Ein Raum für sich
Wilfried Minks – 80 Jahre alt geworden im vergangenen Jahr, geehrt mit dem Theaterpreis "Faust" für sein Lebenswerk – konnte sich nach dem Ende aller Gewissheiten im deutschen Theater der Nachkriegsmoderne alle Freiheiten nehmen, die unter den Trümmern lockten.
Sein Credo: den unabhängigen Bühnenraum der Kunst zu kreieren. Die Autobiografie gibt eine Ahnung von den kreativen Potenzialen eines Künstlers – und den Zeiten, in denen seine Kunst sich entwickelte.
Minks erzählt von den Jugendjahren in Binai, einem böhmischen Dorf unweit von Prag. Er erzählt vom elterlichen Bauernhof, von Vater, Mutter und den Brüdern, von alljährlichen Ritterspielen, ersten Lieben und echten Dorf-Tragödien. Und natürlich erzählt er vom Krieg, der den Jungen zum Mitläufer in der Hitlerjugend werden ließ.
Binai, wo immer deutsch gesprochen wurde, wird tschechisch, Familie Minks vertrieben und landet im sächsischen Wurzen. Am kleinen Theater dort macht der zeichnerisch begabte Teen Wilfried erste Erfahrungen mit der Bühne. Nach ersten (Kunst-)Studien in Leipzig beginnt er, in West-Berlin zu studieren. Es folgt der erste große Schritt am Theater in Ulm: Im Team mit dem Intendanten Kurt Hübner und dem aus England zurückkehrenden Berliner Juden Peter Zadek entwickelt sich die prägendste Theater-Innovation der deutschen Nachkriegsmoderne.
In Ulm riskieren speziell Zadek und Minks Theater-Räume, wie es sie bis dahin nirgends gab. Aber auch als Bühnenbauer für Hübners Inszenierungen kreiert Minks einen "Stil": kühl kalkuliert, offensiv im Reduktionismus der zeitgenössischen bildenden Kunst – weiße Räume, verschiebbare Wände, nur das Allernotwendigste an Requisite; und oft nicht mal das. Auf der anderen Seite forciert der Raum-Gestalter die Kunst der Materialfindung: echte Bau-Details, gern "second hand" und nachbearbeitet. In Bremen, mit Hübner ab 1962 für knapp zehn Jahre der wichtigste Theaterort in Deutschland, wird die Arbeit von Minks derart markant, dass er selber heute (nicht ohne Hybris) zu Protokoll gibt: Egal wer inszenierte, Hauptsache " ... im Raum von Minks".
Auch erste eigene Inszenierungen entstehen in Bremen – immer wieder Shakespeare, immer wieder Schiller, aber auch immer wieder Revue. Festlegen lässt sich Minks nicht; Raum, wie er ihn will, wird unabhängig, kommentiert nicht das Geschehen, ergänzt es auch nicht. Und auf gar keinen Fall illustriert ein Minks-Raum das Stück.
Minks erzählt lebendig, von Bühne und Regie, von der Lehrtätigkeit, von Höhenflug und Katastrophe. Dass ihm beim Erzählen seine Frau zuhört, nicht etwa ein schlauer Professor oder ein kenntnisreicher Fachjournalist, stört gar nicht - sie weiß auch selber sehr viel vom Theater und traut sich an Lebenswendepunkte heran, von denen Minks vielleicht nicht gleich und von sich aus jedem erzählt hätte. Das Buch ist eine Fundgrube für Erinnerungen an vergangene Epochen – gut zu wissen, dass Wilfried Minks noch heute inszeniert.
Besprochen von Michael Laages
Ulrike Maack / Wilfried Minks: Wilfried Minks. Bühnenbauer
Suhrkamp, Berlin 2011
274 Seiten, 39,90 Euro
Minks erzählt von den Jugendjahren in Binai, einem böhmischen Dorf unweit von Prag. Er erzählt vom elterlichen Bauernhof, von Vater, Mutter und den Brüdern, von alljährlichen Ritterspielen, ersten Lieben und echten Dorf-Tragödien. Und natürlich erzählt er vom Krieg, der den Jungen zum Mitläufer in der Hitlerjugend werden ließ.
Binai, wo immer deutsch gesprochen wurde, wird tschechisch, Familie Minks vertrieben und landet im sächsischen Wurzen. Am kleinen Theater dort macht der zeichnerisch begabte Teen Wilfried erste Erfahrungen mit der Bühne. Nach ersten (Kunst-)Studien in Leipzig beginnt er, in West-Berlin zu studieren. Es folgt der erste große Schritt am Theater in Ulm: Im Team mit dem Intendanten Kurt Hübner und dem aus England zurückkehrenden Berliner Juden Peter Zadek entwickelt sich die prägendste Theater-Innovation der deutschen Nachkriegsmoderne.
In Ulm riskieren speziell Zadek und Minks Theater-Räume, wie es sie bis dahin nirgends gab. Aber auch als Bühnenbauer für Hübners Inszenierungen kreiert Minks einen "Stil": kühl kalkuliert, offensiv im Reduktionismus der zeitgenössischen bildenden Kunst – weiße Räume, verschiebbare Wände, nur das Allernotwendigste an Requisite; und oft nicht mal das. Auf der anderen Seite forciert der Raum-Gestalter die Kunst der Materialfindung: echte Bau-Details, gern "second hand" und nachbearbeitet. In Bremen, mit Hübner ab 1962 für knapp zehn Jahre der wichtigste Theaterort in Deutschland, wird die Arbeit von Minks derart markant, dass er selber heute (nicht ohne Hybris) zu Protokoll gibt: Egal wer inszenierte, Hauptsache " ... im Raum von Minks".
Auch erste eigene Inszenierungen entstehen in Bremen – immer wieder Shakespeare, immer wieder Schiller, aber auch immer wieder Revue. Festlegen lässt sich Minks nicht; Raum, wie er ihn will, wird unabhängig, kommentiert nicht das Geschehen, ergänzt es auch nicht. Und auf gar keinen Fall illustriert ein Minks-Raum das Stück.
Minks erzählt lebendig, von Bühne und Regie, von der Lehrtätigkeit, von Höhenflug und Katastrophe. Dass ihm beim Erzählen seine Frau zuhört, nicht etwa ein schlauer Professor oder ein kenntnisreicher Fachjournalist, stört gar nicht - sie weiß auch selber sehr viel vom Theater und traut sich an Lebenswendepunkte heran, von denen Minks vielleicht nicht gleich und von sich aus jedem erzählt hätte. Das Buch ist eine Fundgrube für Erinnerungen an vergangene Epochen – gut zu wissen, dass Wilfried Minks noch heute inszeniert.
Besprochen von Michael Laages
Ulrike Maack / Wilfried Minks: Wilfried Minks. Bühnenbauer
Suhrkamp, Berlin 2011
274 Seiten, 39,90 Euro