Ein Rundgang mit Lynch

Von Kathrin Hondl |
Momentaufnahmen, Stillleben, Portraits - Highlights der zeitgenössischen Fotografie zeigt die internationale Messe "Paris Photo" in diesen Tagen. Das Besondere der aktuellen Schau: ein schillernder Kurator und ein eleganter Veranstaltungsort.
Der Charme des alten Paris verhilft dem französischen Kunstmarkt zu neuer Strahlkraft. Das gilt für die Kunstmesse FIAC genauso wie für die Fotokunstmesse "Paris Photo". Wie die FIAC setzt "Paris Photo" seit dem vergangen Jahr auf einen schicken Veranstaltungsort - den schicksten in Paris: das Grand Palais. Die Besucherzahlen stiegen prompt um mehr als ein Drittel - 51 000 waren es 2011 -, ein Erfolg für Julien Frydman, der als neuer künstlerischer Leiter von "Paris Photo" für den Umzug ins Grand Palais verantwortlich ist.

"Letztes Jahr war ein guter Anfang, und schon jetzt, vor dem eigentlichen Messe-Beginn, beobachten wir, dass noch mehr Leute kommen. Manche Sammler haben schon gekauft, und die Qualität der angebotenen Werke ist phänomenal. Man spürt, dass die Galeristen ermutigt vom Erfolg des letzten Jahres sehr schöne Arbeiten ausgesucht haben für Paris Photo."

Die Galeristen stöhnen zwar etwas über die extrem teuren Standmieten im Grand Palais -und nebenbei bemerkt auch über die winterliche Kälte in der riesigen Halle, wo die Heizlüfter außer Rauschen wenig ausrichten -, "aber es lohnt sich", sagt Blanca Bernheimer von der Münchner Galerie Bernheimer Fine Art Photography:

"Ich denke, es stellt diese Messe auf ein ganz anderes Niveau, weil eben das Grand Palais auch gerade von amerikanischen Augen als der Messestandort in Paris gilt. Und man merkt das auch: Die großen amerikanischen Galerien, die jetzt hier dabei sind, die eben früher im Carroussel du Louvre nie ausgestellt haben, zum Beispiel dieses Jahr neu dazu gekommen: David Zwirner. Das sind natürlich ganz große amerikanische Namen, die jetzt hier vertreten sind. Und das ist für uns wichtig.""

Mit einem anderen großen amerikanischen Namen wirbt "Paris Photo" auf großen Transparenten schon vor dem Eingang zum Grand Palais: David Lynch. Der Filmregisseur und Künstler durfte im Angebot der Galerien seine Lieblingsfotografien auswählen. Die Bilder sind mit schwarzen Schildchen markiert, sodass man also auf einem von David Lynch kuratierten Parcours von Stand zu Stand gehen kann. Die Idee dazu kam Messechef Frydman, als er im letzten Jahr mit David Lynch über die Messe spazierte:

"Wir haben die Werke zusammen angeschaut, und mir fiel auf, dass ich Bilder, die ich kannte, ganz anders wahrnahm - und zwar allein, weil er stehen blieb und sie betrachtete. Ich projizierte seinen Blick in die Fotografien - man kennt ja dieses eigenartige Lynch-Universum. Und ich dachte mir, diese Erfahrung sollten auch andere Besucher machen, deshalb habe ich ihn um eine Auswahl seiner Lieblingsbilder gebeten."

Die Bilderauswahl von David Lynch zeigt erwartungsgemäß - um es mit einem Zitat aus seinem Film "Blue Velvet" zu sagen - "eine fremde und seltsame Welt": Szenen aus Sergej Eisensteins Film "Oktober", Aufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg, wo die Royal Air Force deutsche Schiffe bombardiert, eine graue Motorhaube in Los Angeles, fotografiert von Louis Heilbronn, einem jungen amerikanischen Künstler, von dem Amsterdamer Fotografen Arno Nollen die Rückenansicht einer Frau mit Bademütze, ein Schwarz-Weiss-Frauenakt von Robert Mapplethorpe, Farbaufnahmen amerikanischer Vorstadtsiedlungen und Interieurs oder das Porträt einer Mutter mit Baby im tschetschenischen Grozny.

Insgesamt 99 sehr unterschiedliche Bilder hat David Lynch da bei den Galerien ausgesucht. Weil sie überall verstreut hängen, wird der Messerundgang allerdings nur sehr bedingt zu einem Ausflug in die aus den Filmen bekannte "fremde und seltsame" Lynch-Welt.

Besser funktioniert das beim Durchblättern des Fotobuchs mit der Lynch-Auswahl, das zur Messe im Steidl-Verlag erschienen ist und zusätzlich zum üblichen Katalog verkauft wird. Schließlich geht es bei "Paris Photo" selbstverständlich in allererster Linie ums Geschäft. Und das scheint, so erzählen es mehrere Galeristen, schon vor der offiziellen Eröffnung der Messe ganz gut anzulaufen. So auch Blanca Bernheimer, die unter anderem mit Fotografien von Robert Mapplethorpe, Horst P Horst oder Irving Penn in Paris präsent ist:

"Wir haben schon erste Verkäufe machen können. Was sehr schön ist, wenn in den ersten Stunden schon 'was verkauft ist. Von daher haben wir ein gutes Gefühl. Ich denke, dass dadurch, dass dieses Jahr ein extrem internationales Publikum da ist, sich dies für die europäischen Galerien bewähren wird, weil wir natürlich auch Sachen zeigen können, die auf dem amerikanischen Markt nicht so präsent sind."

Und weil der amerikanische Markt für Fotokunst so interessant ist, expandiert die Pariser Fotokunstmesse jetzt in Richtung USA. Nächstes Frühjahr wird "Paris Photo" auch in Los Angeles eine Messe veranstalten. Und auch dort hat sich Messechef Frydman schon einen mythischen Ort ausgesucht - vom Grand Palais wird man im März in die Paramount-Filmstudios nach Hollywood ziehen - vom Charme des alten Paris zum Glamour Hollywoods.

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Hauptstadt der Fotografie - "Paris Photo" zieht Besucher aus aller Welt an
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