Ein Stück kräftige Männerprosa
Andrzej Stasiuk gilt in Polen als einer der wichtigsten jüngeren Gegenwartsautoren. 1992 debütierte er mit dem Erzählband "Mury Hebronu". In seinem neuen Roman beschreibt der Autor wie die Globalisierung den Osten verwandelt.
Andrzej Stasiuk, Schriftsteller und Reisender an der osteuropäischen Peripherie, ist vor allem bekannt geworden als Chronist vergessener Orte, als Beobachter von Randfiguren und Zeuge der unaufhaltsamen Auflösung in diesen Provinzen der Armut. Nach vielen journalistischen Arbeiten, Reiseskizzen und Essays hat er nun wieder einen Roman geschrieben.
"Hinter der Blechwand" ist ein Stück kräftiger Männerprosa, getränkt mit Schweiß, Alkohol und Benzin, in deren Mittelpunkt zwei Männer stehen, die irgendwie, irgendwann in ihrem Leben aus der Spur geraten sind. Orte der Handlung sind abgelegene Kleinstädte und Dörfer in Polen, der Slowakei, der Ukraine, Ungarn und Rumänien. Die Kulisse bilden ungelüftete Behausungen, eine Kneipe namens "Das Fässchen", ein schrottreifer Lieferwagen, Industrieruinen, Tankstellen und die Märkte, wo fliegende Händler ihre chinesischen Billigwaren verkaufen und die Armen, vor allem Zigeuner, sich mit falschem und höchst vergänglichem Glamour eindecken.
Die beiden Männer handeln mit Soliderem: Mit gediegener Männerkleidung aus zweiter Hand, haltbaren Sachen aus Leder und gutem Stoff, alter Westware. Das Hirn in diesem Geschäft ist Wladek, eine emblematische Gestalt: "... grau, unscheinbar, fast durchsichtig, der erstgeborene Sohn der Alltäglichkeit, von Geburt an im Scheitern bewandert." Früher hat er seine einträglichen Geschäfte mit dem Schmuggel knapper Güter über die peripheren Grenzen des Sowjetreichs bestritten. Der Ich-Erzähler ist sein Partner, sein Fahrer und vor allem sein Zuhörer, den Wladek steckt voller Geschichten, von denen keiner weiß, ob sie wahr oder erfunden sind.
Stasiuk lässt sich unendlich viel Zeit, um die weiten leeren Landschaften vor seinen Lesern auszubreiten, die der alte Lieferwagen durchstreift; über deren Bergen und Ebenen liegt Melancholie, dicht wie Staub oder Nebel. Manchmal ist es auch einfach nur Alkoholdunst.
Seine Handlung bezieht der Roman aus den kriminellen Verwicklungen, in die beiden geraten, als sich Wladek verliebt – in eine Frau, die im Kassenwagen eines Jahrmarkts sitzt. Auch sie also hat kein Zuhause, ist endlos unterwegs, aber frei ist sie nicht: sie "gehört" einem Menschenschmuggler. Und deshalb wird Wladek, dieser findige Sohn der Glücklosigkeit, nun zum Don Quijote der Armutsglobalisierung. Der Ich-Erzähler gibt den treuen Knappen dazu.
Dies fügt Stasiuks sinnlicher und düster-schwerer Männergeschichte gerade soviel an Action hinzu, dass die Aufmerksamkeit des Lesers wach bleibt, während der Roman weiter über Berge und Täler rollt, um gelegentlich seine wirklichen Stärken zu entfalten: wenn er eintaucht in die hungrige Atmosphäre eines Billig-Supermarkts, den theatralischen Auftritt einer Zigeunergruppe schildert, und die Gerüche des Elends aus den Schornsteinen aufwehen lässt.
Besprochen von Katharina Döbler
Andrzej Stasiuk: "Hinter der Blechwand"
Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
349 Seiten, 22,90 Euro
"Hinter der Blechwand" ist ein Stück kräftiger Männerprosa, getränkt mit Schweiß, Alkohol und Benzin, in deren Mittelpunkt zwei Männer stehen, die irgendwie, irgendwann in ihrem Leben aus der Spur geraten sind. Orte der Handlung sind abgelegene Kleinstädte und Dörfer in Polen, der Slowakei, der Ukraine, Ungarn und Rumänien. Die Kulisse bilden ungelüftete Behausungen, eine Kneipe namens "Das Fässchen", ein schrottreifer Lieferwagen, Industrieruinen, Tankstellen und die Märkte, wo fliegende Händler ihre chinesischen Billigwaren verkaufen und die Armen, vor allem Zigeuner, sich mit falschem und höchst vergänglichem Glamour eindecken.
Die beiden Männer handeln mit Soliderem: Mit gediegener Männerkleidung aus zweiter Hand, haltbaren Sachen aus Leder und gutem Stoff, alter Westware. Das Hirn in diesem Geschäft ist Wladek, eine emblematische Gestalt: "... grau, unscheinbar, fast durchsichtig, der erstgeborene Sohn der Alltäglichkeit, von Geburt an im Scheitern bewandert." Früher hat er seine einträglichen Geschäfte mit dem Schmuggel knapper Güter über die peripheren Grenzen des Sowjetreichs bestritten. Der Ich-Erzähler ist sein Partner, sein Fahrer und vor allem sein Zuhörer, den Wladek steckt voller Geschichten, von denen keiner weiß, ob sie wahr oder erfunden sind.
Stasiuk lässt sich unendlich viel Zeit, um die weiten leeren Landschaften vor seinen Lesern auszubreiten, die der alte Lieferwagen durchstreift; über deren Bergen und Ebenen liegt Melancholie, dicht wie Staub oder Nebel. Manchmal ist es auch einfach nur Alkoholdunst.
Seine Handlung bezieht der Roman aus den kriminellen Verwicklungen, in die beiden geraten, als sich Wladek verliebt – in eine Frau, die im Kassenwagen eines Jahrmarkts sitzt. Auch sie also hat kein Zuhause, ist endlos unterwegs, aber frei ist sie nicht: sie "gehört" einem Menschenschmuggler. Und deshalb wird Wladek, dieser findige Sohn der Glücklosigkeit, nun zum Don Quijote der Armutsglobalisierung. Der Ich-Erzähler gibt den treuen Knappen dazu.
Dies fügt Stasiuks sinnlicher und düster-schwerer Männergeschichte gerade soviel an Action hinzu, dass die Aufmerksamkeit des Lesers wach bleibt, während der Roman weiter über Berge und Täler rollt, um gelegentlich seine wirklichen Stärken zu entfalten: wenn er eintaucht in die hungrige Atmosphäre eines Billig-Supermarkts, den theatralischen Auftritt einer Zigeunergruppe schildert, und die Gerüche des Elends aus den Schornsteinen aufwehen lässt.
Besprochen von Katharina Döbler
Andrzej Stasiuk: "Hinter der Blechwand"
Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
349 Seiten, 22,90 Euro