Ein Präsident, ein Preis und hundert Schüler
Von Bundespräsident Horst Köhler erhielt der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka den Weilheimer Literaturpreis, der von einer Schülerjury vergeben wird, im Schloss Bellevue. In der traditionellen "Rede an die Jugend" gab der nigerianische Schriftsteller zwei unterschiedliche Lebensmaximen seines Großvaters und seines Vaters weiter.
Heute Mittag im Schloss Bellevue. Ein junger Mann mit Zopf, in Anzug und ohne Krawatte überreicht dem großen alten Mann der afrikanischen Literatur mit Diener eine Urkunde. Es war mit Sicherheit die jüngste Jury, von der Literatur-Nobelpreisträger Wole Soyinka je einen Preis zugesprochen bekam, denn der Weilheimer Literaturpreis wird von Schülern verliehen. Einzige Bedingung: Die Schriftsteller müssen sich mit einer Schullesung quasi selbst bewerben. Dann entscheidet eine siebenköpfige Schüler-Jury.
Helena Windelen: "Wir können auswählen aus den Autoren die am Gymnasium gelesen haben."
Moritz Kähn: "Sind bekannte Namen dabei. Enzensberger war auch schon da oder Kertesz."
Und Wole Soyinka war auch schon da. Die Schüler-Jury empfiehlt besonders sein Buch "Aké - Eine afrikanische Kindheit". In der darin beschriebenen Welt zwischen Missionskirche, "Bishopscourt" und Pfarrhaus erkennt die Jurorin Helena Windelen eine afrikanische Variante des heimischen Pfaffenwinkels wieder und Juror Moritz Kähn war von Anfang an von Soyinkas detailverliebten Geschichten mit Gleichnischarakter ohne billiger aufgesetzter Moral beeindruckt.
Windelen: "Es sind parallele Seiten da zwischen Afrika und hier, wie er zum Beispiel über Eltern schreibt, das ist schon vergleichbar."
Kähn: "Vor allem in "Aké" beschreibt Soyinka mit großer Detailgenauigkeit richtige kleine Lektionen, die er immer wieder gelernt hat in seinem Leben."
Mit so einer Lektion aus dem Leben bedankte sich Soyinka in seiner "Rede an die Jugend": Sein Großvater bleute dem kleinen Wole ein:
"Hör zu, scheue niemals einen Kampf!"
Und widersprach damit der Unterrichtsmaxime des Vaters, einem Schuldirektor:
"Als wohlerzogene, brave Kinder des Schulrektors waren wir gehalten, allen Kämpfen aus dem Weg zu gehen. Sich auf einen Kampf einzulassen, und sei es zur Selbstverteidigung, bedeutete eine Menge Ärger zu Hause."
Am Schluss wandte sich der 71-jährige Rat suchend an die Jury im Alter seiner Enkel:
"Und nun zu meinem großen Dilemma. Habt Ihr auch manchmal das Gefühl, dass die Welt zwischen den Achsenpunkten der Theologie meines Großvaters und der seines Sohnes schwebt?"
Konfrontationen annehmen oder vermeiden? Von den prominenten Erwachsenen wollte sich weder Hans Magnus Enzensberger noch Gastgeber Bundespräsident Köhler an der Lösung des Dilemmas versuchen.
Enzensberger: "Na ja, das hat jeder erlebt in der Schule, wo es irgendwelche Kraftprotze gab in der Klasse, die haben auf einen eingeschlagen. Ich war immer da, wo nicht geschossen wurde."
Köhler: "Ach wissen, das muss jeder für sich entscheiden. Beide Elemente sind da und wir müssen immer versuche, beide Elemente in eine gute Balance zu bringen."
Können Sie mir zwei Situationen nennen, wo Sie sich gesagt, da hat der Großvater recht oder da der Vater?
Köhler: "Ach, das mache ich mal später. (…) Nehmen Sie das Thema wunderbar."
Die aktuelle Meldung von der Gewalt-Eskalation an einer Hauptschule in Berlin-Zehlendorf war da gerade ein paar Stunden alt. Und die Nachricht ließ das Thema der Preisverleihung zum Kommentar aus der heilen Parallelwelt werden: Wo der oberste Repräsentant des Landes in seiner Laudatio die Medien mahnt, Afrika nicht zu vergessen, und wo Gymnasiasten und Gymnasiastinnen klug und freundlich über Bücher reden. Das Dilemma zwischen Großvaters Aufforderung zum Kampf und Vaters Vorsicht: Soyinka selbst hat sich immer wieder an den ersten Ratschlag gehalten und sein Engagement mit Gefängnis und Exil bezahlt.
Aber die Welt der Weilheimer Gymnasiasten ist vom Alltag in Nigeria nicht viel weiter entfernt als vom Alltag an Berliner Hauptschulen. Kein Wunder also, dass Moritz Kähns Antwort auf das Dilemma bedächtig ausfällt:
Kähn: "Ich persönlich ziehe es vor, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Wenn es aber gar keinen anderen Weg gibt, muss man auch mal mit dem Kopf durch die Wand."
