"Ein unglaublicher Wandel" in Tunesien
Am Sonntag wählen die Tunesier eine verfassungsgebende Versammlung. Die Frauen spielen eine gewichtige Rolle im politischen Leben des Landes, berichtet Renate Fisseler-Skandrani, Mitarbeiterin des Goethe-Instituts in Tunis.
Ulrike Timm: Es ist keine zehn Monate her, da war Tunesien noch eine Diktatur. Mitte Januar war Präsident Ben Ali dann wegdemonstriert worden, Tunesien Vorreiter des Arabischen Frühlings, und seitdem sind die Tunesier entschlossen, sich demokratische Strukturen zu geben. Und sie machen Ernst damit: Anders als etwa in Ägypten haben die alten Kräfte in Tunesien wenig Einfluss. Sonntag soll es die ersten freien Wahlen geben, und zwar Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung. 217 Volksvertreter sollen dann gemeinsam eine Verfassung erarbeiten, und so eine Verfassung markiert ja nichts weniger als das Selbstverständnis eines Staates: Wie sehen wir uns und wo wollen wir hin?
Zugleich ist Tunesien ein brodelndes Labor: Wie verlaufen Wahlen in einem Land mit 93 Kleinstparteien, in einem Land, das sich zum ersten Mal beherzt daran macht, sich auf demokratische Füße zu stellen? Renate Fisseler-Skandrani lebt seit 20 Jahren in Tunis, sie ist mit einem Tunesier verheiratet und arbeitet beim Goethe-Institut, sie kann uns bestimmt Einblick geben. Schönen guten Tag, Frau Fisseler-Skandrani!
Renate Fisseler-Skandrani: Guten Tag!
Timm: Wenn Sie jetzt durch Tunis gehen, wie ist da eigentlich die Stimmung, wie sieht der Wahlkampf konkret aus?
Fisseler-Skandrani: Ja, wenn ich durch Tunis gehe, dann kann es mir passieren, dass ich an sehr vielen Straßen oder am Markt oder vor Geschäften zurzeit Leute finde, die diskutieren, und zwar sind das die zahlreichen Wahlkämpfer und Wahlkämpferinnen, die jetzt unterwegs sind, um für ihre Parteien zu werben, aber auch für die Teilnahme an den Wahlen zu werben. Und unter diesen sind natürlich sehr viele Frauen, denn die Wahllisten, die erstellt worden sind, enthalten zu 50 Prozent weibliche Kandidaten.
Timm: Das ist ja eine Besonderheit: 50 Prozent der Kandidaten müssen Frauen sein. Ein seltsames Gefühl von Deutschland aus: Wir diskutieren gerade über Quoten in Firmen, und in Tunesien, wo man Demokratie noch übt, sagt man, 50 Prozent der Wählbaren müssen Frauen sein. Wie kam es dazu, dass man das gleich so geregelt hat?
Fisseler-Skandrani: Ja, also das muss man im Zusammenhang mit der historischen Situation … Es gibt eine Frauenbewegung seit Anfang der 80er-Jahre, es gibt auch mehrere schon in der Diktatur legalisierte Vereinigungen, aber auch viele unabhängige Feministinnen. Und im Hohen Rat für die Verwirklichung der Ziele der Revolution und die Vorbereitung der Wahlen, der als eine Art revolutionäres Parlament seit März seine Arbeit aufgenommen hat, sitzen solche Frauen, die sich für diese Rechte einsetzen, und sie haben diesen Vorschlag in den Hohen Rat gebracht. Es gab lange Diskussionen, aber dann eine knappe Mehrheit, eine Mehrheit mit Männern, die sich für diese Parität eingesetzt haben.
Timm: Und wie viele dieser Kandidatinnen haben denn eine reelle Chance, auch gewählt zu werden, sprich, stehen auf vorderen Listenplätzen?
