Ein Platz an der Sonne
Ihr Werk handelt von Raum und Zeit, von Himmel und Horizont, Landschaft und Licht. Die Amerikanerin Nancy Holt, inzwischen 72 Jahre alt, gehört zu den Wegbereiterinnen der Land Art. Der Badische Kunstverein in Karlsruhe zeigt ihr Werk zum ersten Mal in Europa.
Lucin, Utah, ist ein gottverlassener Ort im amerikanischen Westen. Seit Jahrzehnten wohnt kein Mensch mehr hier, ringsum nichts als Wüste, ödes Land. Gleich südlich liegt die flachste Ebene der Erde, wo man mit bloßem Auge die Krümmung des Planeten sehen kann, und von einer Rollbahn, 40 Meilen weiter, startete 1945 der Atombomber nach Hiroshima.
Ausgerechnet hier, in diesem verfluchten Flecken Niemandsland, fand Nancy Holt 1973 den idealen Platz für ihre berühmteste Skulptur. "Sun Tunnels", also Sonnentunnel, heißen die vier riesigen Betonröhren, die sie in loser Kreuzform auf dem Gelände arrangierte, jede fünfeinhalb Meter lang und fast drei Meter im Durchmesser.
Man kann hindurchschauen und erlebt, je nach Tages- oder Jahreszeit, ein Schauspiel aus sengendem Sonnenlicht und atemberaubender Schönheit; kleine Gucklöcher in den Betonwänden zeichnen zudem verschiedene Sternbilder nach und verstärken den optischen Kontakt mit dem Universum.
"Als ich die Sonnentunnel machte, hat mich der zeitliche Zyklus der Erde interessiert. Alle Tunnel sind am Auf- und Untergang der Sonne ausgerichtet, und zwar jeweils zur Winter- und Sommersonnenwende. In der Wüste verliert man ja schnell die Orientierung. Und wenn man durch die Röhren schaut, kann man sich im Raum orientieren."
Den Platz an der Sonne suchen noch immer Tausende von Kunsttouristen auf. Sie machen Fotos, und gelegentlich jagen schießwütige Spinner Kugeln durch die Röhren – das Werk jedenfalls ist längst eine Ikone.
Nancy Holt hatte sich zuvor mit Fotos und Videos beschäftigt, hatte Lichträume inszeniert und im Freien Sehapparate installiert und dann, angespornt durch ihre männlichen Kollegen, immer gigantischeren Projekte angepeilt.
"Für eine Frau war das höchst ungewöhnlich, so etwas zu machen. Da musste ja viel Erde bewegt werden, ich musste mit Baufirmen verhandeln und wollte meine Skulpturen ja so billig wie möglich machen. Aber das waren ziemlich harte Jungs. Für Kunst hatten die nichts übrig. Einmal fuhr ich extra nach L.A. und wollte einen dicken Rabatt herausschlagen – und dann bekam ich ganze fünf Prozent!"
Sehen und Wahrnehmen, das ist bis heute die Basis ihrer Arbeit. Es geht um Orientierungen im Raum und in der Zeit, um elementare Experimente und Selbsterfahrungen.
Mit Robert Smithson, ihrem Mann, stapfte sie 1971 durch einen schilfigen Sumpf, die Sicht stark eingeschränkt durch die Kameralinse, durch die sie den Ausflug filmte, geführt alleine durch die Stimme ihres Mannes. Und mit Richard Serra drehte sie ein Video mit dem Titel "Boomerang", dem eine simple technische Spielerei zugrunde lag. Sie sprach, und ihre eigene Stimme kam als zeitverzögertes Echo zurück:
"I can hear my echo, and the words are coming back on top of me. The words are spilling out of my head and then returning into my ear ... "
Heute, zugegeben, wirkt das antiquierte Filmchen reichlich albern, doch damals, 1974, war das Avantgarde.
Später gab es auch immer wieder Projekte mit ökologischem Charakter: "Sky Mound", also "Himmelshügel", ist eines davon. Eine Mülldeponie in New Jersey hat sie renaturiert, das durch den Zersetzungsprozess ausströmende Methangas wird aufgefangen, und so ist die Müllkippe dreierlei: Park, Skulptur und Generator alternativer Energie – zwei Masten auf dem Hügel hat die Künstlerin demonstrativ an der Sonne ausgerichtet.
Meist hat Nancy Holt für solche Werke mit Wissenschaftlern, Astronomen, Ingenieuren oder Landschaftsarchitekten kooperiert – ein Werk zwischen Himmel und Horizont, Umwelt und Universum, und natürlich geht es letzten Endes um den Standort des Menschen darin.
Das alles ist jetzt hier in dieser Schau zu sehen, und es ist klar, dass das nicht einfach zu vermitteln ist. Die Räume sind gefüllt mit Archivmaterial, Künstlerbüchern und Projektzeichnungen, mit großen und kleinen Fotos; aber vor allem den zahlreichen Filmen gelingt es erstaunlich gut, die Atmosphäre vieler der rund 40 ortsbezogenen Projekte einzufangen.
Nancy Holt selbst ist mit ihren 72 Jahren noch immer aktiv. Derzeit macht sie eine größere Außenarbeit in Avignon, und zu Hause, in New Mexico, wo sie noch immer lebt, stöbert sie gerne in ihren Archiven. Dort lagert genügend Stoff, mit dem sie ihre eigene Kunstgeschichte erzählen kann. Filme sind noch immer ihre Leidenschaft, und einen hat sie gerade fertiggestellt.
