Ein Sinnbild für Deutschlands Verhängnis
An den Stufen der Garnisonkirche in Potsdam gaben sich vor 80 Jahren Reichspräsident Paul von Hindenburg und der neue Reichskanzler Adolf Hitler die Hand. Nun soll das Gotteshaus wiederaufgebaut werden. Zunächst aber gehören einige unangenehme Wahrheiten auf den Tisch, meint der Historiker Winfried Sträter.
In Potsdam sind heute viele Bürger auf den Beinen. Weil vor 80 Jahren noch viel mehr auf den Beinen waren. Heute wollen sie ein Zeichen für Demokratie setzen - damals jubelten sie Hindenburg und Hitler zu.
80 Jahre sind vergangen, nie zuvor ist mit so vielen Veranstaltungen an jenen 21. März 1933, den "Tag von Potsdam", erinnert worden. Es ist, scheint´s, ein rätselhaftes Phänomen, dass diese Geschichte umso näher an uns heranrückt, je weiter sie sich entfernt.
Die kritische Auseinandersetzung prägt, hoffentlich, das historisch-politische Bewusstsein. Potsdam, die alte Residenz der preußischen Könige und Garnisonsstadt des preußischen Militärs, lebte in der Treue zur Monarchie. Ihr verdankten die Einwohner die baulichen Schönheiten der Stadt, die Schlösser und Parks.
Die Weimarer Republik war ein Störfall. Die Demokratie beseitigte den Glanz von Kaiser und Uniformen, sie weckte Sehnsucht nach der alten Ordnung - in Potsdam besonders stark, weil die Augen dieser Stadt auf die Schlösser und die Garnisonkirche gerichtet waren – die Monarchie und das Soldatentum.
Der "Tag von Potsdam", der 21. März 1933, war der Tag, an dem das Leiden an der neuen Zeit überwunden war, die Stadt noch einmal im alten Glanz erstrahlte.
Natürlich ist es gut, wenn heute viele Menschen in Potsdam auf den Beinen sind, um sich vom damaligen Geist abzusetzen. Und um genauer zu erfahren, welches Spiel eigentlich damals gespielt wurde: Der Volksverhetzer und Kriegstreiber Hitler, am Ende eines politischen Intrigenspiels zum Reichskanzler ernannt, war nicht der Monarch, von dem so viele geträumt hatten.
80 Jahre sind vergangen, nie zuvor ist mit so vielen Veranstaltungen an jenen 21. März 1933, den "Tag von Potsdam", erinnert worden. Es ist, scheint´s, ein rätselhaftes Phänomen, dass diese Geschichte umso näher an uns heranrückt, je weiter sie sich entfernt.
Die kritische Auseinandersetzung prägt, hoffentlich, das historisch-politische Bewusstsein. Potsdam, die alte Residenz der preußischen Könige und Garnisonsstadt des preußischen Militärs, lebte in der Treue zur Monarchie. Ihr verdankten die Einwohner die baulichen Schönheiten der Stadt, die Schlösser und Parks.
Die Weimarer Republik war ein Störfall. Die Demokratie beseitigte den Glanz von Kaiser und Uniformen, sie weckte Sehnsucht nach der alten Ordnung - in Potsdam besonders stark, weil die Augen dieser Stadt auf die Schlösser und die Garnisonkirche gerichtet waren – die Monarchie und das Soldatentum.
Der "Tag von Potsdam", der 21. März 1933, war der Tag, an dem das Leiden an der neuen Zeit überwunden war, die Stadt noch einmal im alten Glanz erstrahlte.
Natürlich ist es gut, wenn heute viele Menschen in Potsdam auf den Beinen sind, um sich vom damaligen Geist abzusetzen. Und um genauer zu erfahren, welches Spiel eigentlich damals gespielt wurde: Der Volksverhetzer und Kriegstreiber Hitler, am Ende eines politischen Intrigenspiels zum Reichskanzler ernannt, war nicht der Monarch, von dem so viele geträumt hatten.
Der Weg, der in den Krieg und nach Auschwitz führt
Er musste die Gefühle der Massen und der konservativen Eliten erobern. Dafür war Potsdam der ideale Ort und die Garnisonkirche die ideale Kulisse, der "Tag von Potsdam" die perfekte Inszenierung. Hindenburg, der gefühlte Kaiser, reicht Hitler die Hand und ebnet ihm den Weg, der in den Krieg und nach Auschwitz führt.
Nun soll die Garnisonkirche wiederaufgebaut werden. Gewiss: Dieses Bauwerk war eines der eindrucksvollsten Zeugnisse des preußischen Barock. Der Kirchturm prägte das historische Stadtbild. Wenn bald das alte Stadtschloss als Landtagsgebäude wiedererrichtet ist, fehlt als Pendant der Turm für die historische Kulisse.