Fisseler-Skandrani: Das ist die große Frage. Die Listen selbst, alle Listen … Die Vorgabe ist, dass sie paritätisch besetzt sind und nicht nur paritätisch besetzt, sondern dass Mann, Frau, Mann, Frau einander abwechseln müssen. Aber dieses Abwechseln auf den landesweiten Listen einer Partei, das ist nicht verwirklicht worden, das heißt, nur etwa fünf Prozent der Spitzenplätze sind mit Frauen besetzt. Also das ist extrem wenig, und wenn man das Wahlrecht, das ein proportionelles Wahlrecht, ein Verhältniswahlrecht ist, betrachtet, dann bedeutet das, dass im Parlament höchstens fünf bis zehn Prozent Frauen wirklich sitzen werden.
Timm: Das ist dann die andere Seite dieses ambitionierten Vorhabens. Trotzdem sind Frauen ja in diesem Wahlprozess, der jetzt läuft, sehr viel sichtbarer geworden als sie es vorher waren. Wie treten die denn auf im Wahlkampf oder in der Öffentlichkeit seit zehn Monaten in Tunesien?
Fisseler-Skandrani: Ja, also man muss sagen, da ist ein unglaublicher Wandel eben vollzogen worden zwischen Mai, als noch die ersten Initiativen … Also ich war bei der "Initiative Citoyenne" hier in Tunis, einer großen Veranstaltung, wo auf dem Podium wirklich ausschließlich zunächst Männer saßen. Dieses Bild ist verschwunden. Heute, wo immer diskutiert wird und wo immer eben die Kandidaten und Kandidatinnen auftreten, sieht man zur Hälfte Frauen, zur Hälfte Männer.
Timm: Das ging ja blitzschnell, in zehn Monaten. Ist diese tunesische Frauenbewegung eine hauptstädtische, oder reicht die bis aufs Dorf?
Fisseler-Skandrani: Also es ist vor allen Dingen eine hauptstädtische und im Umkreis, also im Küstenbereich, das muss man so sagen. Aber man muss auch sagen, dass Frauen eben in der revolutionären Bewegung eine wichtige Rolle gespielt haben auf verschiedenen Ebenen, die Bewegung ist vom Landesinneren ausgegangen, sie wurde nicht von Parteien getragen, sondern sie war eine spontane Bewegung. Frauen haben auf ganz unterschiedliche Weise darin ihren Platz gehabt. Das ist die eine Seite.
Wenn man sagt, also gibt es überhaupt genug Frauen, die aktiv werden können, dann gibt es die Frauenkommissionen, die schon in der Diktatur bestanden haben, in den Gewerkschaften, in der Liga für Menschenrechte, und dann gibt es aber eine große Zahl von jungen Frauen – und ich habe mit ihnen gesprochen –, die nach dem 14. Januar mit einem Mal eben einen großen Wunsch, wie Männer auch aus der jungen Generation, hatten, eben sich zu engagieren, teilzunehmen eben am Aufbau dieses Landes. Und die Ängste, die vorher real da waren bei vielen Frauen, die sind weg gewesen, und sie haben dann die Möglichkeit genutzt, die ihnen eben diese Parität, dieses Prinzip gegeben hat, und sie konnten eben dort hineingehen. Es ist ein Anfang.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit Renate Fisseler-Skandrani in Tunis über die bevorstehenden Wahlen in Tunesien. 217 Mitglieder soll die verfassungsgebende Versammlung haben, sie sollen aus allen Schichten der Gesellschaft kommen, 93 Parteien gibt es, jedes Meinungsspektrum dürfte vertreten sein. Wer hat denn die besten Chancen?
Fisseler-Skandrani: Ja, die besten Chancen hat bis jetzt Ennahda als Partei, bei denen man zwischen 20, 25, 30 Prozent vermutet, dass sie die haben werden. Diese gemäßigt islamistische Partei gibt sich jetzt demokratisch, sie betont ihre Nähe zur türkischen AKP, die sie aber nicht wirklich hat, denn in der Türkei ist eine Trennung zwischen Politik und Religion. Und in dieser Frage hält sich Ennahda bedeckt. Und was jetzt neu hinzukommt: Gestern hat der Vorsitzende Rachid Ghannouchi von einer möglichen Wahlmanipulation gesprochen zu Ungunsten von Ennahda, und dass Ennahda es nicht akzeptieren würde, wenn seine Partei, die er als stärkste Kraft sieht, nicht die Führungsposition in einer Regierung der nationalen Einheit einnimmt.