Aber zum Glück, auch der jugendliche Literaturpreisjuror vermeidet nicht jeden Konflikt um jeden Preis.
Kähn: "Das war ganz kurz, bevor ich nach Berlin gefahren bin, meine Mutter bestand darauf, dass ich eine Krawatte anziehe, aber das wollte ich nicht, weil ich da Beklemmungen kriege und da hab ich die Krawatte daheim gelassen."
Helena Windelen: "Wir können auswählen aus den Autoren die am Gymnasium gelesen haben."
Moritz Kähn: "Sind bekannte Namen dabei. Enzensberger war auch schon da oder Kertesz."
Und Wole Soyinka war auch schon da. Die Schüler-Jury empfiehlt besonders sein Buch "Aké - Eine afrikanische Kindheit". In der darin beschriebenen Welt zwischen Missionskirche, "Bishopscourt" und Pfarrhaus erkennt die Jurorin Helena Windelen eine afrikanische Variante des heimischen Pfaffenwinkels wieder und Juror Moritz Kähn war von Anfang an von Soyinkas detailverliebten Geschichten mit Gleichnischarakter ohne billiger aufgesetzter Moral beeindruckt.
Windelen: "Es sind parallele Seiten da zwischen Afrika und hier, wie er zum Beispiel über Eltern schreibt, das ist schon vergleichbar."
Kähn: "Vor allem in "Aké" beschreibt Soyinka mit großer Detailgenauigkeit richtige kleine Lektionen, die er immer wieder gelernt hat in seinem Leben."
Mit so einer Lektion aus dem Leben bedankte sich Soyinka in seiner "Rede an die Jugend": Sein Großvater bleute dem kleinen Wole ein:
"Hör zu, scheue niemals einen Kampf!"
Und widersprach damit der Unterrichtsmaxime des Vaters, einem Schuldirektor:
"Als wohlerzogene, brave Kinder des Schulrektors waren wir gehalten, allen Kämpfen aus dem Weg zu gehen. Sich auf einen Kampf einzulassen, und sei es zur Selbstverteidigung, bedeutete eine Menge Ärger zu Hause."
Am Schluss wandte sich der 71-jährige Rat suchend an die Jury im Alter seiner Enkel:
"Und nun zu meinem großen Dilemma. Habt Ihr auch manchmal das Gefühl, dass die Welt zwischen den Achsenpunkten der Theologie meines Großvaters und der seines Sohnes schwebt?"
Konfrontationen annehmen oder vermeiden? Von den prominenten Erwachsenen wollte sich weder Hans Magnus Enzensberger noch Gastgeber Bundespräsident Köhler an der Lösung des Dilemmas versuchen.
Enzensberger: "Na ja, das hat jeder erlebt in der Schule, wo es irgendwelche Kraftprotze gab in der Klasse, die haben auf einen eingeschlagen. Ich war immer da, wo nicht geschossen wurde."
Köhler: "Ach wissen, das muss jeder für sich entscheiden. Beide Elemente sind da und wir müssen immer versuche, beide Elemente in eine gute Balance zu bringen."
Können Sie mir zwei Situationen nennen, wo Sie sich gesagt, da hat der Großvater recht oder da der Vater?
Köhler: "Ach, das mache ich mal später. (…) Nehmen Sie das Thema wunderbar."
Die aktuelle Meldung von der Gewalt-Eskalation an einer Hauptschule in Berlin-Zehlendorf war da gerade ein paar Stunden alt. Und die Nachricht ließ das Thema der Preisverleihung zum Kommentar aus der heilen Parallelwelt werden: Wo der oberste Repräsentant des Landes in seiner Laudatio die Medien mahnt, Afrika nicht zu vergessen, und wo Gymnasiasten und Gymnasiastinnen klug und freundlich über Bücher reden. Das Dilemma zwischen Großvaters Aufforderung zum Kampf und Vaters Vorsicht: Soyinka selbst hat sich immer wieder an den ersten Ratschlag gehalten und sein Engagement mit Gefängnis und Exil bezahlt.
Aber die Welt der Weilheimer Gymnasiasten ist vom Alltag in Nigeria nicht viel weiter entfernt als vom Alltag an Berliner Hauptschulen. Kein Wunder also, dass Moritz Kähns Antwort auf das Dilemma bedächtig ausfällt:
Kähn: "Ich persönlich ziehe es vor, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Wenn es aber gar keinen anderen Weg gibt, muss man auch mal mit dem Kopf durch die Wand."
Aber zum Glück, auch der jugendliche Literaturpreisjuror vermeidet nicht jeden Konflikt um jeden Preis.
Kähn: "Das war ganz kurz, bevor ich nach Berlin gefahren bin, meine Mutter bestand darauf, dass ich eine Krawatte anziehe, aber das wollte ich nicht, weil ich da Beklemmungen kriege und da hab ich die Krawatte daheim gelassen."