"Ein Reichsparteitag der Superhelden"
Nach den letzten Multimillionen-Flops müsse Disney mit "The Avengers" dringend wieder einen Erfolg landen, sagt Filmexperte Rolf Giesen über den Film, der nun in deutschen Kinos eingelaufen ist. Wirklich Innovatives biete das Superhelden-Konglomerat allerdings nicht.
Dieter Kassel: Bei mir im Studio begrüße ich jetzt den Horror-, Fantasy- und Animationsfilmexperten Rolf Giesen, schönen guten Tag, Herr Giesen!
Rolf Giesen: Hallo, schönen guten Tag!
Kassel: Da hieß es nun, wenn ich es mal vereinfachen darf, was der Kollege gerade gesagt hat: Aus dem Problem wurde da die Masche gestrickt. Deshalb will ich auf das Problem mal zunächst eingehen. Sechs Superhelden - oder mehr, je nachdem wie man es zählen will – in einem Film. Funktioniert das überhaupt vom Prinzip her? Eigentlich ist ein Superheld doch auch dieser einsam Gestalt, leicht missverstanden von der Welt, die mit anderen nichts zu tun haben will.
Giesen: Es geht natürlich heute auch um Teamplayer. Ich probiere wenn ich so einen Film sehe immer über den Zeitgeist nachzudenken. An sich ist das ja höherer Blödsinn, diese Fantasy. Aber es scheint etwas dahinter zu stecken. Es ist auch System. Es wird ja eine Gruppe rekrutiert, eine Spezialeinheit, die durchaus militärisch organisiert ist und da müssen sich die Egos eben fügen. Man darf auch nicht vergessen, dass ursprünglich diese Serie im Comic-Bereich zur Zeiten des Vietnamkriegs kreiert wurde, nämlich 1963. damals haben die alten Helden abgesagt, die alten Superhelden wie Supermann und so weiter. Es ging nicht mehr. Die waren zu übertrieben. Und man hat versucht, Helden mit menschlichen Schwächen zu schaffen. Das hat man hier weiter ausgebaut. Aber die Teamfähigkeit, die militärische Teamfähigkeit, ist hier das entscheidende. Und letztendlich ist es, ich würde sagen, ein Reichsparteitag der Superhelden.
Kassel: Interessant ist eigentlich schon der Titel und mit dem wird auch bei einer Textzeile gespielt. "The Avengers" heißt ja eigentlich "die Rächer". Nun haben wir aber dieses Bild: der Superheld rettet die Welt. Es gibt aber diese Zeile in diesem Film "Wenn wir die Welt schon nicht retten können, dann müssen wir sie rächen." Sagt das etwas über unsere Zeit, dass es diesen naiven Glauben, die Welt wird immer noch gerettet, da wörtlich nicht mehr gibt?
Giesen: Das ist einfach der Name der Gruppe. Aber die Weltenretter sind da und sie kämpfen gegen das Imaginäre. Man konnte leider nicht Herrn Ahmadinedschad bemühen oder ähnliche. Man musste aus der nordischen Mythologie klauen und hat als Gegner den Loki gefunden, eine nordische Gottheit. Und plötzlich kämpfen amerikanische Superhelden, Captain America oder wer auch immer, kämpft gegen die nordische Mythologie. Ich habe ein interessantes Experiment gemacht, ich habe mir gleich im Anschluss an diesen Film, den ich etwas vorher gesehen habe, den "Iron Sky" angesehen. Da geht es um Nazis, die hinter dem Mond leben und die Erde wieder für sich zurückerobern wollen. Und alles ging irgendwie ineinander auf. Also irgendwie schien mir das so eine Suppe zu sein oder eine Kost, die durch den Fleischwolf gedreht wurde. Alles passte auf einmal irgendwie zusammen. Beide Filme wirkten wie gesagt wie aus einem Guss.
