Ein Sonntag in Weiß und Gold
Der "Lichtzyklus" des Kölner Komponisten Karlheinz Stockhausen ist ein Werk der Superlative und galt lange als unaufführbar. Sieben Opern – 29 Stunden Musik – fast drei Jahrzehnte hat Stockhausen daran gearbeitet. Nun wurde der letzte Teil - "Sonntag aus Licht" - auf dem Kölner Messegelände aufgeführt. Das Stück hätte die technischen Anforderungen eines Opernhauses gesprengt.
Nicht selten denkt man während der Aufführung, Karlheinz Stockhausens Oper "Sonntag aus Licht" sei vor allem ein Werk für Kinder zwischen sieben und 12 Jahren. Jungs vor allem, die gerne mit Star-Wars Figuren den Weltraum erkunden, Spaß an sakralen Prozessionen, Messgewändern, und liturgischen Ritualen haben, nicht nur katholischen, sondern auch indischen (etwa den Frauengestalten mit den vielen Köpfen und vielen schlangenartigen Armen), aber vor allem an katholischen Zeremonien, die aber auch gerne mitbekommen, wie Klänge erzeugt und Klänge mit den Instrumenten buchstäblich herumgetragen werden, wie sie nicht nur gesungen, sondern wie Gebete von Mönchen gemurmelt und teuflisch geschnarcht werden.
So ein Publikum von Jungs spräche nicht gegen "Sonntag aus Licht" - im Gegenteil: Große Kunst ist oft kindlich naives Spiel, gespeist von Kindheitserfahrungen des Künstlers. Und Stockhausens siebenteiliges Mammutwerk "Licht", dessen letzter Teil an zwei Abenden nun in Köln posthum szenisch uraufgeführt wurde, ist sicherlich ein überragendes Kunstwerk des 20. Jahrhunderts.
"Oper" nennt Stockhausen seine "szenische Musik". Das ist insofern eine provokante Bezeichnung, als in "Licht" eine traditionelle erzählbare, sich psychologisch entwickelnde Opernhandlung fehlt. Sein Zyklus geht von abstrakten Prinzipien und Grundfarben aus. Stockhausen nennt sie "Formeln": "Michael" der Welthersteller, "Luzifer", ein Geist der Verneinung des Menschen und des Göttlichen, und "Eva", das weibliche Prinzip. Bei "Sonntag im Licht" fehlt – außer in einer Reminiszenz an frühere Wochentage - Luzifer, also Teuflisches. Mittelpunkt und schließlich Höhepunkt am "Sonntag aus Licht" ist die Hochzeit von Eva und Michael.
Konsequent - und in dieser Konsequenz wohl musikgeschichtlich auch ein Pionier - ist Stockhausen in seinen Experimenten, den Klang im Raum zu positionieren. Ein gutes Beispiel dafür stellt der Beginn ("Sonntags-Gruß") dar. Die Zuschauer liegen – auf Wunsch von Stockhausen hell gekleidet wie die Farbe des Sonntags, Weiß und Gold – auf Liegestühlen, während der Sänger, wie ein Astronaut kostümiert (großartig auch in den anderen Teilen der Tenor: Hubert Mayer) von einem Kranarm bewegt, über den Köpfen des Publikums rotiert: Hoch oben an der Decke ent- und verpuppen sich gleichzeitig mit Hängematten Tänzer. Das Weltall und die zwölf Himmelskörper unseres Sonnensystems (darum geht es in Teil 1 von "Sonntag im Licht") werden also liegend von unten betrachtet; Musik und Theater, das über den Köpfen der Zuschauer kreist.
Es ist ein spektakulärer, an Einfällen nimmermüder ästhetische faszinierender Doppelabend, der in der Inszenierung und Choreographie von "La Fura dels Baus", vor allem in den Science-Fiction und Fantasy-Kostümen von Chu Uroz immer neue Prozessionen von Engeln und Fantasy-Priestern zeigt. Wo Stockhausen bei jedem Musiker schlicht eine Kerze und ein Glas Wasser (Feuer und Wasser als Grundelemente) neben dem Instrument verbindlich vorschreibt, gibt es bei "La Fura dels Baus" spektakuläre Effekte: Ornate mit kleinen an- und ausknipsbaren Lampenschirmen am Ärmel zum Beispiel.
Auch die Chor- und Orchesterdirigenten haben solche Engels-Flügel. Und Saal B ist für Tanznummern a la Pina Bausch sogar unter Wasser gesetzt. Bei dem Teil "Licht – Bilder" werden den Zuschauern 3-D-Brillen verpasst. Wenn Litaneien von Heiligen und Tieren abgesungen werden, springen Insekten also dreidimensional direkt vor die Nase. Dazu eine Steigerung ist die vierte Szene, "Düfte – Zeichen", in der viele Geruchsfässer geschwungen und flammende Rauchzeichen abgebrannt werden. Schade höchsten der Schluss: eine etwas beliebige Revue von Ritualen aller Kontinente, unter die sich das hell gekleidete Publikum mischt.
Zu bestaunen ist aber vor allem der ungemein präzise Einsatz der Musiker, Sänger und Chöre und Tontechniker, in der Tat ein eindrucksvolles Engelskonzert. Musiktheater als räumliche musikalische Umsetzung abstrakter Formeln und sinnliches Ritual funktioniert also. Doch nicht nur in der ersten Szene bei den Himmelkörpern kommt einem ein Filmklassiker der 60er-Jahre als Alternative in den Sinn: Stanley Kubricks "Odyssee im Weltraum", insbesondere der letzte Teil, in dem der Astronaut im freien Fall lange lange zur Spährenmusik Georgy Ligetis durch die Atmosphären stürzt.
