Ein Trottel fährt Zug
Frank Spilker kennen Pop-Fans als Sänger und Texter der Band "Die Sterne". Nun hat er einen Roman über einen Mann geschrieben, der von seiner Freundin verlassen wurde und im Beruf kein Bein an die Erde bekommt. Es ist ein Buch für jeden, der sich gern langweilt.
Der Titel dieses Romans von Frank Spilker ist gut, interessant gar; ein Pop-Titel, der vor allem einen Sound hat, nicht so sehr einen Inhalt: "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen." So ein Satz erinnert natürlich gleich an den Titel eines Albums der Hamburger Diskurspop-Band "Die Sterne", "Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die interessanten", was gleichfalls nicht von ungefähr kommt: Frank Spilker kennen Pop-Fans vor allem als Sänger und Texter von "Die Sterne", einer Band, die in den 90er-Jahren neben Tocotronic und Blumfeld zu den wichtigsten Protagonisten der sogenannten Hamburger Schule gehörte und sich heute noch durch intelligente Texte und melodiösen, funkorientierten Indierock auszeichnet.
Nun ist Spilker unter die Romanautoren gegangen. Leider bleibt "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen" die Antwort darauf schuldig, was ihn dazu veranlasst hat. Sein Ich-Erzähler heißt Thomas Troppelmann; dessen Freundin Andrea hat jetzt einen anderen Lover, was ihn nicht interessiert, nur kann er dieses Desinteresse eben: nicht beweisen.
Troppelmann leitet in Hamburg eine Grafikagentur namens Tropical Design, die nicht wirklich gut läuft: Selbstausbeutung hier, kaum Aufträge dort, und so richtig eigene Kunst ist es auch nicht. Troppelmann, der Trottel (Selbstauskunft) ist ein Scheiterer, der ziemlich genau weiß: "Bei ,Ich‘ handelt es sich eher um eine Aussage, die sich in der Praxis bewährt hat, als um eine wissenschaftlich haltbare Angabe". Und der Roman erzählt dann, wie er versucht, seinem Scheitern und seinen "Ich-Störungen" zu begegnen. Troppelmann nimmt eine Auszeit, versucht sich selbst zu finden, fährt mit dem ICE kreuz und quer durch die Republik: zu einer Geliebten nach Hildesheim, zu seinen Eltern in den Ruhrpott, schließlich in den Schwarzwald, wo er sich mit einem Kindheitstrauma auseinandersetzen will. Hier war er als kleiner Junge zu einem Kuraufenthalt in einem Heim.
Von Ferne erinnert diese Reise an Christian Krachts Roman "Faserland" oder Sten Nadolnys "Netzkarte". Deren Helden waren die 80er- (Nadolny) und 90er-Jahre-Varianten (Kracht) des Nuller-Jahre-Typen Thomas Troppelmann. Aber deren Verzweiflung, deren Zynismus und deren Orientierungslosigkeit waren kraftvoller ins Bild gesetzt, als Spilker das jetzt mit seinem Helden gelingt, nicht zuletzt sprachlich. Bei Troppelmann hat man beim Lesen ständig das Gefühl, dass er gleich aus dem Bild verschwindet, so eigenschaftslos trottelt er in der Gegend herum, und zu einer knuffigen zeitgenössischen Inlandsethnografie reicht es dann auch nicht. Frank Spilker merkt man an, wie er seine Sprache noch sucht, wie er Gedanken zu fassen und in Worte zu kleiden versucht, wie das aber seinem Erzählfluss behindert und die sprachliche Harmonie stört. Es gibt hier schon einen eigenen Ton, eine Mischung aus Vergeblichkeit und Nonchalance, doch ist dieser Ton nicht durchgängig.
