Ein stilles Buch
Der dritte Roman des Chilenen Alejandro Zambra ist ein ziemlich stilles und nachdenkliches Buch – obwohl es mit einem Erdbeben beginnt und mit einem anderen Erbeben aufhört. Dazwischen liegen fünfzehn Jahre, in denen der Protagonist des Romans erwachsen wird und die Pinochet-Diktatur endet.
Geboren ist Alejandro Zambra 1975, zwei Jahre nach dem Militärputsch. In seinem Buch geht er zurück in die Kindheit, die er in einer kleinbürgerlich-normalen und völlig apolitischen Familie in einer gesichts- und geschichtslosen jungen Vorstadt Santiagos verbrachte.
Die größte Merkwürdigkeit dort war ein Nachbar, der keine Familie hatte und verdächtigt wurde, Christdemokrat oder noch Schlimmeres zu sein; das größte Ereignis das Erdbeben von 1985, als alle Nachbarn die Nacht um ein Feuer im Freien verbringen mussten.
"Formas de volver a casa" - Arten nach Hause zurück zu kommen - ist der Originaltitel dieses kleinen autobiografisch gefütterten Romans - und tatsächlich geht es darin in erster Linie um Versuche, als erwachsener Mensch das Gebiet der Kindheit zu betreten. Mit anderen Gefühlen aber emotionalen Erinnerungen, mit Eltern, die alt und durchschaubar geworden, aber immer noch dieselben Eltern sind; und mit der Wahrnehmung des Abgrunds, der sich zwischen dem heutigen und dem damaligen Ich geöffnet hat.
Zambra erzählt diese Geschichte der versuchten Rückkehr auf zwei Ebenen: In der Erdbebennacht verliebt sich der zehnjährige Held zum ersten Mal und stolpert prompt in ein unerklärliches Geheimnis. Doch dann springt die Handlung in die Gegenwart, in die Tagebuchnotizen eines Schriftstellers, der erklärt, dass es in Wirklichkeit etwas anders war. Getreulich notiert er dazu, wie schlecht er mit seinem Buch vorankommt, wie er seine Eltern besucht, wie er seine Frau zurückzugewinnen versucht, die ihn verlassen hat. Schließlich kehrt das Buch in die ursprüngliche Erzählung zurück, die sich nun gleichfalls in der Gegenwart fortsetzt und manche Ereignisse, manche Sätze des Tagebuchs verwendet.
Ein Blick also in die Arbeitsweise eines Erzählers – aber ohne Eitelkeit und ohne jede pseudo-intime Offenbarungsmasche: Ein stilles Buch, wie gesagt, trotz Erdbeben und Diktatur, über die wesentlichen und normalen Erfahrungen des Lebens. Als Leser wird man zum beeindruckten Zeugen dieser literarischen Erkundung im weiten Gelände der Erinnerungen, Gefühle und Fiktionen.
Besprochen von Katharina Döbler
Alejandro Zambra: Die Erfindung der Kindheit
Aus dem Spanischen von Susanne Lange
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
166 Seiten, 18,95 Euro
http://www.litprom.de/weltempfaenger.html
Die größte Merkwürdigkeit dort war ein Nachbar, der keine Familie hatte und verdächtigt wurde, Christdemokrat oder noch Schlimmeres zu sein; das größte Ereignis das Erdbeben von 1985, als alle Nachbarn die Nacht um ein Feuer im Freien verbringen mussten.
"Formas de volver a casa" - Arten nach Hause zurück zu kommen - ist der Originaltitel dieses kleinen autobiografisch gefütterten Romans - und tatsächlich geht es darin in erster Linie um Versuche, als erwachsener Mensch das Gebiet der Kindheit zu betreten. Mit anderen Gefühlen aber emotionalen Erinnerungen, mit Eltern, die alt und durchschaubar geworden, aber immer noch dieselben Eltern sind; und mit der Wahrnehmung des Abgrunds, der sich zwischen dem heutigen und dem damaligen Ich geöffnet hat.
Zambra erzählt diese Geschichte der versuchten Rückkehr auf zwei Ebenen: In der Erdbebennacht verliebt sich der zehnjährige Held zum ersten Mal und stolpert prompt in ein unerklärliches Geheimnis. Doch dann springt die Handlung in die Gegenwart, in die Tagebuchnotizen eines Schriftstellers, der erklärt, dass es in Wirklichkeit etwas anders war. Getreulich notiert er dazu, wie schlecht er mit seinem Buch vorankommt, wie er seine Eltern besucht, wie er seine Frau zurückzugewinnen versucht, die ihn verlassen hat. Schließlich kehrt das Buch in die ursprüngliche Erzählung zurück, die sich nun gleichfalls in der Gegenwart fortsetzt und manche Ereignisse, manche Sätze des Tagebuchs verwendet.
Ein Blick also in die Arbeitsweise eines Erzählers – aber ohne Eitelkeit und ohne jede pseudo-intime Offenbarungsmasche: Ein stilles Buch, wie gesagt, trotz Erdbeben und Diktatur, über die wesentlichen und normalen Erfahrungen des Lebens. Als Leser wird man zum beeindruckten Zeugen dieser literarischen Erkundung im weiten Gelände der Erinnerungen, Gefühle und Fiktionen.
Besprochen von Katharina Döbler
Alejandro Zambra: Die Erfindung der Kindheit
Aus dem Spanischen von Susanne Lange
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
166 Seiten, 18,95 Euro
http://www.litprom.de/weltempfaenger.html