"Ein Sieg für die Kunstfreiheit"
Der Künstler Jonathan Meese zeigt in der Öffentlichkeit den Hitlergruß, wird angezeigt - und nun vom Amtsgericht Kassel freigesprochen. Es ist ein "vernünftiges, sehr gutes Urteil für die Kunst", sagt Meese und sieht sich in seiner Arbeit bestätigt.
Das Plädoyer des Staatsanwalts – auf viele Zuschauer wirkte es kafkaesk. Eine Geldstrafe von 12.000 Euro hatte er gefordert, Meeses Lebensthema von der ideologiefreien "Diktatur der Kunst" in die Nähe von Nazi- Propaganda gerückt und die "mangelnden Einsicht" des Künstlers als strafverschärfend gewertet. Doch die junge Richterin folgte den Argumenten der Verteidigung. Freispruch. Vereinzelt Beifall im Publikum.
"Es ist offenbar ein ganz großes Thema, es hat auch mit einer nicht abgeschlossenen Vergangenheitsbewältigung zu tun, und deswegen ist es in gewisser Weise ein Glücksfall quasi, auch wenn es absurd ist, dass so was verhandelt wird, weil man sagt, wie kann man denn jemanden, der das als Künstler macht oder auch im Theater in Mannheim, dafür vor Gericht stellen, finde ich’s aber richtig, weil sich darin nämlich etwas zeigt, also daran zeigt sich nach wie vor ein Diskursbedarf."
Meese atmet auf und setzt eine goldfarbene verspiegelte Sonnenbrille auf.
"Das ist die Brille des Sieges. Die habe ich extra deshalb mitgenommen."
Der 43-Jährige, bis dahin angespannt, kann wieder lachen. Kein Maulkorb, kein Arbeitsverbot, wie er zeitweise befürchtet hatte.
"Jetzt kann ich wieder arbeiten, es ist ein vernünftiges, sehr gutes Urteil für die Kunst, ein deutsches Amtsgericht sagt, ‚Jonathan Meese ist Kunst‘, so interpretier’ ich das. Jonathan Meese ist Kunst und darf das machen, was er macht. Und auch befeuert, ‚mach weiter, mach es einfach‘. Jetzt bin ich befreit, jetzt kann ich frei aufspielen. Ich bin in der Ideologielosigkeit ‚Diktatur der Kunst‘ zu Hause, und da will ich nicht mehr gestört werden. Ich will nicht für realpolitische Zwecke instrumentalisiert werden, von niemandem."
Spielen will er, alle und alles zum Narren halten, selbst Narr sein: Nicht als brauner Propagandist habe er im vergangenen Jahr beim Forum des Nachrichtenmagazins "Spiegel" den Hitlergruß gezeigt, das hat nun auch das Amtsgericht anerkannt. Sondern als Provokateur, als Kunstfigur in bekannter Mission, mit Sonnenbrille, schwarzer Adidas-Trainingsjacke, mit Wallehaar und Gebrüll. Die Verteidigerin Heide Sandkuhl hält fest:
"Kein Teilnehmer dieser Veranstaltung, insbesondere nicht die beiden Spiegel-Redakteurinnen, hatten nur den leisesten Verdacht, hier würde etwas in eine nationalsozialistische Richtung ausbrechen. Ganz im Gegenteil. Die Spiegel-Redakterinnen, haben – hier als Zeuginnen vernommen – unisono ausgesagt, das sei für sie Satire gewesen. Jeder wusste, Meese kommt und liefert seine Performance ab. Die Veranstaltung stand unter dem Titel ‚Größenwahn in der Kunst‘."
Dazu lieferte Meese kurz vor der documenta eine spektakuläre Persiflage, handelte sich damit allerdings eine anonyme Anzeige ein. Der ging die Staatsanwaltschaft nach. Nun aber hat die Kunstfreiheit gesiegt, meint die Verteidigerin:
"Das Urteil ist kein Freifahrtschein, bei jeder Gelegenheit den Hitlergruß zu zeigen. Das Urteil ist ein Sieg für die Kunstfreiheit, dergestalt, dass bestimmte Mittel, auch wenn sie verboten sind, für die künstlerische Darbietung eingesetzt werden dürfen, dergestalt, dass bewusst mit Tabubrüchen gearbeitet wird, um eine künstlerische Nachricht zu vermitteln."
Womit sich nicht jeder im Gerichtssaal anfreunden will. Verantwortungslos und fahrlässig geschichtsvergessen finden manche den Berufs-Provokateur.
"Kennen Sie den Begriff Verantwortung?"
Meese: "Verantwortung, ja."
"Kennen Sie den Begriff?"
Meese: "Ja, die Kunst trägt die totale Verantwortung, und wir müssen uns der Kunst überantworten."
"Sie tragen persönlich die Verantwortung!"
Meese: "Natürlich trage ich die Verantwortung, das ist auch richtig so."
"Sie tragen Verantwortung, und Sie müssen Historie studieren!"
Meese: "Ja, das mach’ ich auch!"
"Und Sie erinnern andere Leute an das Verbrechen!"
