Ein Refugium der Kunst

Moderation: Katrin Heise · 20.06.2005
Er habe Paul Klee immer als Künstler und als Dozenten des Bauhauses bewundert, sagte der Architekt des neuen Klee-Museums in Bern, Renzo Piano. Mit den drei wellenförmigen Hügeln aus Beton und Glas habe er versucht, in der wunderschönen Landschaft ein "Refugium der Kunst" zu schaffen.
Heise: Gebaut worden ist das Klee-Zentrum von Renzo Piano. Er ist unter anderem durch seine Bauten am Berliner Potsdamer Platz bekannt worden und sagt von sich, dass die Umgebung für ihn immer eine sehr große Rolle spielt. Herr Piano, haben Sie sich denn ein Bild von Klee unter den Arm geklemmt, als Sie das erste Mal auf den Bauplatz gefahren sind?

Piano: Ich habe Paul Klee immer sowohl als Künstler wie auch als Dozenten des Bauhauses bewundert. Es ist aber doch nicht so, dass man sich direkt von den Kunstwerken des jeweiligen Künstler leiten lässt, wenn man ein Museum für diesen Künstler baut. Es ist mehr eine Art Einfühlung, eine Liebe zu der Landschaft, in die das Museum hineingestellt wird, sonst wäre es doch eine Art Kurzschluss und das kann nie klappen.

Heise: Das kann nicht klappen. Die Landschaft, in die Sie ja dann gestellt worden sind, in die Sie sich eingefühlt haben, ist ja eine wunderschöne Landschaft. Das ist die walliserische Landschaft. Es gibt ja viele Kollegen, die interessiert das überhaupt nicht, wo ihre Bauten stehen. Sie interessiert das sehr, es ist sehr wichtig für Ihre eigene Ästhetik. War das bei diesem Umfeld so, was hatten Sie denn für eine Idee dann ganz konkret?

Piano: Ich schaue mir immer sehr genau die Gegend an, in die ich mein Projekt hineinstelle. Als ich diesen vorgesehenen Bauplatz zum ersten Mal gesehen habe hier in Bern, da war ich doch zu tiefst angerührt von der Schönheit dieser Umgebung, die ländlich, bäuerlich geprägt ist mit dem Hintergrund der Berge. Es stimmt nicht, dass unser Bauvorhaben keinen Bezug zur Umgebung hätte. Nein, Sie haben schon Recht, für mich ist es ganz wichtig, diesen Dialog mit dem Umfeld anzugehen, mit der Landschaft und nicht nur seine eigenen Projekte umzusetzen.

Heise: Lassen Sie mich da eine bisschen ketzerische Frage stellen. Sie haben ja einmal von Paul Klee geschwärmt als einem "Poeten der Stille". Ich zitiere da einmal aus einem Brief, den Sie 1998 an Freunde geschrieben haben, "Es ist die Dimension der Stille, die diesen Künstler am besten charakterisiert und man muss unweigerlich über die grundlegende Stille nachdenken, die so ein Museum prägen soll." Unweigerlich fällt da natürlich der Blick auf die Landkarte. Das Museum liegt wunderschön, aber direkt an der Autobahn. Hat Sie das denn nicht gestört?

Piano: Nein, ganz im Gegenteil, diese Idee hat mir von Anfang an sehr gut gefallen. Natürlich, das Museum ist ein Ort der Stille, da haben Sie Recht. Aber gerade in diesem scharfen Gegensatz zum Lärm der Autobahn entfaltet es seine besondere Wirkung. Es ist auch eine Art Zufluchtsstätte, wie es vielleicht früher die Kathedralen waren. Also eine Art Refugium der Kunst, aber nicht nur der bildenden Kunst, auch der Musik. Ich denke, es ist auch wirklich schön, dass das wirklich direkt am hektischen Lebensnerv gelegen ist, das heißt, dass man hier wirklich ganz klar diesen Gegensatz sieht, aber auch diese Zuflucht finden kann. Ich denke, das war wirklich der angemessene Ort. Der erste Teil des Museums, der direkt an der Autobahn liegt, ist ja auch durch eine dicke Glasmauer geschützt, das heißt, der Lärm dringt gar nicht durch. Das heißt, sobald man das Museum betritt ist man wirklich geschützt, man ist in einen anderen Raum eingetreten, man kann sich versenken in die Kunstwerke, man kann sich da mit seinen Freunden treffen, man kann Gesellschaft finden. Dann kommt man also in diesen innersten Bereich noch hinein, das ist dieser innerste Kunstbereich, der hier reserviert ist für die Kunstwerke selbst und der also diese innige Begegnung mit den Werken von Paul Klee selbst ermöglicht, völlig ungestört durch den umgebenden Lärm. Das Schweigen, die Stille ist etwas, was man gewinnen muss, was man anstreben muss. Aber noch schöner ist das natürlich, wenn das wirklich hart gegen diesen Lärm des Alltags gesetzt wird.

