Ein schwieriger Heiliger

Rezensiert von Kirsten Dietrich |
Vor 450 Jahren starb Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens. Ein Mann persönlicher Extreme, ein kluger Stratege, wenn es um den Einfluss seines Ordens ging - und doch auch jemand, der dem einzelnen seinen Weg zu Gott weisen wollte. Zu seinem Todestag hat der Theologieprofessor Helmut Feld eine neue Biographie des "schwierigen Heiligen" vorgelegt.
Ignatius lebte vor 500 Jahren, an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit – bringt die Biographie von Helmut Feld den Heiligen aus dieser historischen Ferne näher?

Erstaunlicherweise ja, das ist größtes Verdienst dieser Biographie. Feld will untersuchen, was zeitbedingt ist im Wirken von Ignatius und was von bleibendem Wert ist. Deswegen nimmt er vor allem Selbstzeugnisse sehr ernst, ohne aber unkritisch zu sein. Feld ist katholischer Theologieprofessor und Zeit seines Lebens, das schreibt er gleich so im Vorwort, von jesuitischer Frömmigkeit und Bildung beeindruckt und geprägt. Aber er will weder eine verehrende Heiligenvita schreiben noch ein bloßes Psychogramm, und das funktioniert erstaunlich gut.

Ignatius von Loyola stammt aus spanischem Adel, lebte das Leben eines Ritters bei Hofe – bis er 1521 von einer Kanonenkugel buchstäblich aus seinem Luxusleben geschossen wurde. Er erduldete lange Krankenlager und alle Grausamkeiten mittelalterlicher Medizin – und brach dabei mit seinem alten Leben und fand neue Inbrunst für ein christliches.

Dabei immer wieder wegweisend: Visionen. Ignatius von Loyola hatte zeitlebens Visionen, denen er auch große Bedeutung bemaß. Die kann man natürlich psychologisch deuten, es gibt Biographien, die sich mit der Krankenakte Ignatius von Loyola befasse. Helmut Feld bezieht diese auch ein, wenn er Ignatius als einen Menschen mit tief gestörtem Frauenbild beschreibt, der sich nach wilder Jugend mit Schuldgefühlen quält, von denen auch Beichte und priesterlicher Beistand keine Erlösung bieten.

"Der moderne Mensch" fragt sich dann mit dem Autoren, ob die Visionen nicht darin ihre Wurzeln haben – der Kirchenhistoriker Feld weist dann immer darauf hin, dass das plausibel sein kann, aber das nicht das Potenzial der Visionen ausschöpft. Dass, wenn Ignatius zum Beispiel drei Orgeltasten erscheinen und er daraufhin in Verzückung über die Trinität gerät, dies im Rahmen des Weltbilds eines mittelalterlichen Menschen liegt.

Helmut Feld beschreibt Ignatius ganz bewusst im Rahmen wirkmächtiger Bilder, indem er seiner Biographie zwei echte Leitbilder mitgibt: ein Gemälde der Verkündigung an Maria, das in der Kapelle derer von Loyola hing – Ausdruck der lebenslangen Marienfrömmigkeit von Ignatius. Und dann die Wölfe aus dem Familienwappen, Symbol von Wehrhaftigkeit, aber auch von Hilflosigkeit des bekehrten Ritters unter den Wölfen der Welt.

Was von Ignatius überdauert hat, neben dem Orden der Jesuiten, sind seine Exerzitien, geistige Übungen, die zum Glauben führen sollen. Welche Rolle spielen die in der Biographie von Helmut Feld?

Feld versucht, zu beschreiben, was in den Meditationen vor sich geht – ein schwieriges Unterfangen, letztlich geht es um Glaubenserfahrungen, es ist nicht einfach, sich denen in einer Sprache zu nähern, die nüchtern bleibt und nicht selbst meditativ wird. Es gelingt ganz gut dadurch, dass der Autor eben erst einmal darstellt, was für ein Mensch es ist, der mit den Exerzitien seinen Weg zu Gottesnähe beschreibt.

Dann ist zum Beispiel klar, dass hier ein Glaubenskämpfer und stolzer Adliger schreibt – und es deswegen nicht um passives Geschehenlassen geht, sondern um ein aktives Annähern an Gott. Durch genaues Hinhören auf seelische Stimmungen, aber auch durch verstandesmäßiges Begreifen. "Unterscheiden der Geister" nennt Feld diese scharfe Geistestätigkeit, die Ignatius immer wieder auch zu überraschenden Schlüssen bezüglich seines Glaubenslebens führt.

Natürlich muss man im Endeffekt wahrscheinlich die Exerzitien selber durchleben, um sie verstehen zu können. Aber diese eigentümliche Mischung aus intensivem Glaubensleben und Intellektualität, die ja sehr typisch für die Jesuiten ist, steht sehr plastisch vor Augen.

Geht das Buch über die Person des Ignatius von Loyola hinaus?

Ausführlich im Schlussdrittel – in dem er einerseits Biographien ausgewählter Jesuiten vorstellt, andererseits die Entwicklung des Ordens behandelt, mit Licht- und Schattenseiten. So wird zum Beispiel sehr deutlich, wie professionell die Jesuiten ihren Einfluss ausbauten und anwandten, den sie in einer ihrer Hauptrollen als einflussreiche Beichtväter an den adligen Höfen Europas ausübten. Dem gegenüber stellt Helmut Feld die ursprüngliche Absicht der Exerzitien des Ignatius, die eben nicht auf eine Sondermoral für ehrgeizige Beichtväter zielten, sondern auf eine Erforschung der Seele auf dem Weg zu Gott.

Ein Lesenswertes Buch?

Unbedingt. Sehr benutzerfreundlich, mit mehreren Registern, dazu noch ausführlicher Literaturliste und Fußnoten auch für den wissenschaftlichen Gebrauch. Eine zwar durchaus anspruchsvolle Lektüre, trotz der Absicht des Autors, eine essayistische, allgemeinverständliche Sprache zu verwenden. Aber: man kommt einer zwiespältigen und faszinierenden Persönlichkeit näher, für die man es sich wahrscheinlich nicht zu leicht machen darf.

Helmut Feld: Ignatius von Loyola. Gründer des Jesuitenordens
Böhlau Verlag 2006
483 Seiten, 29,90 Euro
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