Ein Stofftier auf Reisen
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er bekanntlich was erzählen. Und wenn dieser Reisende ein Stofftier ist, dann werden die Erfahrungen, von denen er erzählen kann, für Kinder noch spannender. Alle großen Gefühle lernt Edward im Laufe seiner Irrfahrt kennen: Angst und Freude, Schmerz und Zuneigung, Sehnsucht und Verzweiflung, Einsamkeit und Glück. Das ist manchmal tief-traurig und manchmal beglückend zu lesen.
Reisen bildet - nicht nur Menschen, sondern in Kinderbüchern auch die Tiere. Ob Cornelia Funkes "Piratenschwein" oder Janoschs kleiner Bär - unterwegs lernen die kleinen Protagonisten nicht nur eine ganze Menge über die große Welt, sondern ebenso viel auch über sich selbst. Diese Er-fahrungen - im wahrsten Sinne des Wortes - machen mit ihnen auch die kleinen Leser oder Zuhörer. Denn mehr noch als die Erlebnisse "echter" Tiere laden die Erlebnisse von Stofftieren zur Identifikation ein. Was wohl daran liegt, dass man in die geliebten Kuscheltiere besser als in lebende Tiere alle eigenen Gefühle projizieren kann.
Mit "Die wundersame Reise des Edward Tulane" erzählt die amerikanische Kinderbuchautorin Kate DiCamillo eine besonders eindringliche Reisegeschichte. Edward Tulane ist ein großer Porzellanhase, eine kühle und harte Persönlichkeit. Er gehört der kleinen Abilene, die ihn über alles liebt, und er kann vieles, was andere Schmusetiere nicht können. Denn er ist weniger ein Kuscheltier als ein Hasenherr, intelligent und elegant, eitel und selbstverliebt. Was er allerdings nicht kann, ist sprechen, schlafen und - am wichtigsten: lieben! Denn Edward Tulane kennt keine Gefühle.
Eines Tages geht Edward mit Abilene und ihren Eltern auf eine Schiffsreise, und es kommt, wie es kommen muss: Bei einer Rauferei fällt er ins Wasser. Erst nach Monaten wird er von einem Fischer aus dem Meer gezogen, gerät an die liebevolle Fischersfrau und ihre böse Tochter, an einen Landstreicher und ein sterbendes Mädchen und schließlich an einen Puppenrestaurator. Der repariert und erneuert den völlig verkommenen Porzellanhasen und verkauft ihn schließlich …
Es ist im Grunde eine ganz konventionelle Abenteuergeschichte, die Kate DiCamillo erzählt. Eine Geschichte mit schrecklichen und schönen Erlebnissen, guten und bösen Menschen. Eine Geschichte, von immer neuen Hoffnungen und Enttäuschungen. Aber so einfach sie auch vordergründig wirkt, so vielschichtig ist sie dann doch. Denn hinter dem Reise- und Abenteuermotiv scheint bald auch ein Entwicklungsroman hervor:
Kate DiCamillo erzählt die Geschichte von einem, der auszog, das Lieben zu lernen. Von einem, dem es immer schlechter gehen muss, damit er erkennt, wie gut es ihm ging. Von einem, der immer mehr Menschen verlieren muss, um immer heftiger und sehnsüchtiger lieben zu können.
Alle großen Gefühle lernt Edward - und mit ihm der kleine Leser - im Laufe seiner Irrfahrt kennen: Angst und Freude, Schmerz und Zuneigung, Sehnsucht und Verzweiflung, Einsamkeit und Glück. Das ist manchmal tief-traurig und manchmal beglückend zu lesen. Oft ein bisschen altmodisch formuliert, immer schön, aber niemals pathetisch.
Kongenial muss man die Illustrationen des in den USA lebenden russischen Künstlers Bagram Ibatoulline nennen. Zehn ganzseitige bunte Bilder fangen die Atmosphäre des Textes auf wunderbare Weise ein, strahlen Wärme oder Angst, Geborgenheit oder Einsamkeit aus. Am Realismus niederländischer Meister geschult sind die kleinen braun-weißen Zeichnungen über jedem Kapitel, sie stellen meist Gegenstände oder Menschen dar und besitzen den Charme alter Fotos. Ihre Dramatik entdeckt man erst im Detail, die abgebildeten Dinge oder Gesichter beginnen bei genauer Betrachtung ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Mit Kate DiCamillos "Die wundersame Reise des Edward Tulane" bekommen Kinder ein Buch in die Hand, dessen schmerzhaft-schöne Geschichte sie ebenso ergreifen wie trösten wird. Sie sollten darüber mit jemandem reden können! Und ältere Leser werden viele Empfindungen wieder entdecken, die für sie in ihrem Leben besonders kostbar waren.