Heise: Ende der 70er Jahre hat der Architekt Renzo Piano zusammen mit seinem Kollegen Richard Rogers die französische Hauptstadt ja ziemlich verändert, ein spektakuläres Projekt. Nicht ganz so spektakulär oder sagen wir mal spektakulärer als das Projekt hier im Zentrum Paul Klee, ich spreche von Centre Pompidou in Paris. Das, wenn ich jetzt ganz ehrlich bin, von außen eher einer Raffinerie ähnelt als so einem klassischen Museumsbau, wie man sich den vorstellt. Das Paul-Klee-Zentrum sieht ja auch nicht so aus wie ein Museum im klassischen Sinne, sondern ist eher so eine dreiteilige Riesenwelle in die Landschaft gebaut, ich würde sagen wie ein Hangar. Sie sind immer für Überraschungen gut, aber woran erkennt man denn nun ihre Bauten? Haben Sie ein Markenzeichen?

Piano: Naja, ich halte es für gefährlich, wenn der Architekt sich selbst mehr auszudrücken versucht als die Identität eines Werkes zu prägen. Natürlich: Man versucht irgendwie seinen Stil zu gewinnen. Aber entscheidend und ganz wichtig ist doch die Identität des Projektes. Was Sie da ansprechen, das Centre Pompidou in Paris, das war nun mal ein Akt der Auflehnung gegen die traditionelle Museumsarchitektur, das ist ganz richtig. Aber es ging mir hier nicht um mich selbst, um meine Privatidentität, sondern es ging mir darum, ein Zeichen zu setzen. Etwas in dieser Umgebung zu schaffen, was im ganz bewussten Gegensatz zu dem historisch gewachsenen Stadtkern von Paris steht, während wir in Neukaledonien auf einer Insel sind, wo ich ganz anders herangehen musste. Es geht mir nicht darum, mich selbst zu verwirklichen, sondern in dem gegebenen Umfeld, mit der gegebenen Zwecksetzung etwas Bestimmtes auszusagen. In Bern ist wieder etwas ganz Anderes vorgegeben, auch hier habe ich versucht, für diese bestimmte Umgebung ein Zeichen zu setzen. Ich gebe mir nicht Mühe, immer etwas Anderes hinzuklotzen oder zu -setzen, nein, ich schaue mir an, worum geht es, wohin setze ich mein Projekt hinein, was sind die Zielsetzungen. Natürlich muss ich auch bestimmte Vorgaben berücksichtigen, aber es geht mir nicht darum, ein Markenzeichen zu schaffen.

Heise: Es geht Ihnen doch darum, global zu bauen. Würden Sie sagen, dass sie ein globaler Baumeister sind? Immerhin, Ihr Büro Renzo Piano Building Workshop baut ja überall auf der Welt. Sie haben es angedeutet, in Neukaledonien, Sie haben hier in Berlin auch am Potsdamer Platz gebaut. Sind Sie ein globaler Baumeister?

Piano: Nun ja, ein globaler Baumeister? Da habe ich Schwierigkeiten. Vielleicht schon, ich würde sagen, die Architektur ist ja nun mal eine weltumspannende Kunst, aber sie ist immer lokal verortet, das heißt, ja, man kommt von auswärts, man versucht seine Ideen mitzubringen, aber es ist dann die Aufgabe des Architekten, sich einzustellen auf die örtlichen Gegebenheiten, ob das nun etwas in Houston ist oder die Maison irgendwo in Frankreich. Jedes Projekt, das ich baue, ist lokal geprägt, also "local". Aber zur gleichen Zeit ist es auch global anzusehen, das heißt, ich würde mich nicht als global im universalen Sinne sehen, sondern als global in diesem lokal ausgeprägten Sinne. Paul Klee, der dieses alles vereinigt hat, Musik, bildende Kunst, Schriften, das alles sind doch Aspekte dieser globalen Ausrichtung. In diesem Sinne habe ich hier durchaus etwas Globales geschaffen. Ich würde sagen, der Architekt ist zugleich global und auch lokal.
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