Ein ungewöhnliches Scheitern

Von Carsten Probst |
Das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein genießt weltweit einen hervoragenden Ruf. Erfolg führt oft zur Expansion - und so war das Vitra eine Zeit lang auch in der Hauptstadt mit einer Dependence vertreten. Die Berliner Designszene war begeistert und der Vitra-Ableger stand schon kurz davor, innerhalb Berlins umzuziehen. Doch das Projekt endete - fast lautlos und unspektakulär.
Dies ist die Geschichte eines ungewöhnlichen Scheiterns. Auf den ersten Blick sieht es auch nicht nach einem Scheitern aus: Die illustre Ansammlung von Bauwerken berühmter Architekten auf dem Vitra Design Campus in Weil am Rhein erhält in nächster Zeit weitere prominente Gesellschaft. Der berühmte erste Museumsbau von Frank O. Gehry in Deutschland wird bald durch einen Neubau der Schweizer Architekten Herzog de Meuron ergänzt. Zuvor haben schon Zaha Hadid, Tadao Ando und Nicolas Grimshaw auf dem Werksgelände ihre Spuren hinterlassen. Bald werden hier außerdem die Architekten des Tokioter Büros SANAA ein Projekt realisieren. Und es ist noch gar nicht so lange her, da expandierte Vitra mit seinen Museen und großartigen Sammlungen auch nach Berlin und errichtete dort eine Dependance, ziemlich spektakulär sogar in einem alten Elektrizitätswerk, einem Klinkerbau aus den zwanziger Jahren im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Mateo Kries war damals für den Berliner Ableger des Vitra Design Museums zuständig und erinnert sich mit Wehmut an die Zeit seit dem Jahrhundertwechsel:

"Wir haben unsere Besuchererwartungen bei weitem übertroffen. Und wenn man die Lage dieses Museums kennt, dann weiß man ja auch, sie war nicht zentral, und es waren schon zwischen 80.000 und 60.000 Besucher im Jahr in dieser Lage in ein Museum in Berlin zu bringen, das denke ich, zeugt schon davon, dass das eine hohe Anziehungskraft hatte. Gleichzeitig hatten wir eine unglaublich starke Präsenz in den Medien, wir haben uns riesig gefreut, dass jede Ausstellung von vielen Radiosendern, Fernsehsendern, Zeitungen besprochen wurde – wir hatten wirklich das Gefühl, wir machen ein Programm, was Anstöße geben kann, was eine Bereicherung nicht nur für die Berliner Landschaft ist, sondern eigentlich auch für die gesamte Designlandschaft in Deutschland, und gleichzeitig war es auch für unser eigenes Haus wichtig, weil wir durch die Präsenz in Berlin ganz andere und weitere Anregungen bekommen haben, auch für unser eigenes Programm, als wir sie hier in Weil am Rhein bekommen."

In der Tat, das Vitra Design Museum kann für sich beanspruchen, in der bis dahin relativ orientierungslosen, zerstreuten, gleichwohl sehr aktiven Designszene Berlins einiges bewirkt, sie zeitweilig sogar gebündelt zu haben. Das Festival Design-Mai, das mittlerweile zu den anerkannten europäischen Design-Events zählt, wurde von Mateo Kries und seinen Berliner Mitstreitern mit angeregt und angeschoben. Man entwickelte eine Vielzahl von eigenen Ausstellungen, die das Berliner Angebot etwa im Kunstgewerbemuseum oder im Bauhaus Archiv ergänzten und an Aktualität und Etat bei weitem übertrafen. Nach einer knapp vierjährigen Probezeit plante man 2003/2004 eigentlich einen Umzug in ein neues Gebäude, den umgebauten Pfefferberg, eine ehemalige Brauerei nahe dem Alexanderplatz.

"Es war eigentlich von Anfang immer gewollt, dass wir dauerhaft in Berlin bleiben. Es ging also nur darum, bleiben wir in diesem Gebäude, ziehen wir woanders hin? Wie können wir es erreichen, dass wir dauerhaft in Berlin bleiben können? Denn gleichzeitig gab es die Prämisse, dass sich das Museum dort selbst finanzieren muss."

Eine Erfolgsgeschichte – doch im Nachhinein betrachtet vielleicht zu erfolgreich? Tatsache ist, dass man nach der Verkündung der Berliner Umzugspläne nichts mehr von Vitra in Berlin gehört hat. Da das Pfefferberggelände inzwischen anderweitig verwendet wird, war irgendwann klar, dass die Berlin-Pläne des Vitra Design Museums geplatzt waren. Nur geredet wurde nicht mehr darüber.

"Die Gründe, am Ende dieses Berliner Engagement ganz zu beenden, waren rein interner Natur …,"

… sagt Mateo Kries, der einstige Berlin-Statthalter von Vitra heute – und seiner Stimme ist dabei eine gewisse Frustration noch immer deutlich anzumerken.

"Vitra ist dabei, an seinem Hauptsitz sehr stark zu expandieren, es werden neue Gebäude mit Herzog de Meuron und SANAA gebaut, und man war der Meinung, dass eine Präsenz in Berlin von dieser Expansion in Weil am Rhein ablenken würde, dass man alle Kräfte hier in Weil am Rhein bündeln wolle, um hier den wirklich wichtigen Hauptsitz des Museums zu stärken, und man hatte das Gefühl, dass ein dauerhaftes Engagement in Berlin da nicht reinpasst."
Eine zweifellos extravagante Begründung, die darauf hindeutet, dass man am Stammsitz in Weil am Rhein konkrete Befürchtungen hegte, dass ihm der Ableger in Berlin den Rang in der internationalen Aufmerksamkeit ablaufen, dass das Berliner Engagement sich vom Stammsitz entkoppeln könnte. Es fällt schwer, diese Begründung objektiv nachzuvollziehen. Aber man muss hier wohl von einer psychologischen Komponente ausgehen.

In Weil am Rhein ist die internationale Ausstrahlung des Vitra Design Museums jedenfalls unabweisbar vorhanden. Täglich kommen Besucher aus aller Welt auf den Vitra Campus, man ist hier ein Leuchtturm, der in viele Richtungen ausstrahlt. In Turin, der Unesco Design Hauptstadt 2008, zeigt Vitra-Museumsleiter Alexander von Vegesack ab Juli seine exquisite
Design-Objektsammlung. Parallel zur Kunstmesse art basel zeigt Vitra eine Ausstellung zum Engagement verschiedener Architekten im Emirat Dubai. In Berlin wäre das Geschäft zweifellos unruhiger gewesen, weitaus weniger gesetzt.
Am Ende bleibt ein Verlust zu konstatieren – für alle Seiten.

Den Internetauftritt des Vitra-Design-Museums finden sie hier