Verschollen in der IS-Hölle
Manuel und Fabian aus Kassel konvertierten vor gut zwei Jahren zum Islam. Ihr Vater Joachim Gerhard war irritiert, aber nicht beunruhigt. Doch dann radikalisieren sich die jungen Männer in kürzester Zeit und kehrten von einer Auslandsreise nicht nach Hause zurück.
Die Hoffnung ist immer noch da. Die Hoffnung, dass seine Söhne Manuel und Fabian noch leben. Nicht gefallen sind im Kampf für den sogenannten "Islamischen Staat" in Rakka oder Mossul. Die Hoffnung des Joachim Gerhard ist in den vergangenen drei Monaten sogar wieder gewachsen:
"Die Hinweise haben sich extrem gehäuft, dass sie leben würden."
Hinweise etwa aus Kreisen türkischer Militärs oder syrisch-kurdischer Milizen, die Joachim Gerhard in den letzten Jahren im türkisch-syrischen Grenzgebiet kennengelernt hat. Jene Region, in die der freundliche Dreiundfünfzigjährige mit kurzem grauem Haar seit mehr zwei Jahren immer wieder fährt, um eine Spur zu finden, die ihn endlich zu seinen Söhnen führen könnte. Die Signale, die er in letzter Zeit von seinen Informanten in der Region bekommt, ermutigen Joachim Gerhard. Denn sie lauten:
"Die seien irgendwo in Sicherheit, die müssten nicht kämpfen oder sie hätten auch keine Chance, sich telefonisch zu melden, weil da, wo sie jetzt sind, gibt es kein Internet. Sagen wir mal: Der Zulauf ist eigentlich mehr gewesen, dass sie leben als dass sie tot sind."
"Die Hinweise haben sich extrem gehäuft, dass sie leben würden."
Hinweise etwa aus Kreisen türkischer Militärs oder syrisch-kurdischer Milizen, die Joachim Gerhard in den letzten Jahren im türkisch-syrischen Grenzgebiet kennengelernt hat. Jene Region, in die der freundliche Dreiundfünfzigjährige mit kurzem grauem Haar seit mehr zwei Jahren immer wieder fährt, um eine Spur zu finden, die ihn endlich zu seinen Söhnen führen könnte. Die Signale, die er in letzter Zeit von seinen Informanten in der Region bekommt, ermutigen Joachim Gerhard. Denn sie lauten:
"Die seien irgendwo in Sicherheit, die müssten nicht kämpfen oder sie hätten auch keine Chance, sich telefonisch zu melden, weil da, wo sie jetzt sind, gibt es kein Internet. Sagen wir mal: Der Zulauf ist eigentlich mehr gewesen, dass sie leben als dass sie tot sind."
"Alle dachten, die kommen in zwei, drei Wochen zurück"
Der Zulauf, von dem Joachim Gerhard spricht, sind die Reaktionen auf das Buch, das er im September veröffentlichte. Es trägt den Titel: "Ich hole euch zurück. Ein Vater sucht in der IS-Hölle nach seinen Söhnen". Freunde hatten Joachim Gerhard ermutigt, es zu schreiben:
"Es war kein Mensch dabei der gesagt: 'Scheiße, du hast radikale Kinder, dass sind Mörder!' Weil sie alle diese Jungs kennen, alle, die waren alle fassungslos. Alle, die mein Jungs kennen, die haben gesagt, die kommen in zwei, drei Wochen wieder zurück, kommen in vier Wochen wieder zurück. Weil wir einfach überzeugt waren, die sind da hingefahren und wissen gar nicht, was da los war."