Timm: Ennahda ist eine Partei mit starker religiöser Ausrichtung. Ist womöglich eine stärkere religiöse Ausrichtung Tunesiens mit diesen Wahlen der Preis für mehr Demokratie?
Fisseler-Skandrani: Also der Preis für mehr Demokratie ist, dass eine Auseinandersetzung mit islamistischen Parteien, mit gemäßigt islamistischen Parteien geführt werden muss. Wir haben gesehen, dass diese 23 Jahre extreme Unterdrückung und Verfolgung der Islamisten – aber eben nicht nur der Islamisten, sondern auch der kommunistischen Partei und der Partei von Moncef Marzouki, der Kongress für die Republik –, dass das keine Lösung ist. Es geht um eine Auseinandersetzung.
Timm: Fürchten denn die Säkularen, die Modernen, die jungen Tunesier, die demonstriert haben, die Wahlen ebenso, wie sie sich darüber freuen, weil dann die religiösen Parteien womöglich doch den Sieg davontragen?
Fisseler-Skandrani: Also von Furcht spüre ich jetzt im Moment eher in den Medien in Europa viel als in Tunesien selbst. Also wir sind so ein bisschen geleitet von einer Art, ich habe das so genannt, "Da-müssen-wir-durch-Optimismus". Wir wissen aus Europa, wir wissen, dass historische Veränderungen ihre Zeit brauchen und dass sie einfach geführt werden müssen, dass sie geführt werden müssen, jetzt auch natürlich eben mit dieser stärksten Partei. Diese Auseinandersetzung muss geführt werden und sie wird geführt, und sie wird nicht nur geführt werden im Parlament, wo die demokratischen Parteien, mehrere, jetzt zu verstehen geben, dass sie als demokratischer Block zusammenarbeiten werden. Aber ich sehe diese Auseinandersetzung eben mit diesen gemäßigt islamistischen Strömungen nicht nur im Parlament, sondern da ist die Zivilgesellschaft gefragt. Und da kommen wir auch wieder zu den Frauen, die, so kann man es sagen, auch eher geneigt sind, sich eben in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Vereinigungen zu engagieren.
Timm: Ein Land übt sich in Demokratie, und das mit Leidenschaft: Am Sonntag wird es in Tunesien Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung geben, ich sprach darüber mit Renate Fisseler-Skandrani, sie lebt seit 20 Jahren in Tunis. Frau Fisseler-Skandrani, herzlichen Dank fürs Gespräch!
Fisseler-Skandrani: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Zugleich ist Tunesien ein brodelndes Labor: Wie verlaufen Wahlen in einem Land mit 93 Kleinstparteien, in einem Land, das sich zum ersten Mal beherzt daran macht, sich auf demokratische Füße zu stellen? Renate Fisseler-Skandrani lebt seit 20 Jahren in Tunis, sie ist mit einem Tunesier verheiratet und arbeitet beim Goethe-Institut, sie kann uns bestimmt Einblick geben. Schönen guten Tag, Frau Fisseler-Skandrani!
Renate Fisseler-Skandrani: Guten Tag!
Timm: Wenn Sie jetzt durch Tunis gehen, wie ist da eigentlich die Stimmung, wie sieht der Wahlkampf konkret aus?
Fisseler-Skandrani: Ja, wenn ich durch Tunis gehe, dann kann es mir passieren, dass ich an sehr vielen Straßen oder am Markt oder vor Geschäften zurzeit Leute finde, die diskutieren, und zwar sind das die zahlreichen Wahlkämpfer und Wahlkämpferinnen, die jetzt unterwegs sind, um für ihre Parteien zu werben, aber auch für die Teilnahme an den Wahlen zu werben. Und unter diesen sind natürlich sehr viele Frauen, denn die Wahllisten, die erstellt worden sind, enthalten zu 50 Prozent weibliche Kandidaten.