Kate DiCamillo: Die wundersame Reise des Edward Tulane
Mit Bildern von Bagram Ibatoulline. Aus dem Amerikanischen von Siggi Seuß. Cecilie Dressler Verlag, Hamburg 2006, 144 Seiten, ab 8 Jahren
Mit "Die wundersame Reise des Edward Tulane" erzählt die amerikanische Kinderbuchautorin Kate DiCamillo eine besonders eindringliche Reisegeschichte. Edward Tulane ist ein großer Porzellanhase, eine kühle und harte Persönlichkeit. Er gehört der kleinen Abilene, die ihn über alles liebt, und er kann vieles, was andere Schmusetiere nicht können. Denn er ist weniger ein Kuscheltier als ein Hasenherr, intelligent und elegant, eitel und selbstverliebt. Was er allerdings nicht kann, ist sprechen, schlafen und - am wichtigsten: lieben! Denn Edward Tulane kennt keine Gefühle.
Eines Tages geht Edward mit Abilene und ihren Eltern auf eine Schiffsreise, und es kommt, wie es kommen muss: Bei einer Rauferei fällt er ins Wasser. Erst nach Monaten wird er von einem Fischer aus dem Meer gezogen, gerät an die liebevolle Fischersfrau und ihre böse Tochter, an einen Landstreicher und ein sterbendes Mädchen und schließlich an einen Puppenrestaurator. Der repariert und erneuert den völlig verkommenen Porzellanhasen und verkauft ihn schließlich …
Es ist im Grunde eine ganz konventionelle Abenteuergeschichte, die Kate DiCamillo erzählt. Eine Geschichte mit schrecklichen und schönen Erlebnissen, guten und bösen Menschen. Eine Geschichte, von immer neuen Hoffnungen und Enttäuschungen. Aber so einfach sie auch vordergründig wirkt, so vielschichtig ist sie dann doch. Denn hinter dem Reise- und Abenteuermotiv scheint bald auch ein Entwicklungsroman hervor:
Kate DiCamillo erzählt die Geschichte von einem, der auszog, das Lieben zu lernen. Von einem, dem es immer schlechter gehen muss, damit er erkennt, wie gut es ihm ging. Von einem, der immer mehr Menschen verlieren muss, um immer heftiger und sehnsüchtiger lieben zu können.
Alle großen Gefühle lernt Edward - und mit ihm der kleine Leser - im Laufe seiner Irrfahrt kennen: Angst und Freude, Schmerz und Zuneigung, Sehnsucht und Verzweiflung, Einsamkeit und Glück. Das ist manchmal tief-traurig und manchmal beglückend zu lesen. Oft ein bisschen altmodisch formuliert, immer schön, aber niemals pathetisch.
Kongenial muss man die Illustrationen des in den USA lebenden russischen Künstlers Bagram Ibatoulline nennen. Zehn ganzseitige bunte Bilder fangen die Atmosphäre des Textes auf wunderbare Weise ein, strahlen Wärme oder Angst, Geborgenheit oder Einsamkeit aus. Am Realismus niederländischer Meister geschult sind die kleinen braun-weißen Zeichnungen über jedem Kapitel, sie stellen meist Gegenstände oder Menschen dar und besitzen den Charme alter Fotos. Ihre Dramatik entdeckt man erst im Detail, die abgebildeten Dinge oder Gesichter beginnen bei genauer Betrachtung ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Mit Kate DiCamillos "Die wundersame Reise des Edward Tulane" bekommen Kinder ein Buch in die Hand, dessen schmerzhaft-schöne Geschichte sie ebenso ergreifen wie trösten wird. Sie sollten darüber mit jemandem reden können! Und ältere Leser werden viele Empfindungen wieder entdecken, die für sie in ihrem Leben besonders kostbar waren.
Kate DiCamillo: Die wundersame Reise des Edward Tulane
Mit Bildern von Bagram Ibatoulline. Aus dem Amerikanischen von Siggi Seuß. Cecilie Dressler Verlag, Hamburg 2006, 144 Seiten, ab 8 Jahren