Ein schmales, aber bedeutendes Werk

Von Eva Pfister |
Die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath wurde nach ihrem Tod durch ihren Gedichtband "Ariel" und den Roman "Die Glasglocke" zu einer Ikone der Frauenbewegung. Ihr Tagebücher zeigen eine Künstlerin, die verschiedenen Rollenbildern entsprechen wollte. Am 11. Februar 1963 nahm sich Plath im Alter von 30 Jahren das Leben.
Die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath wurde nach ihrem Tod durch ihren Gedichtband "Ariel" und dem Roman "Die Glasglocke" zu einer Ikone der Frauenbewegung. Ihr Tagebücher zeigen, eine Künstlerin, die den unterschiedlichsten Rollenbildern entsprechen wollte. Am 11. Februar 1963 nahm sich Plath im Alter von 30 Jahren das Leben.

Am 11. Februar 1963 nahm Sylvia Plath eine Überdosis Schlaftabletten und drehte in der Küche den Gasherd auf. Es war der dritte Selbstmordversuch der 30-Jährigen, aber dieses Mal verlor "Lady Lazarus", wie Plath ihr lyrisches Ich in einem Gedicht nennt, ihr Leben.

"Dying
Is an art, like everything else.
I do it exceptionally well.
I do it so it feels like hell
I do it so it feels real.
I guess you could say I’ve a call.

Sterben
Ist eine Kunst, wie alles.
Ich kann es besonders schön.
Ich kann es so, dass es die Hölle ist, es zu sehn.
Ich kann es so, dass man wirklich fühlt, es ist echt.
Sie können, glaube ich, sagen, ich bin berufen zu diesem Ziele."


Sylvia Plath wurde am 27. Oktober 1932 in Jamaica Plain bei Boston geboren. Als sie acht Jahre alt war, starb ihr Vater. Danach trieb die Mutter Sylvia und ihren Bruder zu Höchstleistungen an, denn es galt, den sozialen Abstieg zu vermeiden. Die ausgezeichnete Schülerin erhielt ein Stipendium für das renommierte Smith College und veröffentlichte Kurzgeschichten in Mädchen- und Frauenzeitschriften. 1953 gewann sie ein Praktikum in der Redaktion von "Mademoiselle" in New York.

Von dem hohen Erwartungsdruck, unter dem die 20-Jährige stand, gibt auch der autobiografische Roman "Die Glasglocke" Auskunft.

"Ich wusste, irgend etwas stimmte in diesem Sommer nicht mit
mir, denn andauernd musste ich an die Rosenbergs denken
und daran, wie dumm es von mir gewesen war, all die unbequemen,
teuren Kleider zu kaufen, die jetzt wie schlaffe Fische in
meinem Schrank hingen, und daran, wie all die kleinen Erfolge,
die ich auf dem College eingeheimst hatte, an den Marmor- und
Spiegelglasfassaden der Madison Avenue abprallten und
zerstoben.
Angeblich erlebte ich gerade die schönste Zeit meines Lebens."


Brillant spießt Sylvia Plath den Zeitgeist auf. Wie nebenbei erinnert sie an das Schicksal des Ehepaars Rosenberg, das wegen Spionage auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde, und entlarvt vor diesem düsteren Hintergrund das glitzernde Milieu der Frauenzeitschriften mit Partys, Modenschauen und Foto-Shootings in seiner ganzen Oberflächlichkeit. Die Heldin des Romans Esther Greenwood flieht aus diesem Umfeld zurück in die Provinz, aber dort droht ihr das Leben einer amerikanischen Ehefrau der 50er-Jahre, von dem sie befürchtet,

"dass es vielleicht wahr sei,
dass Heiraten und Kinderkriegen wie eine Gehirnwäsche war
und dass man nachher nur noch benebelt herumlief, wie ein
Sklave in einem totalitären Privatstaat."


Wie Esther Greenwood im Roman unternahm auch Sylvia Plath nach ihrer Rückkehr einen Selbstmordversuch und verbrachte mehrere Monate in der Psychiatrie. Danach nahm sie ihr Studium wieder auf und konnte es später dank eines Stipendiums im englischen Cambridge fortsetzen. Dort lernte sie den Lyriker Ted Hughes kennen, den sie im Sommer 1956 heiratete. Die beiden lebten abwechselnd in den USA und in England und bekamen zwei Kinder. Nach ihrem Freitod gab Ted Hughes die Werke seiner Ehefrau heraus, den Gedichtband "Ariel" und ihre Tagebücher, diese allerdings nicht ohne Zensur, wie die Schriftstellerin Ulla Hahn in einem Radioessay feststellte:

"Da schildert Sylvia Plath in ihren Aufzeichnungen, wie sie Ted Hughes kennen lernte, eine turbulente Begegnung auf einer Party, beide hatten mehr als genug getrunken. Dem Leser wird erlaubt zu erfahren, dass die Plath Hughes in die Wange biss. Weggestrichen ist, dass er ihr zuvor das Haarband und die Ohrringe vom Kopf gerissen hatte. Seine Aggression wird gestrichen. Die Plath hingegen steht da als Mänade im Collegelook."

Erst viel später wurden die Tagebücher vollständig veröffentlicht. Sie zeigen eine Künstlerin, die den unterschiedlichsten Rollenbildern entsprechen wollte, die in ihren Ansprüchen extrem und in ihrer Selbstkritik vernichtend war. Sylvia Plath hinterließ ein schmales, aber bedeutendes Werk, darunter einen faszinierenden Roman und ganz außergewöhnliche Gedichte.

"Der Mond ist keine Türe. Er ist ein Gesicht, sein eignes,
Weiß wie ein Knochen und ganz und gar aus der Fassung.
Er zieht das Meer nach wie ein dunkles Verbrechen; er schweigt
Mit dem O des offenen Mundes der tiefsten Verzweiflung. Hier wohn ich."
Mehr zum Thema