Kassel: Was mich natürlich überrascht, weil, ich habe die Zahlen jetzt nicht parat, aber ein sehr großer Unterschied zwischen diesen beiden Filmen dürfte alleine schon das Budget sein.
Giesen: Das ist natürlich richtig. Bei dem einem ist es ein Multimillionen- und das andere ist ein immer noch teuerer, aber doch vergleichsweise Low-Budget-Actionthriller. Aber es zeigt natürlich, was man mit den heutigen technologischen Mitteln machen kann. Und dass die Bilder doch irgendwie immer ähnlich sind, auch wenn die Ansprüche sehr unterschiedlich sind. Aber die Bilder sind ähnlich und zum Schluss fügt sich alles zu einem großen Computerspiel in den Köpfen zusammen. Also man hat, ein Autor nannte das Mal "Chip im Kopf" und so ungefähr kommt es auch daher.
Kassel: Ich habe es ja schon angekündigt - es stellt sich natürlich die Frage: Ist mehr besser. Wir wissen aus der Welt, manchmal ja, manchmal nicht. Bei Superhelden sind sechs oder meinetwegen zehn besser als einer für so einen Film?
Giesen: Aus meiner Erfahrung der 1940er-Jahre, Zweiter Weltkrieg, hat man versucht, alle Universal-Monster zu vereinen. Frankenstein, Dracula, den Wolfsmenschen und so weiter. Da wusste man, jetzt geht es langsam zu Ende. Also wenn man probiert, diese Kombinationen zu machen, dann holt man zum letzten Schlag aus und versucht noch einmal, so viel wie möglich einzuspielen. Disney hat einen hohen Preis für Marvel bezahlt. Marvel war gar nicht mehr vier Milliarden Dollar wert, meiner Meinung. Aber nun setzt man eine Menge drauf – Disney geht es nicht gut nach den letzten Filmen "Mars Needs Mom" oder "John Carter", das waren Multimillionen-Flops – dieser Film muss es bringen, aber es ist nichts wirklich Innovatives in dem Film. Es ist das, was alle erwarten. Mit einer Ausnahme: Eine kurze Sequenz in der Loki auftritt, spielt in Stuttgart.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Das vollständige Gespräch mit Rolf Giesen können Sie bis mindestens 26. September als MP3-Audio in unserem Audio-On-Demand-Player nachhören.
Rolf Giesen: Hallo, schönen guten Tag!
Kassel: Da hieß es nun, wenn ich es mal vereinfachen darf, was der Kollege gerade gesagt hat: Aus dem Problem wurde da die Masche gestrickt. Deshalb will ich auf das Problem mal zunächst eingehen. Sechs Superhelden - oder mehr, je nachdem wie man es zählen will – in einem Film. Funktioniert das überhaupt vom Prinzip her? Eigentlich ist ein Superheld doch auch dieser einsam Gestalt, leicht missverstanden von der Welt, die mit anderen nichts zu tun haben will.
Giesen: Es geht natürlich heute auch um Teamplayer. Ich probiere wenn ich so einen Film sehe immer über den Zeitgeist nachzudenken. An sich ist das ja höherer Blödsinn, diese Fantasy. Aber es scheint etwas dahinter zu stecken. Es ist auch System. Es wird ja eine Gruppe rekrutiert, eine Spezialeinheit, die durchaus militärisch organisiert ist und da müssen sich die Egos eben fügen. Man darf auch nicht vergessen, dass ursprünglich diese Serie im Comic-Bereich zur Zeiten des Vietnamkriegs kreiert wurde, nämlich 1963. damals haben die alten Helden abgesagt, die alten Superhelden wie Supermann und so weiter. Es ging nicht mehr. Die waren zu übertrieben. Und man hat versucht, Helden mit menschlichen Schwächen zu schaffen. Das hat man hier weiter ausgebaut. Aber die Teamfähigkeit, die militärische Teamfähigkeit, ist hier das entscheidende. Und letztendlich ist es, ich würde sagen, ein Reichsparteitag der Superhelden.