Manuel und Fabian, die Söhne, nach denen Joachim Gerhard sucht, kamen aber nicht nach ein paar Wochen wieder zurück. Sie befinden sich bereits seit 2014 irgendwo in Syrien oder im Irak in dem Gebiet, das der sogenannte "Islamische Staat" kontrolliert. Ihr Schicksal ist seitdem ungeklärt. Als sich das Kasseler Brüderpaar zum radikalen Islamismus bekannte, waren die beiden gerade 17 und 21 Jahre alt. Mit mehreren anderen Gesinnungsgenossen aus Nordhessen gingen Manuel und Fabian Gerhard nach Syrien. Joachim Gerhard kann auch heute noch nicht begreifen, warum sich seine Söhne innerhalb weniger Monate nach ihrer Konversion zum Islam innerhalb einer größeren Kasseler Gruppe derart radikalisierten, dass sie Anhänger des IS wurden:
"Selbst der Staatsschutz, für die ist das unbegreiflich, wie schnell das ging. Die aus Kassel, die hier weg sind, die jungen Leute, das ging ja teilweise innerhalb von drei Monaten, innerhalb der sie sie angeworben haben. Und dann ist eine große Gruppe aus Kassel da runter gefahren."
"Es war kein Mensch dabei der gesagt: 'Scheiße, du hast radikale Kinder, dass sind Mörder!' Weil sie alle diese Jungs kennen, alle, die waren alle fassungslos. Alle, die mein Jungs kennen, die haben gesagt, die kommen in zwei, drei Wochen wieder zurück, kommen in vier Wochen wieder zurück. Weil wir einfach überzeugt waren, die sind da hingefahren und wissen gar nicht, was da los war."
Manuel und Fabian, die Söhne, nach denen Joachim Gerhard sucht, kamen aber nicht nach ein paar Wochen wieder zurück. Sie befinden sich bereits seit 2014 irgendwo in Syrien oder im Irak in dem Gebiet, das der sogenannte "Islamische Staat" kontrolliert. Ihr Schicksal ist seitdem ungeklärt. Als sich das Kasseler Brüderpaar zum radikalen Islamismus bekannte, waren die beiden gerade 17 und 21 Jahre alt. Mit mehreren anderen Gesinnungsgenossen aus Nordhessen gingen Manuel und Fabian Gerhard nach Syrien. Joachim Gerhard kann auch heute noch nicht begreifen, warum sich seine Söhne innerhalb weniger Monate nach ihrer Konversion zum Islam innerhalb einer größeren Kasseler Gruppe derart radikalisierten, dass sie Anhänger des IS wurden:
"Selbst der Staatsschutz, für die ist das unbegreiflich, wie schnell das ging. Die aus Kassel, die hier weg sind, die jungen Leute, das ging ja teilweise innerhalb von drei Monaten, innerhalb der sie sie angeworben haben. Und dann ist eine große Gruppe aus Kassel da runter gefahren."
Schnelle und heimliche Radikalisierung
Als Manuel und Fabian ihrem Vater vor nunmehr rund drei Jahren offenbaren, dass sie zum Islam übertreten wollen, ist Joachim Gerhard irritiert. Er besucht besorgt die Moschee in Kassel, der sie sich zugehörig fühlen und stellt fest: Hass wird dort nicht gepredigt. Das beruhigt ihn zunächst. Doch das Brüderpaar radikalisiert sich sehr schnell, ohne dass der Vater, ein erfolgreicher und vielbeschäftigter Immobilienmakler, es bemerkt. Die Hinwendung zum Islamismus vollzieht sein älterer Sohn nach dem Studium an einer Schauspielschule in Berlin, erinnert sich Joachim Gerhard heute. Zu seiner Überraschung will der angehende Schauspieler plötzlich wieder aus der Hauptstadt zurück in seine Heimatstadt Kassel:
"Bei meinem großen Sohn ging es innerhalb eines halben Jahres. Der ist 2014 zurück aus Berlin, hat dann eine Lehre angefangen, bei uns im Büro hier. Und dann hat er auch seinen Freund wieder kennengelernt, den Jungen, der aber schon seit zwei Jahren anscheinend in dem Milieu drin war. Und mein kleiner Sohn, da ging es dann von März oder April 2014 praktisch innerhalb von drei Monaten, als sie dann die Koffer packten und weggefahren sind."