Timm: Das ist ja eine Besonderheit: 50 Prozent der Kandidaten müssen Frauen sein. Ein seltsames Gefühl von Deutschland aus: Wir diskutieren gerade über Quoten in Firmen, und in Tunesien, wo man Demokratie noch übt, sagt man, 50 Prozent der Wählbaren müssen Frauen sein. Wie kam es dazu, dass man das gleich so geregelt hat?
Fisseler-Skandrani: Ja, also das muss man im Zusammenhang mit der historischen Situation … Es gibt eine Frauenbewegung seit Anfang der 80er-Jahre, es gibt auch mehrere schon in der Diktatur legalisierte Vereinigungen, aber auch viele unabhängige Feministinnen. Und im Hohen Rat für die Verwirklichung der Ziele der Revolution und die Vorbereitung der Wahlen, der als eine Art revolutionäres Parlament seit März seine Arbeit aufgenommen hat, sitzen solche Frauen, die sich für diese Rechte einsetzen, und sie haben diesen Vorschlag in den Hohen Rat gebracht. Es gab lange Diskussionen, aber dann eine knappe Mehrheit, eine Mehrheit mit Männern, die sich für diese Parität eingesetzt haben.
Timm: Und wie viele dieser Kandidatinnen haben denn eine reelle Chance, auch gewählt zu werden, sprich, stehen auf vorderen Listenplätzen?
Fisseler-Skandrani: Das ist die große Frage. Die Listen selbst, alle Listen … Die Vorgabe ist, dass sie paritätisch besetzt sind und nicht nur paritätisch besetzt, sondern dass Mann, Frau, Mann, Frau einander abwechseln müssen. Aber dieses Abwechseln auf den landesweiten Listen einer Partei, das ist nicht verwirklicht worden, das heißt, nur etwa fünf Prozent der Spitzenplätze sind mit Frauen besetzt. Also das ist extrem wenig, und wenn man das Wahlrecht, das ein proportionelles Wahlrecht, ein Verhältniswahlrecht ist, betrachtet, dann bedeutet das, dass im Parlament höchstens fünf bis zehn Prozent Frauen wirklich sitzen werden.
Timm: Das ist dann die andere Seite dieses ambitionierten Vorhabens. Trotzdem sind Frauen ja in diesem Wahlprozess, der jetzt läuft, sehr viel sichtbarer geworden als sie es vorher waren. Wie treten die denn auf im Wahlkampf oder in der Öffentlichkeit seit zehn Monaten in Tunesien?
Fisseler-Skandrani: Ja, also man muss sagen, da ist ein unglaublicher Wandel eben vollzogen worden zwischen Mai, als noch die ersten Initiativen … Also ich war bei der "Initiative Citoyenne" hier in Tunis, einer großen Veranstaltung, wo auf dem Podium wirklich ausschließlich zunächst Männer saßen. Dieses Bild ist verschwunden. Heute, wo immer diskutiert wird und wo immer eben die Kandidaten und Kandidatinnen auftreten, sieht man zur Hälfte Frauen, zur Hälfte Männer.
Timm: Das ging ja blitzschnell, in zehn Monaten. Ist diese tunesische Frauenbewegung eine hauptstädtische, oder reicht die bis aufs Dorf?
Fisseler-Skandrani: Also es ist vor allen Dingen eine hauptstädtische und im Umkreis, also im Küstenbereich, das muss man so sagen. Aber man muss auch sagen, dass Frauen eben in der revolutionären Bewegung eine wichtige Rolle gespielt haben auf verschiedenen Ebenen, die Bewegung ist vom Landesinneren ausgegangen, sie wurde nicht von Parteien getragen, sondern sie war eine spontane Bewegung. Frauen haben auf ganz unterschiedliche Weise darin ihren Platz gehabt. Das ist die eine Seite.