Kassel: Interessant ist eigentlich schon der Titel und mit dem wird auch bei einer Textzeile gespielt. "The Avengers" heißt ja eigentlich "die Rächer". Nun haben wir aber dieses Bild: der Superheld rettet die Welt. Es gibt aber diese Zeile in diesem Film "Wenn wir die Welt schon nicht retten können, dann müssen wir sie rächen." Sagt das etwas über unsere Zeit, dass es diesen naiven Glauben, die Welt wird immer noch gerettet, da wörtlich nicht mehr gibt?
Giesen: Das ist einfach der Name der Gruppe. Aber die Weltenretter sind da und sie kämpfen gegen das Imaginäre. Man konnte leider nicht Herrn Ahmadinedschad bemühen oder ähnliche. Man musste aus der nordischen Mythologie klauen und hat als Gegner den Loki gefunden, eine nordische Gottheit. Und plötzlich kämpfen amerikanische Superhelden, Captain America oder wer auch immer, kämpft gegen die nordische Mythologie. Ich habe ein interessantes Experiment gemacht, ich habe mir gleich im Anschluss an diesen Film, den ich etwas vorher gesehen habe, den "Iron Sky" angesehen. Da geht es um Nazis, die hinter dem Mond leben und die Erde wieder für sich zurückerobern wollen. Und alles ging irgendwie ineinander auf. Also irgendwie schien mir das so eine Suppe zu sein oder eine Kost, die durch den Fleischwolf gedreht wurde. Alles passte auf einmal irgendwie zusammen. Beide Filme wirkten wie gesagt wie aus einem Guss.
Kassel: Was mich natürlich überrascht, weil, ich habe die Zahlen jetzt nicht parat, aber ein sehr großer Unterschied zwischen diesen beiden Filmen dürfte alleine schon das Budget sein.
Giesen: Das ist natürlich richtig. Bei dem einem ist es ein Multimillionen- und das andere ist ein immer noch teuerer, aber doch vergleichsweise Low-Budget-Actionthriller. Aber es zeigt natürlich, was man mit den heutigen technologischen Mitteln machen kann. Und dass die Bilder doch irgendwie immer ähnlich sind, auch wenn die Ansprüche sehr unterschiedlich sind. Aber die Bilder sind ähnlich und zum Schluss fügt sich alles zu einem großen Computerspiel in den Köpfen zusammen. Also man hat, ein Autor nannte das Mal "Chip im Kopf" und so ungefähr kommt es auch daher.
Kassel: Ich habe es ja schon angekündigt - es stellt sich natürlich die Frage: Ist mehr besser. Wir wissen aus der Welt, manchmal ja, manchmal nicht. Bei Superhelden sind sechs oder meinetwegen zehn besser als einer für so einen Film?
Giesen: Aus meiner Erfahrung der 1940er-Jahre, Zweiter Weltkrieg, hat man versucht, alle Universal-Monster zu vereinen. Frankenstein, Dracula, den Wolfsmenschen und so weiter. Da wusste man, jetzt geht es langsam zu Ende. Also wenn man probiert, diese Kombinationen zu machen, dann holt man zum letzten Schlag aus und versucht noch einmal, so viel wie möglich einzuspielen. Disney hat einen hohen Preis für Marvel bezahlt. Marvel war gar nicht mehr vier Milliarden Dollar wert, meiner Meinung. Aber nun setzt man eine Menge drauf – Disney geht es nicht gut nach den letzten Filmen "Mars Needs Mom" oder "John Carter", das waren Multimillionen-Flops – dieser Film muss es bringen, aber es ist nichts wirklich Innovatives in dem Film. Es ist das, was alle erwarten. Mit einer Ausnahme: Eine kurze Sequenz in der Loki auftritt, spielt in Stuttgart.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Das vollständige Gespräch mit Rolf Giesen können Sie bis mindestens 26. September als MP3-Audio in unserem Audio-On-Demand-Player nachhören.