90 Euro