Ein Rad-Besessener macht den Profis Konkurrenz

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack |
Die Komödie "Schwedisch für Fortgeschrittene" ist so etwas wie "Sex in the City" mit Frauen über 40, die es noch einmal richtig krachen lassen wollen. "Flying Scotsman" erzählt die authentische Geschichte des schottischen Radsportlers Graeme Obree, dessen Traumziel es ist, den Stundenrekord auf der Bahn zu brechen.
"Schwedisch für Fortgeschrittene"
Schweden 2006, Regie: Colin Nutley, Hauptdarstellerinnen: Helena Bergström, Maria Lundqvist, ab 12 Jahren

Colin Nutley, der für diesen Film für Buch und Regie verantwortlich zeichnet, ist ein Engländer vom Jahrgang ´44, der seit vielen Jahren in Schweden lebt und arbeitet. Filme von ihm wie unter anderen "Fanny´s Farm" (1992), "Der letzte Tanz" (1993), "Das Glück kommt morgen" (1998) - allesamt Schwedens Beiträge für die Auslands-"Oscar"-Nominierungen - sowie "Gossip" (2000) kamen auch zu uns, entweder in die Kinos oder ins Fernsehen.

In "Schwedisch für Fortgeschrittene" (Originaltitel: "Heartbreak Hotel") "kümmert" sich Nutley um Frauen über 40: Elisabeth, die gerade geschiedene temperamentvoll-selbstbewusste Frauenärztin; Gudrun, die Politesse und schüchterne Witwe, die sich täglich die gut gemeinten "Beschimpfungen" ihrer erwachsenen Tochter anhören muss, doch endlich wieder "ins Leben" zurückzukehren.

Beide Frauen können sich erst gar nicht ausstehen, kommen sich dann aber zufällig näher, finden sich sympathisch und "hecken" fortan viel gemeinsam aus. Dabei geht es natürlich um die Frage, was Frauen in diesem Alter überhaupt noch "anstellen dürfen" und vor allem - was angeblich nicht? Man zieht um die Häuser, fühlt sich frei und (buchstäblich) tatendurstig, versucht sich (wieder) im erotischen Nahkampf und entdeckt, dass Männer eigentlich nicht mehr unbedingt das Maß aller Gefühls-/Seelen-/Lebens-Dinge sind.

So was wie "Sex in the City" auf Schwedisch. Es geht um charmant-überdrehte, lebensfrohe Ladies, von denen der Autoren-Regisseur behauptet: "Eine 50-jährige Frau ist viel interessanter als eine 20-jährige". Kein Wunder, dass er dies sagt, hat er doch die Hauptrolle der aktiven Elisabeth/Lisa mit seiner attraktiven Ehefrau Helena Bergström besetzt. Die, ganz Vollblut-Mimin, gibt dann auch ihrem Ego kräftig Zucker und legt feuer-frech los. Prima ergänzt von Maria Lundquist als sich neu entdeckende Gudrun.

Allerdings: Diese Frauenpower kommt des öfteren auch "ins Stottern"; so sind die Wandlungen wie die Launen der "späten Girlies" nicht immer verständlich und nachvollziehbar. Während ihre Ex-Männer drum herum allzu statisch, blass und ein bisschen zu Klischee-doof herumwuseln. Nimmt man aber nicht gerade "Thelma & Louise" als Maßstab, kann die Show hier durchaus als selbstironischer, charismatischer Jux- und Tollerei-Frauen-Emanzipations-Dampf atmosphärisch-unterhaltsam durchstarten.

"Flying Scotsman - Allein zum Ziel"
Großbritannien/Deutschland 2006, Regie: Douglas Mackinnon, Hauptdarsteller: Jonny Lee Miller, Laura Fraser, ab 6 Jahren

Douglas MacKinnon ist ein erfahrener Fernsehregisseur, der hier sein Kino-Debüt in einer britisch-deutschen Co-Produktion abliefert. Der im Sommer 2005 in nur 32 Tagen entstandene Streifen erzählt die authentische Geschichte des schottischen Radsportlers Graeme Obree. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, ist er ein hochtalentierter wie ambitionierter Bahnradfahrer, dessen Traumziel es ist, den Stundenrekord auf der Bahn zu brechen. Als er sein Ziel nach vielen Mühen, Rückschlägen und Neu-Versuchen endlich erreicht, wird ihm "offiziell" die Anerkennung seitens des Radweltsportverbandes dennoch verweigert.

Wie viele Radprofis der 90er probiert auch Obree eine neue ungewöhnliche Sitzposition aus, um die Geschwindigkeit zu erhöhen: Den Oberkörper weit nach vorne gebeugt, die Ellbogen eng an den Körper herangezogen, die Hände auf einen winzigen Lenker gestützt. Es funktioniert, weil die Haltung der Aerodynamik entgegenkommt, doch der oberste Verband bzw. seine engstirnigen Funktionäre mögen dies nicht und verweigern ihre Zustimmung. Der ohnehin teilweise schwerst-depressive Obree zerbricht daran fast.

Doch dann gelingt ihm 1995 in Frankreich doch noch einmal das Comeback. Er wird Weltmeister in der Einer-Verfolgung. Seine Haltung geht daraufhin als die "Superman-Position" in die Radsportgeschichte ein. MacKinnon hat diesen Überlebenskampf solide bebildert. Motto: Ein arbeitsloser Amateur, mit selbstgebasteltem Rad, wagt es, die gesponserten Profis mit ihren sündhaft teuren Maschinen herauszufordern.

Leider aber benutzt das auf der Autobiographie Obrees basierende Drehbuch (von John Brown, Declan Hughes und Simon Rose) eine zu unentschlossene Spannungsdramaturgie: Einerseits blickt er vehement auf die Vorbereitungen zu den entscheidenden Rennen, andererseits ist die Darstellung der Weltverbands-Bürokraten viel zu eindimensional und kaum nachvollziehbar. Und auch die Problematisierung der seelischen Erkrankung Obrees wird viel zu nebenbei behandelt, bleibt dadurch unklar und folgenlos.

In der Rolle des gepeinigten Rad-Besessenen macht dagegen Jonny Lee Miller ("Trainspotting") eine ausgesprochen gute Figur. Ein Film, der bekanntlich in ausgesprochen miesen Radsport-Doping-Zeiten auftaucht, wofür er aber nichts kann. Allerdings scheint er mir letztlich auf einem TV-Bildschirm besser plaziert zu sein als auf der großen (unterforderten) Kino-Leinwand.
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