Verdis Netflix-Deal
Am Set von "Munich: The Edge of War" gibt Regisseur Christian Schwochow dem Hauptdarsteller Jeremy Irons Anweisungen. © picture alliance / Everett Collection / Netflix
Schlechte Nachrichten für Regisseure?
06:03 Minuten
Die Gewerkschaft Verdi hat mit dem Streaminganbieter Mindeststandards für Serienproduktionen festgelegt. Ein wichtiger Teil der Produktionen fühlt sich dabei aber hintergangen: die Regisseure. Ihnen geht die Vereinbarung nicht weit genug.
Die Gewerkschaft Verdi hat mit dem Streaminganbieter Netflix Vereinbarungen getroffen über Vergütungen bei Serienproduktionen. Die setzt zwar einerseits gewisse Mindeststandards fest und Mindestlöhne, andererseits fühlt sich ein wichtiger Teil der Produktion hintergangen: die Regisseure.
Deren Branchenverband BVR (Bundesverband Regie) hatte zuvor mit Netflix verhandelt und die Verhandlungen abgebrochen - und ist nun einigermaßen verärgert über den Deal zwischen Verdi und Netflix. Es sei zumindest nicht ganz klar, ob Verdi überhaupt die Regisseure vertrete, sagt der Dokumentarfilmer Axel Schill:
„Die Frage ist, wie gut man sich von Verdi und wie gut man sich vom BVR vertreten fühlt. Und dann steht natürlich immer die Frage im Raum, ob Verdi jetzt wirklich die Regisseure repräsentiert. Da ist Verdi nicht so transparent. Niemand weiß, wie viele Regisseure wirklich bei Verdi sind.“
Als Reaktion auf den Abschluss zwischen Verdi und Netflix sagte der Regisseur Christian Schwochow ("Je suis Karl", "Bad Banks"):
„Wenn Du einen Produzenten in Deutschland fragst, wird er Dir immer sagen, er kann fast gar nicht mehr Filme richtig machen, weil die Gewerke sich so stark organisiert haben und so teuer geworden sind. Gleichzeitig ist es bei uns Regisseuren und Regisseurinnen so, dass sich die Gagen nicht deutlich verbessert haben in den letzten Jahren. Verdi hat gerade versucht, für viele Gewerke Rahmenbedingungen zu schaffen, und wir Regisseure und Regisseurinnen haben das Gefühl, dass Verdi einfach nicht so richtig zuständig für uns ist und unsere Interessenvertretung, den Regieverband, außen vor lässt. Dieser hat versucht, mit Netflix eine Vereinbarung zu schaffen und irgendwie das Grundsätzliche einmal festzustellen: Was ist die Arbeit eigentlich wert?“
Filmproduktion in Deutschland ist unterfinanziert
Ein Billiglohnland der Filmindustrie, wie der BVR jetzt behauptet, ist Deutschland gleichwohl nicht. Nicht umsonst gehen große Hollywoodproduktionen und auch deutsche Produktionen gerne nach Prag, Budapest oder Rumänien. Vor dem Krieg war auch die Ukraine als Produktionsstandort beliebt.
Dennoch: Die Filmproduktion in Deutschland ist unterfinanziert, die Arbeitszeiten viel zu lang. Ein Standardarbeitsvertrag von Filmschaffenden sieht 50 Arbeitsstunden pro Woche vor, hinzu kommen noch Überstunden. Das Signal, das von der Vereinbarung zwischen Verdi und Netflix ausgeht, weist daher aus Sicht von Christian Schochow in die falsche Richtung:
„In Deutschland sind zu viele Projekte unterfinanziert und werden auf Kosten der Teams gemacht. Ich habe das Gefühl, Netflix ist da ganz glücklich, sich diesem Standard anzupassen, anstatt ihn zu verbessern. Diese Vereinbarung Verdi geht ein bisschen in diese Richtung, dass sie sich absichern: Was ist das Mindeste, was wir zahlen müssen? Ich muss sagen, für so einen großen Player ist das eher ein trauriges Signal. Es ist kein Signal im Sinne von: Wir kommen hierher und machen Dinge besser und angenehmer.“
Die Qualität leidet
Dass Deutschland als Filmland international bestenfalls in der zweiten Liga spielt, liegt auch an den Produktionsbedingungen, da weniger Zeit für Vorbereitung und weniger Sorgfalt vorliegt.
Frankreich zum Beispiel gibt viel mehr Geld aus für Serien und Filme. Die Gewerkschaften sind dort stärker, einzelne Filme werden dort auch länger gedreht. Christian Schwochow dreht demnächst in England Folgen für "The Crown"und hat für eine Folge á 50 Minuten 25 Drehtage. In Deutschland bei "Bad Banks" hatte er zwölf Drehtage pro Folge und auch bei der Prestigeproduktion "Babylon Berlin" gab es nicht mehr Drehtage pro Folge.
Darunter leiden die Teams und letztendlich die Qualität der Produktionen. Doch leider fehlt es an Solidarität innerhalb der Branche, meint Axel Schill:
„Wir Filmschaffende sind halt schwach, weil wir uns selber nicht dazu durchringen können, zu streiken und Druck aufzubauen. Der Druck, den wir aufbauen können, ist leider primär nur durch einen Streik effektiv. Und das ist bei uns scheinbar nicht möglich. Dadurch sind wir Filmschaffende zumindest – und da kann man die Regisseure mit einbeziehen – immer Spielball von diesen Institutionen oder diesen Vereinigungen.“