Ein Todes-Krankheitskrimi

Vorgestellt von Katrin Jäger |
Millionen Menschen leiden weltweit an Parkinson, die meisten erkranken in der zweiten Lebenshälfte. Bei Cecil Todes traten die ersten Anzeichen bereits im Alter von 39 Jahren auf. 1970 war das. 20 Jahre später hat der Psychiater aus England ein ergreifendes Buch über sein Leben mit der Krankheit geschrieben. "Der Schatten über mir" ist jetzt im Psychosozial-Verlag erstmals auf Deutsch erschienen.
Was mit einem Zucken im linken Arm beginnt, endet mit der Diagnose Morbus Parkinson. Zu diesem Zeitpunkt ist Cecil Todes gerade einmal 39 Jahre alt, junger Vater, auf der Höhe seiner Karriere als Psychoanalytiker, und bereit zum Kampf gegen seine Krankheit.

"Warum ich? (...) Warum jetzt? In den folgenden 20 Jahren sollten meine ganze Aufmerksamkeit und mein ganzes Interesse der Suche nach einer Antwort auf dieses Rätsel gelten. "

Medizinisch fundiert und spannend wie im Krimi schildert Cecil Todes in "Der Schatten über mir" wie die Krankheit sein Leben umkrempelt. Die Hoffnung auf Heilung treibt den Autor an, auf seiner 20 Kapitel langen Suche nach dem Wundermittel. Er lässt sich mit obskuren spirituellen Heilern ein. Als Proband testet er zig neue Arzneien auf ihre Verträglichkeit. Dabei beschreibt der Arzt Cecil Todes, wie diese Infusionen und Pillen im physiologischen Sinne wirken, der Patient Cecil Todes hingegen kehrt sein Innenleben nach außen.

"Ich erinnere mich an den Eindruck, zu einem jämmerlichen kleinen Kind geschrumpft zu sein, das sich in die Ecke eines dunklen Zimmers verkrochen hatte, und dass ich in mein eigenes Gehirn kletterte. "

Mit eindringlichen Bildern schildert der Autor, wie er seine Krankheit erlebt. Wie ein ausgestopftes Tier fühlt er sich, wenn er wieder einen Schub bekommt. Verknotet. Leer. Der empfundene Parkinson bekommt hier erfreulicherweise eine Stimme, ohne nach Mitleid heischender Attitüde. Ganz in Gegenteil bleibt Cecil Todes sich selbst gegenüber in kritischer Distanz. Seine nahezu obsessive Jagd nach einem Wundermittel beurteilt er am Ende des Buchs als Verdrängung der Tatsachen.

"Je realer die Erlebnisse sind, die wir haben, desto eher können wir unsere eigenen Maßstäbe entwickeln, anstatt fortwährend einen Vergleich mit einer Idealvorstellung anstellen zu müssen, der sehr zu unserem Nachteil ausfällt. "

Als einer der ersten Patienten überhaupt hat Cecil Todes bereits Ende der 80er Jahre embryonale Stammzellen in sein Gehirn transplantieren lassen. Erfolglos, wie sich herausstellte. Über dieses Ergebnis hinaus wirft seine Parkinsonbiografie ein Schlaglicht auf den Beginn der ethischen Debatte um diese Methode, die heute mehr dem je im Zentrum der Diskussion steht. Todes spricht sich für den Einsatz embryonalen Gewebes aus. Gleichzeitig kritisiert er, wie die Ärzte ihn als williges Versuchskaninchen für Prestigezwecke missbrauchen. Trotz vieler Enttäuschungen, setzt sich Todes den medizinischen Versuchsreihen weiter aus. Dieser unkommentierte Widerspruch durchzieht seinen Text wie eine Sollbruchstelle. Er führt zu Situationen, die trotz ihrer Dramatik einer gewissen Comic nicht entbehren. Zum Beispiel, als Cecil mit Hilfe seiner Frau aus einem Krankenhaus flüchtet.

"Meine letzte entschlossene Handlung war es, das Pflaster abzureißen (...) und endlich die Kanüle aus meiner Bauchdecke zu entfernen. Wie Diebe schlichen wir uns mitsamt unserem Gepäck aus dem Lieferantenaufzug zu einem wartenden Taxi. "

Das englische Original "shadow over my brain" ist 1990 erschienen und seitdem nicht erweitert worden. Den neuesten Forschungsstand spiegelt das Buch also nicht. Das ist aber auch nicht das Anliegen. Der Autor richtet seinen Blick auf die psychische Seite der neurologischen Parkinson Erkrankung. Aus der Erlebnisperspektive und als Psychoanalytiker. Diese spezielle Sicht hebt das Buch positiv aus der Vielzahl wissenschaftlicher Abhandlungen über das Thema heraus. In verständlicher Alltagssprache beschreibt Todes seinen Zustand, spannend und gleichzeitig informativ bleibt seine Geschichte bis zum Schluss. Cecil Todes Erzählkunst besteht darin, sich für die Leser zu öffnen, ohne sich bloßzustellen. Er traut sich, die eigene Zunft zu kritisieren.

"In überfüllte Kliniken beschränkt sich das Gespräch mit dem Neurologen auf die Details der Medikamenteneinnahmestatt auf die neu entstandenen Probleme des Allgemeinzustands und des Alltags einzugehen. "

Am Ende bietet der Autor keine Lösung. Wie sollte er auch. Die Entstehung von Parkinson ist der Forschung bis heute ein Rätsel. Cecil Todes-Krankheitskrimi "Der Schatten über mir" bleibt nach der Lektüre im Gefühl hängen. Und das ist wichtig, um diesen Zustand der Bewegungsstarre ein wenig besser zu verstehen.

Cecil Todes: "Der Schatten über mir. Leben mit Parkinson"
Übersetzt von David Emmans und Anne Rhiemeier unter Mitarbeit. von Daniela Bone
Psychosozialverlag, Gießen 2005
174 Seiten