Für einen Debütroman geht das in Ordnung. Auch das Trauma von einst, das sich in kursivierten, über den Roman verstreuten Absätzen andeutet, bewältigt Troppelmann (war nämlich gar keins). Nur die Notwendigkeit, warum Spilker uns diese Geschichte als Roman erzählen muss und nicht innerhalb eines drei- oder vierminütigen Popsongs, die erschließt sich nicht. Von allen Büchern schätze ich doch am meisten die interessanten, könnte man das Sterne-Zitat auch abwandeln. Dieser Roman gehört nicht unbedingt dazu.
Rezensiert von Gerrit Bartels
Frank Spilker: "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen"
Hoffmann und Campe, Hamburg 2013
157 Seiten, 17,95 Euro
Nun ist Spilker unter die Romanautoren gegangen. Leider bleibt "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen" die Antwort darauf schuldig, was ihn dazu veranlasst hat. Sein Ich-Erzähler heißt Thomas Troppelmann; dessen Freundin Andrea hat jetzt einen anderen Lover, was ihn nicht interessiert, nur kann er dieses Desinteresse eben: nicht beweisen.
Troppelmann leitet in Hamburg eine Grafikagentur namens Tropical Design, die nicht wirklich gut läuft: Selbstausbeutung hier, kaum Aufträge dort, und so richtig eigene Kunst ist es auch nicht. Troppelmann, der Trottel (Selbstauskunft) ist ein Scheiterer, der ziemlich genau weiß: "Bei ,Ich‘ handelt es sich eher um eine Aussage, die sich in der Praxis bewährt hat, als um eine wissenschaftlich haltbare Angabe". Und der Roman erzählt dann, wie er versucht, seinem Scheitern und seinen "Ich-Störungen" zu begegnen. Troppelmann nimmt eine Auszeit, versucht sich selbst zu finden, fährt mit dem ICE kreuz und quer durch die Republik: zu einer Geliebten nach Hildesheim, zu seinen Eltern in den Ruhrpott, schließlich in den Schwarzwald, wo er sich mit einem Kindheitstrauma auseinandersetzen will. Hier war er als kleiner Junge zu einem Kuraufenthalt in einem Heim.
Von Ferne erinnert diese Reise an Christian Krachts Roman "Faserland" oder Sten Nadolnys "Netzkarte". Deren Helden waren die 80er- (Nadolny) und 90er-Jahre-Varianten (Kracht) des Nuller-Jahre-Typen Thomas Troppelmann. Aber deren Verzweiflung, deren Zynismus und deren Orientierungslosigkeit waren kraftvoller ins Bild gesetzt, als Spilker das jetzt mit seinem Helden gelingt, nicht zuletzt sprachlich. Bei Troppelmann hat man beim Lesen ständig das Gefühl, dass er gleich aus dem Bild verschwindet, so eigenschaftslos trottelt er in der Gegend herum, und zu einer knuffigen zeitgenössischen Inlandsethnografie reicht es dann auch nicht. Frank Spilker merkt man an, wie er seine Sprache noch sucht, wie er Gedanken zu fassen und in Worte zu kleiden versucht, wie das aber seinem Erzählfluss behindert und die sprachliche Harmonie stört. Es gibt hier schon einen eigenen Ton, eine Mischung aus Vergeblichkeit und Nonchalance, doch ist dieser Ton nicht durchgängig.
Für einen Debütroman geht das in Ordnung. Auch das Trauma von einst, das sich in kursivierten, über den Roman verstreuten Absätzen andeutet, bewältigt Troppelmann (war nämlich gar keins). Nur die Notwendigkeit, warum Spilker uns diese Geschichte als Roman erzählen muss und nicht innerhalb eines drei- oder vierminütigen Popsongs, die erschließt sich nicht. Von allen Büchern schätze ich doch am meisten die interessanten, könnte man das Sterne-Zitat auch abwandeln. Dieser Roman gehört nicht unbedingt dazu.
Rezensiert von Gerrit Bartels
Frank Spilker: "Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen"
Hoffmann und Campe, Hamburg 2013
157 Seiten, 17,95 Euro