Aber kann man einen Bau wieder errichten, der heute mehr denn je Sinnbild für das Verhängnis ist, das 1933 begann?
Die Garnisonkirche sei missbraucht worden, wird heute gern argumentiert. Schon weicht man wieder der Konfrontation mit der Geschichte aus: Die Kirche war ein Bauwerk des preußischen Militärs, dessen Intrigen am Ende der Weimarer Republik Hitler den Weg in die Reichskanzlei geebnet haben. Es ist überfällig, dass dies bei den Wiederaufbauplänen diskutiert wird, ohne der unangenehmen Wahrheit auszuweichen.
Das Ergebnis muss nicht der Verzicht auf Rekonstruktion sein. Aber - auf eine Rekonstruktion, die den historischen Bruch ignoriert. Es mag viel für den Wiederaufbau des stadtbildprägenden Turms sprechen – aber nur in einem architektonischen Kontext, der deutlich markiert, was durch den "Tag von Potsdam" möglich wurde.
Die Potsdamer Garnisonkirche ist nicht die Dresdner Frauenkirche. Aber Potsdam kann aus Dresden lernen: Das Militärhistorische Museum dort ist in einem altehrwürdigen Gebäude untergebracht, das zugleich den Bruch in der deutschen Geschichte sichtbar macht. Das ist der Anspruch, an dem die Wiederaufbaupläne für die Potsdamer Garnisonkirche gemessen werden müssen.
Winfried Sträter, Jahrgang 1957, ist Historiker und Redakteur im Deutschlandradio Kultur. Hat in Bochum und Münster Geschichte und Politikwissenschaft studiert, war verantwortlich für die Deutschlandradio-Hörbuch-Editionen "Geschichte zum Hören" und "Regime unter dem Hakenkreuz", Autor zahlreicher historischer Features (zuletzt: "Der 30. Januar 1933 – Anatomie eines Tages"). In Potsdam ist er als Lokalpolitiker (stellv. Ortsvorsteher im Ortsteil Groß Glienicke) und Lokalhistoriker aktiv (insbesondere zur DDR- und Mauergeschichte sowie zur lokalen jüdischen Geschichte).
Nun soll die Garnisonkirche wiederaufgebaut werden. Gewiss: Dieses Bauwerk war eines der eindrucksvollsten Zeugnisse des preußischen Barock. Der Kirchturm prägte das historische Stadtbild. Wenn bald das alte Stadtschloss als Landtagsgebäude wiedererrichtet ist, fehlt als Pendant der Turm für die historische Kulisse.
Aber kann man einen Bau wieder errichten, der heute mehr denn je Sinnbild für das Verhängnis ist, das 1933 begann?
Die Garnisonkirche sei missbraucht worden, wird heute gern argumentiert. Schon weicht man wieder der Konfrontation mit der Geschichte aus: Die Kirche war ein Bauwerk des preußischen Militärs, dessen Intrigen am Ende der Weimarer Republik Hitler den Weg in die Reichskanzlei geebnet haben. Es ist überfällig, dass dies bei den Wiederaufbauplänen diskutiert wird, ohne der unangenehmen Wahrheit auszuweichen.
Das Ergebnis muss nicht der Verzicht auf Rekonstruktion sein. Aber - auf eine Rekonstruktion, die den historischen Bruch ignoriert. Es mag viel für den Wiederaufbau des stadtbildprägenden Turms sprechen – aber nur in einem architektonischen Kontext, der deutlich markiert, was durch den "Tag von Potsdam" möglich wurde.
Die Potsdamer Garnisonkirche ist nicht die Dresdner Frauenkirche. Aber Potsdam kann aus Dresden lernen: Das Militärhistorische Museum dort ist in einem altehrwürdigen Gebäude untergebracht, das zugleich den Bruch in der deutschen Geschichte sichtbar macht. Das ist der Anspruch, an dem die Wiederaufbaupläne für die Potsdamer Garnisonkirche gemessen werden müssen.
Winfried Sträter, Jahrgang 1957, ist Historiker und Redakteur im Deutschlandradio Kultur. Hat in Bochum und Münster Geschichte und Politikwissenschaft studiert, war verantwortlich für die Deutschlandradio-Hörbuch-Editionen "Geschichte zum Hören" und "Regime unter dem Hakenkreuz", Autor zahlreicher historischer Features (zuletzt: "Der 30. Januar 1933 – Anatomie eines Tages"). In Potsdam ist er als Lokalpolitiker (stellv. Ortsvorsteher im Ortsteil Groß Glienicke) und Lokalhistoriker aktiv (insbesondere zur DDR- und Mauergeschichte sowie zur lokalen jüdischen Geschichte).