Wenn man sagt, also gibt es überhaupt genug Frauen, die aktiv werden können, dann gibt es die Frauenkommissionen, die schon in der Diktatur bestanden haben, in den Gewerkschaften, in der Liga für Menschenrechte, und dann gibt es aber eine große Zahl von jungen Frauen – und ich habe mit ihnen gesprochen –, die nach dem 14. Januar mit einem Mal eben einen großen Wunsch, wie Männer auch aus der jungen Generation, hatten, eben sich zu engagieren, teilzunehmen eben am Aufbau dieses Landes. Und die Ängste, die vorher real da waren bei vielen Frauen, die sind weg gewesen, und sie haben dann die Möglichkeit genutzt, die ihnen eben diese Parität, dieses Prinzip gegeben hat, und sie konnten eben dort hineingehen. Es ist ein Anfang.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit Renate Fisseler-Skandrani in Tunis über die bevorstehenden Wahlen in Tunesien. 217 Mitglieder soll die verfassungsgebende Versammlung haben, sie sollen aus allen Schichten der Gesellschaft kommen, 93 Parteien gibt es, jedes Meinungsspektrum dürfte vertreten sein. Wer hat denn die besten Chancen?
Fisseler-Skandrani: Ja, die besten Chancen hat bis jetzt Ennahda als Partei, bei denen man zwischen 20, 25, 30 Prozent vermutet, dass sie die haben werden. Diese gemäßigt islamistische Partei gibt sich jetzt demokratisch, sie betont ihre Nähe zur türkischen AKP, die sie aber nicht wirklich hat, denn in der Türkei ist eine Trennung zwischen Politik und Religion. Und in dieser Frage hält sich Ennahda bedeckt. Und was jetzt neu hinzukommt: Gestern hat der Vorsitzende Rachid Ghannouchi von einer möglichen Wahlmanipulation gesprochen zu Ungunsten von Ennahda, und dass Ennahda es nicht akzeptieren würde, wenn seine Partei, die er als stärkste Kraft sieht, nicht die Führungsposition in einer Regierung der nationalen Einheit einnimmt.
Timm: Ennahda ist eine Partei mit starker religiöser Ausrichtung. Ist womöglich eine stärkere religiöse Ausrichtung Tunesiens mit diesen Wahlen der Preis für mehr Demokratie?
Fisseler-Skandrani: Also der Preis für mehr Demokratie ist, dass eine Auseinandersetzung mit islamistischen Parteien, mit gemäßigt islamistischen Parteien geführt werden muss. Wir haben gesehen, dass diese 23 Jahre extreme Unterdrückung und Verfolgung der Islamisten – aber eben nicht nur der Islamisten, sondern auch der kommunistischen Partei und der Partei von Moncef Marzouki, der Kongress für die Republik –, dass das keine Lösung ist. Es geht um eine Auseinandersetzung.
Timm: Fürchten denn die Säkularen, die Modernen, die jungen Tunesier, die demonstriert haben, die Wahlen ebenso, wie sie sich darüber freuen, weil dann die religiösen Parteien womöglich doch den Sieg davontragen?
Fisseler-Skandrani: Also von Furcht spüre ich jetzt im Moment eher in den Medien in Europa viel als in Tunesien selbst. Also wir sind so ein bisschen geleitet von einer Art, ich habe das so genannt, "Da-müssen-wir-durch-Optimismus". Wir wissen aus Europa, wir wissen, dass historische Veränderungen ihre Zeit brauchen und dass sie einfach geführt werden müssen, dass sie geführt werden müssen, jetzt auch natürlich eben mit dieser stärksten Partei. Diese Auseinandersetzung muss geführt werden und sie wird geführt, und sie wird nicht nur geführt werden im Parlament, wo die demokratischen Parteien, mehrere, jetzt zu verstehen geben, dass sie als demokratischer Block zusammenarbeiten werden. Aber ich sehe diese Auseinandersetzung eben mit diesen gemäßigt islamistischen Strömungen nicht nur im Parlament, sondern da ist die Zivilgesellschaft gefragt. Und da kommen wir auch wieder zu den Frauen, die, so kann man es sagen, auch eher geneigt sind, sich eben in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Vereinigungen zu engagieren.
Timm: Ein Land übt sich in Demokratie, und das mit Leidenschaft: Am Sonntag wird es in Tunesien Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung geben, ich sprach darüber mit Renate Fisseler-Skandrani, sie lebt seit 20 Jahren in Tunis. Frau Fisseler-Skandrani, herzlichen Dank fürs Gespräch!
Fisseler-Skandrani: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.