Ein Panoptikum kalten Schreckens
Es war die erste Oper einer Frau in einer traditionell von Männern beherrschten Szene: Am 4. Juni 1988 feierte Adriana Hölzskys Oper bei der Biennale für neues Musiktheater Premiere. Die Kritik sprach bald von einem Schlüsselwerk des modernen Musiktheaters.
Eine junge Rumänin hat in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts die Oper "Bremer Freiheit" komponiert: Adriana Hölszky. Sie lebte schon lange in Deutschland, aber erst diese Oper nach dem gleichnamigen Theaterstück des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder brachte ihren Namen ins Gespräch – zuerst in München, bei einem neuen Festival für zeitgenössisches Musiktheater. Der Komponist Hans Werner Henze, Gründer der Münchner Biennale, hatte mit Spürsinn für junge Talente auch Adriana Hölszky entdeckt und die Oper bei ihr in Auftrag gegeben. Die "Bremer Freiheit" wurde am 4. Juni 1988 in München aus der Taufe gehoben – die erste Oper einer Frau in dieser traditionell von Männern beherrschten Szene.
Adriana Hölszky, Jahrgang 1953, nannte ihren Musiktheaterkrimi "Bremer Freiheit" nicht Oper oder Musikdrama, sondern ein "Singwerk auf ein Frauenleben". Ein Schlüsselwerk des modernen Musiktheaters, so lautete schon bald das Urteil. Im Mittelpunkt steht die mehrfache Mörderin Gesche Gottfried. Sie rebellierte gegen ihre gleichgültigen, gefühllosen oder gewalttätigen Mitmenschen, indem sie diese einfach mit Gift aus dem Leben beförderte: die Eltern, eigene Kinder, ihre Ehemänner, auch Nachbarn und Freunde. Gesche Gottfried, die bekannteste Giftmörderin der Zeit, wurde 1831 in Bremen öffentlich enthauptet. Ihr Pflichtverteidiger hat die grausige Geschichte aufgeschrieben. Und nach dem Theaterstück komponierte Adriana Hölszky ihr diabolisches Melodram. Neben den Sängern benötigte sie nur 15 Instrumentalisten, die einen ebenso präzisen wie emotional hemmungslosen Totentanz veranstalten:
"Ich hatte immer eine Leidenschaft für die menschliche Stimme und die Geräusche. Und deshalb gibt es viele Werke, wo die Chöre eine wesentliche Rolle spielen, das Schlagzeugensemble und dann die Übergänge zwischen vokal und instrumental, wo die Instrumente humanisiert werden."
Betont rational disponierte Hölszky ihre experimentelle Partitur, um die "Bremer Freiheit" zu einem Panoptikum kalten Schreckens zu schmieden. Sie entwarf neun Phasen eines Stücks, weniger Szenarien der Personenpsychologie eines Kriminalfalls als vielmehr Tatorte des Wahns, der irrealen Selbstbefreiung einer Frau aus bürgerlichen Zwängen und seelischer Unterdrückung. Hölszkys opernhafte Erzählung vollzieht sich bruchstückhaft, in gestischer Geschäftigkeit des Singens und Sprechens, voll schwarzen Humors, gespeist aus Lamento, Choral, bohrender Expressivität und tobendem Aufschrei. Charakteristisch für Hölszkys Opern - etwa auch in "Die Wände" nach Genet - ist die Distanzierung der Musik von den Texten, bis hin zur Dekonstruktion.
Der Titel "Singwerk auf ein Frauenleben" spielt übrigens an auf Robert Schumanns Liederzyklus "Frauenliebe und –leben": Dort wird die Einengung der Frau in ihrer Häuslichkeit mit dem geliebten Mann als Erfüllung gefeiert. Gesche Gottfried glaubt töten zu müssen, um frei zu sein. Die Tatsache, dass eine junge Komponistin das Fassbinder-Stück als Opernsujet wählt, sagt viel über das Bewusstsein neuer Musikergenerationen. Adriana Hölszky suchte die Nähe des "Wozzeck" Alban Bergs und der "Soldaten" Bernd Alois Zimmermanns. Die geschundene Kreatur und die brutale Gesellschaft sind das Thema, künstlerische Empathie ist das Medium.
Die "Bremer Freiheit" wurde an vielen Theatern nachgespielt.
Adriana Hölszky, Jahrgang 1953, nannte ihren Musiktheaterkrimi "Bremer Freiheit" nicht Oper oder Musikdrama, sondern ein "Singwerk auf ein Frauenleben". Ein Schlüsselwerk des modernen Musiktheaters, so lautete schon bald das Urteil. Im Mittelpunkt steht die mehrfache Mörderin Gesche Gottfried. Sie rebellierte gegen ihre gleichgültigen, gefühllosen oder gewalttätigen Mitmenschen, indem sie diese einfach mit Gift aus dem Leben beförderte: die Eltern, eigene Kinder, ihre Ehemänner, auch Nachbarn und Freunde. Gesche Gottfried, die bekannteste Giftmörderin der Zeit, wurde 1831 in Bremen öffentlich enthauptet. Ihr Pflichtverteidiger hat die grausige Geschichte aufgeschrieben. Und nach dem Theaterstück komponierte Adriana Hölszky ihr diabolisches Melodram. Neben den Sängern benötigte sie nur 15 Instrumentalisten, die einen ebenso präzisen wie emotional hemmungslosen Totentanz veranstalten:
"Ich hatte immer eine Leidenschaft für die menschliche Stimme und die Geräusche. Und deshalb gibt es viele Werke, wo die Chöre eine wesentliche Rolle spielen, das Schlagzeugensemble und dann die Übergänge zwischen vokal und instrumental, wo die Instrumente humanisiert werden."
Betont rational disponierte Hölszky ihre experimentelle Partitur, um die "Bremer Freiheit" zu einem Panoptikum kalten Schreckens zu schmieden. Sie entwarf neun Phasen eines Stücks, weniger Szenarien der Personenpsychologie eines Kriminalfalls als vielmehr Tatorte des Wahns, der irrealen Selbstbefreiung einer Frau aus bürgerlichen Zwängen und seelischer Unterdrückung. Hölszkys opernhafte Erzählung vollzieht sich bruchstückhaft, in gestischer Geschäftigkeit des Singens und Sprechens, voll schwarzen Humors, gespeist aus Lamento, Choral, bohrender Expressivität und tobendem Aufschrei. Charakteristisch für Hölszkys Opern - etwa auch in "Die Wände" nach Genet - ist die Distanzierung der Musik von den Texten, bis hin zur Dekonstruktion.
Der Titel "Singwerk auf ein Frauenleben" spielt übrigens an auf Robert Schumanns Liederzyklus "Frauenliebe und –leben": Dort wird die Einengung der Frau in ihrer Häuslichkeit mit dem geliebten Mann als Erfüllung gefeiert. Gesche Gottfried glaubt töten zu müssen, um frei zu sein. Die Tatsache, dass eine junge Komponistin das Fassbinder-Stück als Opernsujet wählt, sagt viel über das Bewusstsein neuer Musikergenerationen. Adriana Hölszky suchte die Nähe des "Wozzeck" Alban Bergs und der "Soldaten" Bernd Alois Zimmermanns. Die geschundene Kreatur und die brutale Gesellschaft sind das Thema, künstlerische Empathie ist das Medium.
Die "Bremer Freiheit" wurde an vielen Theatern nachgespielt.