Mit dem Wagen des Vaters, den sie sich angeblich für eine Fahrt nach Wien leihen. Sie melden sich jedoch später aus einem Gebiet an der syrisch-türkischen Grenze, das 2014 vom IS kontrolliert wurde. Für Joachim Gerhard beginnt eine rastlose Suche, die bis heute nicht zu Ende ist. Er hofft, dass seine Söhne in Rakka sind – der Hochburg des sogenannten "Islamischen Staats" in Syrien. Noch sei es in Rakka vergleichsweise ruhig, sagen ihm seine Kontaktpersonen auf türkischer und syrischer Seite. Doch ähnlich wie in Mossul rückt das Militär-Bündnis der IS-Gegner zurzeit auch auf Rakka vor, dessen ist sich Joachim Gerhard sehr bewusst:
"Ich weiß halt nur von Insidern, die in Rakka teilweise auch am Suchen sind oder drin sind, dass es sehr, sehr schwierig ist, jemanden da rauszuholen oder jemanden zu suchen. Weil es da wie eine Sicherheitsglocke des IS ist, der die ganzen Leute unter Sicherheit hält und praktisch gefangen hält und aufpasst, dass da keiner abrückt."
"Bei meinem großen Sohn ging es innerhalb eines halben Jahres. Der ist 2014 zurück aus Berlin, hat dann eine Lehre angefangen, bei uns im Büro hier. Und dann hat er auch seinen Freund wieder kennengelernt, den Jungen, der aber schon seit zwei Jahren anscheinend in dem Milieu drin war. Und mein kleiner Sohn, da ging es dann von März oder April 2014 praktisch innerhalb von drei Monaten, als sie dann die Koffer packten und weggefahren sind."
Mit dem Wagen des Vaters, den sie sich angeblich für eine Fahrt nach Wien leihen. Sie melden sich jedoch später aus einem Gebiet an der syrisch-türkischen Grenze, das 2014 vom IS kontrolliert wurde. Für Joachim Gerhard beginnt eine rastlose Suche, die bis heute nicht zu Ende ist. Er hofft, dass seine Söhne in Rakka sind – der Hochburg des sogenannten "Islamischen Staats" in Syrien. Noch sei es in Rakka vergleichsweise ruhig, sagen ihm seine Kontaktpersonen auf türkischer und syrischer Seite. Doch ähnlich wie in Mossul rückt das Militär-Bündnis der IS-Gegner zurzeit auch auf Rakka vor, dessen ist sich Joachim Gerhard sehr bewusst:
"Ich weiß halt nur von Insidern, die in Rakka teilweise auch am Suchen sind oder drin sind, dass es sehr, sehr schwierig ist, jemanden da rauszuholen oder jemanden zu suchen. Weil es da wie eine Sicherheitsglocke des IS ist, der die ganzen Leute unter Sicherheit hält und praktisch gefangen hält und aufpasst, dass da keiner abrückt."
Hoffnungszeichen aus anderen Familien
Nach der Veröffentlichung des Buches vor knapp drei Monaten haben sich auch andere Eltern bei Joachim Gerhard gemeldet, deren Kinder nach Syrien gegangen sind, um sich dem "Islamischen Staat" anzuschließen. Auch das, was sie ihm erzählen, macht dem Kasseler Vater durchaus Hoffnung:
"Was man dann so nach und nach rausbekommen hat von Eltern, die sich gemeldet haben, ich habe Eltern kennengelernt, das ist ein Ehepaar aus München, die treffe ich jetzt am Donnerstag hier in Kassel. Der Sohn war glaube ich anderthalb Jahre komplett verschwunden, war auch einmal für tot erklärt worden. Und der hat sich dann vor fünf oder sechs Wochen ganz kurz gemeldet, dass er lebt."
Joachim Gerhard weiß: Wenn auch seine beiden Söhne noch leben sollten und etwa bei einem Angriff der Anti-IS-Koalition auf Rakka in die Hände westlicher Verbündeter fallen, drohen ihnen in Deutschland lange Haftstrafen:
"Wenn sie Kämpfer sind – ich weiß es absolut nicht. Ich gehe davon aus, dass sie versuchen zu überleben - mindestens. Wenn sie gekämpft haben, ob sie Greueltaten gemacht haben, müssen sie dafür auch bestraft werden, das ist klar, Auch wenn es meine eigenen Kinder sind. Ich gehe halt immer davon aus, deshalb kämpfe ich ja um meine Kinder, weil ich halt weiß: Solange sie hier waren, waren sie keine Radikalen. Sie hatten weder mit Krieg zu tun, noch Interesse dran gehabt, noch an Nachrichten. Das hat sie eigentlich nie interessiert, weil es ihnen einfach zu gut ging."
