Ein Plädoyer für das Zweifeln
Der Urknall ist und bleibt ein brisantes Thema. Es wimmelt nämlich nur so von Hypothesen dazu. Wo aber bleiben die Beweise? Das fragt der Physiker Alexander Unzicker in seinem Buch: "Vom Urknall zum Durchknall".
Mit der Physik steht es nicht zum Besten. Überall wimmelt es von Hypothesen, aber wo bleiben die Beweise? Alexander Unzicker nimmt in seiner forschen Bestandsaufnahme kein Blatt vor den Mund: "Die Genies sind tot, und bei den Nachfolgern sind oft alle Sicherungen durchgeknallt", lautet seine ungeschminkte Diagnose.
Unzicker traut sich was, denn er ist im Hauptberuf Lehrer und muss nicht fürchten, dass seine Stelle wegrationalisiert wird oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft keine Gelder mehr an ihn vergibt, weil er heiligen Theorien widerspricht. Dabei ist er keineswegs ein Esoteriker, der den Physikern erklären will, wie der Hase läuft. Aber er ist zutiefst skeptisch, ob das fundamentale Verständnis unserer Welt in den letzten 70 Jahren ernsthaft vorangekommen ist.
Zu viele Fragen sind ungeklärt: Hat es die Inflation des Universums nach dem Urknall wirklich gegeben? Existiert die sogenannte Dunkle Energie oder ist sie nur ein Konstrukt? Woher haben die Teilchen ihre Masse? Ist die Gravitationskonstante wirklich unveränderlich? Und wo sind die postulierten Gravitationswellen? Ist die Stringtheorie überhaupt noch Physik oder schon Religion?
Unzicker hat keine Scheu, Ansichten zu hinterfragen, die sich schleichend in den Standardtheorien etabliert haben. Er sehnt sich nach Vereinfachungen, stattdessen wird alles immer komplizierter. Unbewiesene Annahmen und Hypothesen türmen mittlerweile ein Theoriegebäude beachtlicher Größe auf. Seit Jahrzehnten fehlt eine Bestätigung durch Experiment oder Beobachtung. Sein provokant-pauschales Urteil: Der Physik ist die Bodenhaftung verloren gegangen. Für jede Anomalie zaubern Wissenschaftler einen neuen Parameter aus dem Hut, statt zu versuchen, die zugrunde liegenden Prinzipien zu verstehen. Über 30 "Naturkonstanten" haben sie so angesammelt: alles Werte, die keiner erklären kann.
Mit viel Ironie und wohldosiertem Sarkasmus schreibt er sich seine Unzufriedenheit mit der Kosmologie und Teilchenphysik von der Seele. Dabei wirken seine kurzen, übersichtlichen Abschnitte manchmal sprunghaft und gehen sehr unterschiedlich in die Tiefe. Dennoch schildert Unzicker den aktuellen Stand der Physik mit einem frischen Schwung, der einen beim Lesen unweigerlich weiter treibt. Seine Stärke liegt vor allem im Aufwerfen von spannenden Fragen. Manche Hintergründe sind dagegen arg verkürzt (die alternative Theorie MOND ist widerlegt – wodurch?).
Das Buch bietet keine Lösungen, aber Denkanstöße en masse. Natürlich erscheint seine etwas diffuse Sehnsucht nach Einfachheit naiv, aber für ihn gilt: "Entweder die Natur ist hässlich und hoffnungslos kompliziert, oder die Theoretische Physik der letzten 70 Jahre baut auf falschen Konzepten."
Sein Buch jedenfalls ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Überprüfbarkeit, Logik – und für das Zweifeln.
Besprochen von von Gerrit Stratmann
Alexander Unzicker: Vom Urknall zum Durchknall. Die absurde Jagd nach der Weltformel
Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2010
340 Seiten, 24,95 Euro
Unzicker traut sich was, denn er ist im Hauptberuf Lehrer und muss nicht fürchten, dass seine Stelle wegrationalisiert wird oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft keine Gelder mehr an ihn vergibt, weil er heiligen Theorien widerspricht. Dabei ist er keineswegs ein Esoteriker, der den Physikern erklären will, wie der Hase läuft. Aber er ist zutiefst skeptisch, ob das fundamentale Verständnis unserer Welt in den letzten 70 Jahren ernsthaft vorangekommen ist.
Zu viele Fragen sind ungeklärt: Hat es die Inflation des Universums nach dem Urknall wirklich gegeben? Existiert die sogenannte Dunkle Energie oder ist sie nur ein Konstrukt? Woher haben die Teilchen ihre Masse? Ist die Gravitationskonstante wirklich unveränderlich? Und wo sind die postulierten Gravitationswellen? Ist die Stringtheorie überhaupt noch Physik oder schon Religion?
Unzicker hat keine Scheu, Ansichten zu hinterfragen, die sich schleichend in den Standardtheorien etabliert haben. Er sehnt sich nach Vereinfachungen, stattdessen wird alles immer komplizierter. Unbewiesene Annahmen und Hypothesen türmen mittlerweile ein Theoriegebäude beachtlicher Größe auf. Seit Jahrzehnten fehlt eine Bestätigung durch Experiment oder Beobachtung. Sein provokant-pauschales Urteil: Der Physik ist die Bodenhaftung verloren gegangen. Für jede Anomalie zaubern Wissenschaftler einen neuen Parameter aus dem Hut, statt zu versuchen, die zugrunde liegenden Prinzipien zu verstehen. Über 30 "Naturkonstanten" haben sie so angesammelt: alles Werte, die keiner erklären kann.
Mit viel Ironie und wohldosiertem Sarkasmus schreibt er sich seine Unzufriedenheit mit der Kosmologie und Teilchenphysik von der Seele. Dabei wirken seine kurzen, übersichtlichen Abschnitte manchmal sprunghaft und gehen sehr unterschiedlich in die Tiefe. Dennoch schildert Unzicker den aktuellen Stand der Physik mit einem frischen Schwung, der einen beim Lesen unweigerlich weiter treibt. Seine Stärke liegt vor allem im Aufwerfen von spannenden Fragen. Manche Hintergründe sind dagegen arg verkürzt (die alternative Theorie MOND ist widerlegt – wodurch?).
Das Buch bietet keine Lösungen, aber Denkanstöße en masse. Natürlich erscheint seine etwas diffuse Sehnsucht nach Einfachheit naiv, aber für ihn gilt: "Entweder die Natur ist hässlich und hoffnungslos kompliziert, oder die Theoretische Physik der letzten 70 Jahre baut auf falschen Konzepten."
Sein Buch jedenfalls ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Überprüfbarkeit, Logik – und für das Zweifeln.
Besprochen von von Gerrit Stratmann
Alexander Unzicker: Vom Urknall zum Durchknall. Die absurde Jagd nach der Weltformel
Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2010
340 Seiten, 24,95 Euro