Er fällt bei Kubrick und Ligeti ins Abgründige und Bodenlose, in eine unheimliche schizophrene existenzielle Erkenntnis. Karlheinz Stockhausen "Sonntag im Licht" bleibt freilich im Gegensatz dazu naives Gotteslob. Doch hat dafür die Oper Köln die besten Voraussetzungen geschaffen; einen singulären spektakulären Musiktheaterabend, der allerdings Nachahmung verdiente. Sonntagsliturgien dann als fürs Repertoire reproduzierbare Opernabende? Warum nicht?
So ein Publikum von Jungs spräche nicht gegen "Sonntag aus Licht" - im Gegenteil: Große Kunst ist oft kindlich naives Spiel, gespeist von Kindheitserfahrungen des Künstlers. Und Stockhausens siebenteiliges Mammutwerk "Licht", dessen letzter Teil an zwei Abenden nun in Köln posthum szenisch uraufgeführt wurde, ist sicherlich ein überragendes Kunstwerk des 20. Jahrhunderts.
"Oper" nennt Stockhausen seine "szenische Musik". Das ist insofern eine provokante Bezeichnung, als in "Licht" eine traditionelle erzählbare, sich psychologisch entwickelnde Opernhandlung fehlt. Sein Zyklus geht von abstrakten Prinzipien und Grundfarben aus. Stockhausen nennt sie "Formeln": "Michael" der Welthersteller, "Luzifer", ein Geist der Verneinung des Menschen und des Göttlichen, und "Eva", das weibliche Prinzip. Bei "Sonntag im Licht" fehlt – außer in einer Reminiszenz an frühere Wochentage - Luzifer, also Teuflisches. Mittelpunkt und schließlich Höhepunkt am "Sonntag aus Licht" ist die Hochzeit von Eva und Michael.
Konsequent - und in dieser Konsequenz wohl musikgeschichtlich auch ein Pionier - ist Stockhausen in seinen Experimenten, den Klang im Raum zu positionieren. Ein gutes Beispiel dafür stellt der Beginn ("Sonntags-Gruß") dar. Die Zuschauer liegen – auf Wunsch von Stockhausen hell gekleidet wie die Farbe des Sonntags, Weiß und Gold – auf Liegestühlen, während der Sänger, wie ein Astronaut kostümiert (großartig auch in den anderen Teilen der Tenor: Hubert Mayer) von einem Kranarm bewegt, über den Köpfen des Publikums rotiert: Hoch oben an der Decke ent- und verpuppen sich gleichzeitig mit Hängematten Tänzer. Das Weltall und die zwölf Himmelskörper unseres Sonnensystems (darum geht es in Teil 1 von "Sonntag im Licht") werden also liegend von unten betrachtet; Musik und Theater, das über den Köpfen der Zuschauer kreist.
Es ist ein spektakulärer, an Einfällen nimmermüder ästhetische faszinierender Doppelabend, der in der Inszenierung und Choreographie von "La Fura dels Baus", vor allem in den Science-Fiction und Fantasy-Kostümen von Chu Uroz immer neue Prozessionen von Engeln und Fantasy-Priestern zeigt. Wo Stockhausen bei jedem Musiker schlicht eine Kerze und ein Glas Wasser (Feuer und Wasser als Grundelemente) neben dem Instrument verbindlich vorschreibt, gibt es bei "La Fura dels Baus" spektakuläre Effekte: Ornate mit kleinen an- und ausknipsbaren Lampenschirmen am Ärmel zum Beispiel.
Auch die Chor- und Orchesterdirigenten haben solche Engels-Flügel. Und Saal B ist für Tanznummern a la Pina Bausch sogar unter Wasser gesetzt. Bei dem Teil "Licht – Bilder" werden den Zuschauern 3-D-Brillen verpasst. Wenn Litaneien von Heiligen und Tieren abgesungen werden, springen Insekten also dreidimensional direkt vor die Nase. Dazu eine Steigerung ist die vierte Szene, "Düfte – Zeichen", in der viele Geruchsfässer geschwungen und flammende Rauchzeichen abgebrannt werden. Schade höchsten der Schluss: eine etwas beliebige Revue von Ritualen aller Kontinente, unter die sich das hell gekleidete Publikum mischt.
Zu bestaunen ist aber vor allem der ungemein präzise Einsatz der Musiker, Sänger und Chöre und Tontechniker, in der Tat ein eindrucksvolles Engelskonzert. Musiktheater als räumliche musikalische Umsetzung abstrakter Formeln und sinnliches Ritual funktioniert also. Doch nicht nur in der ersten Szene bei den Himmelkörpern kommt einem ein Filmklassiker der 60er-Jahre als Alternative in den Sinn: Stanley Kubricks "Odyssee im Weltraum", insbesondere der letzte Teil, in dem der Astronaut im freien Fall lange lange zur Spährenmusik Georgy Ligetis durch die Atmosphären stürzt.
Er fällt bei Kubrick und Ligeti ins Abgründige und Bodenlose, in eine unheimliche schizophrene existenzielle Erkenntnis. Karlheinz Stockhausen "Sonntag im Licht" bleibt freilich im Gegensatz dazu naives Gotteslob. Doch hat dafür die Oper Köln die besten Voraussetzungen geschaffen; einen singulären spektakulären Musiktheaterabend, der allerdings Nachahmung verdiente. Sonntagsliturgien dann als fürs Repertoire reproduzierbare Opernabende? Warum nicht?