"In diesem Film sieht man die ganze Energie und den Aufbruchsgeist von damals, auch diesen seltsamen Mono Lake in Kalifornien mit seinen bizarren Salzformationen. Vielleicht mache ich noch so einen Film. Ich habe eine Menge tolles Material aus dieser frühen Zeit, das ich aufarbeiten möchte."
Service:
Die Ausstellung "Nancy Holt: Sightlines" ist bis zum 27. März 2011 im Badischen Kunstverein in Karlsruhe zu sehen.
Ausgerechnet hier, in diesem verfluchten Flecken Niemandsland, fand Nancy Holt 1973 den idealen Platz für ihre berühmteste Skulptur. "Sun Tunnels", also Sonnentunnel, heißen die vier riesigen Betonröhren, die sie in loser Kreuzform auf dem Gelände arrangierte, jede fünfeinhalb Meter lang und fast drei Meter im Durchmesser.
Man kann hindurchschauen und erlebt, je nach Tages- oder Jahreszeit, ein Schauspiel aus sengendem Sonnenlicht und atemberaubender Schönheit; kleine Gucklöcher in den Betonwänden zeichnen zudem verschiedene Sternbilder nach und verstärken den optischen Kontakt mit dem Universum.
"Als ich die Sonnentunnel machte, hat mich der zeitliche Zyklus der Erde interessiert. Alle Tunnel sind am Auf- und Untergang der Sonne ausgerichtet, und zwar jeweils zur Winter- und Sommersonnenwende. In der Wüste verliert man ja schnell die Orientierung. Und wenn man durch die Röhren schaut, kann man sich im Raum orientieren."
Den Platz an der Sonne suchen noch immer Tausende von Kunsttouristen auf. Sie machen Fotos, und gelegentlich jagen schießwütige Spinner Kugeln durch die Röhren – das Werk jedenfalls ist längst eine Ikone.
Nancy Holt hatte sich zuvor mit Fotos und Videos beschäftigt, hatte Lichträume inszeniert und im Freien Sehapparate installiert und dann, angespornt durch ihre männlichen Kollegen, immer gigantischeren Projekte angepeilt.
"Für eine Frau war das höchst ungewöhnlich, so etwas zu machen. Da musste ja viel Erde bewegt werden, ich musste mit Baufirmen verhandeln und wollte meine Skulpturen ja so billig wie möglich machen. Aber das waren ziemlich harte Jungs. Für Kunst hatten die nichts übrig. Einmal fuhr ich extra nach L.A. und wollte einen dicken Rabatt herausschlagen – und dann bekam ich ganze fünf Prozent!"
Sehen und Wahrnehmen, das ist bis heute die Basis ihrer Arbeit. Es geht um Orientierungen im Raum und in der Zeit, um elementare Experimente und Selbsterfahrungen.
Mit Robert Smithson, ihrem Mann, stapfte sie 1971 durch einen schilfigen Sumpf, die Sicht stark eingeschränkt durch die Kameralinse, durch die sie den Ausflug filmte, geführt alleine durch die Stimme ihres Mannes. Und mit Richard Serra drehte sie ein Video mit dem Titel "Boomerang", dem eine simple technische Spielerei zugrunde lag. Sie sprach, und ihre eigene Stimme kam als zeitverzögertes Echo zurück:
"I can hear my echo, and the words are coming back on top of me. The words are spilling out of my head and then returning into my ear ... "
Heute, zugegeben, wirkt das antiquierte Filmchen reichlich albern, doch damals, 1974, war das Avantgarde.
Später gab es auch immer wieder Projekte mit ökologischem Charakter: "Sky Mound", also "Himmelshügel", ist eines davon. Eine Mülldeponie in New Jersey hat sie renaturiert, das durch den Zersetzungsprozess ausströmende Methangas wird aufgefangen, und so ist die Müllkippe dreierlei: Park, Skulptur und Generator alternativer Energie – zwei Masten auf dem Hügel hat die Künstlerin demonstrativ an der Sonne ausgerichtet.
Meist hat Nancy Holt für solche Werke mit Wissenschaftlern, Astronomen, Ingenieuren oder Landschaftsarchitekten kooperiert – ein Werk zwischen Himmel und Horizont, Umwelt und Universum, und natürlich geht es letzten Endes um den Standort des Menschen darin.
Das alles ist jetzt hier in dieser Schau zu sehen, und es ist klar, dass das nicht einfach zu vermitteln ist. Die Räume sind gefüllt mit Archivmaterial, Künstlerbüchern und Projektzeichnungen, mit großen und kleinen Fotos; aber vor allem den zahlreichen Filmen gelingt es erstaunlich gut, die Atmosphäre vieler der rund 40 ortsbezogenen Projekte einzufangen.
Nancy Holt selbst ist mit ihren 72 Jahren noch immer aktiv. Derzeit macht sie eine größere Außenarbeit in Avignon, und zu Hause, in New Mexico, wo sie noch immer lebt, stöbert sie gerne in ihren Archiven. Dort lagert genügend Stoff, mit dem sie ihre eigene Kunstgeschichte erzählen kann. Filme sind noch immer ihre Leidenschaft, und einen hat sie gerade fertiggestellt.
"In diesem Film sieht man die ganze Energie und den Aufbruchsgeist von damals, auch diesen seltsamen Mono Lake in Kalifornien mit seinen bizarren Salzformationen. Vielleicht mache ich noch so einen Film. Ich habe eine Menge tolles Material aus dieser frühen Zeit, das ich aufarbeiten möchte."
Service:
Die Ausstellung "Nancy Holt: Sightlines" ist bis zum 27. März 2011 im Badischen Kunstverein in Karlsruhe zu sehen.