Meese: "Ja, das ist ja auch in Ordnung!"
Prozess und Diskussionen vorm Gerichtssaal haben Jonathan Meese erschöpft.
"Jetzt werde ich erstmal pennen, und zwar richtig lang. N paar Tage. Ich will jede Ideologie wegpennen. Diese ganze Realpolitik wegpennen."
Dann weiterarbeiten: am "Parsifal", den Meese 2016 für Bayreuth inszeniert.
"Es ist offenbar ein ganz großes Thema, es hat auch mit einer nicht abgeschlossenen Vergangenheitsbewältigung zu tun, und deswegen ist es in gewisser Weise ein Glücksfall quasi, auch wenn es absurd ist, dass so was verhandelt wird, weil man sagt, wie kann man denn jemanden, der das als Künstler macht oder auch im Theater in Mannheim, dafür vor Gericht stellen, finde ich’s aber richtig, weil sich darin nämlich etwas zeigt, also daran zeigt sich nach wie vor ein Diskursbedarf."
Meese atmet auf und setzt eine goldfarbene verspiegelte Sonnenbrille auf.
"Das ist die Brille des Sieges. Die habe ich extra deshalb mitgenommen."
Der 43-Jährige, bis dahin angespannt, kann wieder lachen. Kein Maulkorb, kein Arbeitsverbot, wie er zeitweise befürchtet hatte.
"Jetzt kann ich wieder arbeiten, es ist ein vernünftiges, sehr gutes Urteil für die Kunst, ein deutsches Amtsgericht sagt, ‚Jonathan Meese ist Kunst‘, so interpretier’ ich das. Jonathan Meese ist Kunst und darf das machen, was er macht. Und auch befeuert, ‚mach weiter, mach es einfach‘. Jetzt bin ich befreit, jetzt kann ich frei aufspielen. Ich bin in der Ideologielosigkeit ‚Diktatur der Kunst‘ zu Hause, und da will ich nicht mehr gestört werden. Ich will nicht für realpolitische Zwecke instrumentalisiert werden, von niemandem."
Spielen will er, alle und alles zum Narren halten, selbst Narr sein: Nicht als brauner Propagandist habe er im vergangenen Jahr beim Forum des Nachrichtenmagazins "Spiegel" den Hitlergruß gezeigt, das hat nun auch das Amtsgericht anerkannt. Sondern als Provokateur, als Kunstfigur in bekannter Mission, mit Sonnenbrille, schwarzer Adidas-Trainingsjacke, mit Wallehaar und Gebrüll. Die Verteidigerin Heide Sandkuhl hält fest:
"Kein Teilnehmer dieser Veranstaltung, insbesondere nicht die beiden Spiegel-Redakteurinnen, hatten nur den leisesten Verdacht, hier würde etwas in eine nationalsozialistische Richtung ausbrechen. Ganz im Gegenteil. Die Spiegel-Redakterinnen, haben – hier als Zeuginnen vernommen – unisono ausgesagt, das sei für sie Satire gewesen. Jeder wusste, Meese kommt und liefert seine Performance ab. Die Veranstaltung stand unter dem Titel ‚Größenwahn in der Kunst‘."
Dazu lieferte Meese kurz vor der documenta eine spektakuläre Persiflage, handelte sich damit allerdings eine anonyme Anzeige ein. Der ging die Staatsanwaltschaft nach. Nun aber hat die Kunstfreiheit gesiegt, meint die Verteidigerin:
"Das Urteil ist kein Freifahrtschein, bei jeder Gelegenheit den Hitlergruß zu zeigen. Das Urteil ist ein Sieg für die Kunstfreiheit, dergestalt, dass bestimmte Mittel, auch wenn sie verboten sind, für die künstlerische Darbietung eingesetzt werden dürfen, dergestalt, dass bewusst mit Tabubrüchen gearbeitet wird, um eine künstlerische Nachricht zu vermitteln."
Womit sich nicht jeder im Gerichtssaal anfreunden will. Verantwortungslos und fahrlässig geschichtsvergessen finden manche den Berufs-Provokateur.
"Kennen Sie den Begriff Verantwortung?"
Meese: "Verantwortung, ja."
"Kennen Sie den Begriff?"
Meese: "Ja, die Kunst trägt die totale Verantwortung, und wir müssen uns der Kunst überantworten."
"Sie tragen persönlich die Verantwortung!"
Meese: "Natürlich trage ich die Verantwortung, das ist auch richtig so."
"Sie tragen Verantwortung, und Sie müssen Historie studieren!"
Meese: "Ja, das mach’ ich auch!"
"Und Sie erinnern andere Leute an das Verbrechen!"
Meese: "Ja, das ist ja auch in Ordnung!"
Prozess und Diskussionen vorm Gerichtssaal haben Jonathan Meese erschöpft.
"Jetzt werde ich erstmal pennen, und zwar richtig lang. N paar Tage. Ich will jede Ideologie wegpennen. Diese ganze Realpolitik wegpennen."
Dann weiterarbeiten: am "Parsifal", den Meese 2016 für Bayreuth inszeniert.