"Was man dann so nach und nach rausbekommen hat von Eltern, die sich gemeldet haben, ich habe Eltern kennengelernt, das ist ein Ehepaar aus München, die treffe ich jetzt am Donnerstag hier in Kassel. Der Sohn war glaube ich anderthalb Jahre komplett verschwunden, war auch einmal für tot erklärt worden. Und der hat sich dann vor fünf oder sechs Wochen ganz kurz gemeldet, dass er lebt."
Joachim Gerhard weiß: Wenn auch seine beiden Söhne noch leben sollten und etwa bei einem Angriff der Anti-IS-Koalition auf Rakka in die Hände westlicher Verbündeter fallen, drohen ihnen in Deutschland lange Haftstrafen:
"Wenn sie Kämpfer sind – ich weiß es absolut nicht. Ich gehe davon aus, dass sie versuchen zu überleben - mindestens. Wenn sie gekämpft haben, ob sie Greueltaten gemacht haben, müssen sie dafür auch bestraft werden, das ist klar, Auch wenn es meine eigenen Kinder sind. Ich gehe halt immer davon aus, deshalb kämpfe ich ja um meine Kinder, weil ich halt weiß: Solange sie hier waren, waren sie keine Radikalen. Sie hatten weder mit Krieg zu tun, noch Interesse dran gehabt, noch an Nachrichten. Das hat sie eigentlich nie interessiert, weil es ihnen einfach zu gut ging."
Vater suchte das Gespräch mit seinen Kindern
Materiell ging es den beiden als Kindern tatsächlich gut in dem wohlhabenden Maklerhaushalt. Es fehlte an nichts. Allerdings: Die Eltern ließen sich scheiden, als die beiden noch im Kindesalter waren. Joachim Gerhard spricht im Buch jedoch von weiteren gemeinsamen Urlauben der gesamten Familie, um die Kinder den Bruch nicht spüren zu lassen. Als die beiden Brüder später als junge Erwachsene den Wunsch äußerten, gemeinsam zum Studium und zur Lehre nach Berlin zu gehen, bekommen sie von den Eltern WG-Zimmer finanziert.
Es seien alte Schulfreunde gewesen, die das Brüderpaar nach ihrer Rückkehr von Studium und Lehre in Berlin in die Kasseler Salafistenszene hineingezogen hätten, glaubt Joachim Gerhard. Als seine Söhne ihm 2014 mitteilten, dass sie zum Islam konvertieren wollen, habe er schon geschluckt - dann aber auch das Gespräch gesucht:
"Es war auch teils von meinem ältesten Sohn her, wir haben uns einmal unterhalten: Er hat dann gesagt, Papa, hier leben wir nur auf Zeit. Wir müssen hier vieles Gutes tun, das wahre Leben ist dann im Paradies. Da habe ich dann Angst gekriegt habe gedacht, mein Gott, was passiert denn da jetzt, ist der so fasziniert von dem Glauben? Aber am Anfang, als ich mit ihm in der Moschee war, da haben sie mir immer wieder geschworen: Wir haben nichts mit dem IS zu tun, wir gehen auch nicht nach Syrien. Und da war auch wieder so eine Phase, wo alles wieder normal war. Und ich dachte, vielleicht war es auch nur so eine Phase, in der sie was ausprobieren wollten und jetzt sind sie wieder normal. Und dann, als sie anfingen, sie wollten nach Wien fahren offiziell. Einen Freund besuchen, mein Ältester hatte einen Freund in der Schauspielschule gehabt. Da habe ich gedacht, jetzt kommen sie wieder auf den Weg und führen jetzt wieder ein normales Leben."
Doch das erweist sich als großer Irrtum. Statt nach Wien geht die Reise des Kasseler Brüderpaars an die türkisch-syrische Grenze. Dort lassen sie das Auto des Vaters zurück und reisen in das damals vom IS kontrollierte syrische Gebiet unmittelbar hinter der Grenze ein. Vor dort aus melden sich die beiden per Mobiltelefon beim Vater in Kassel. Joachim Gerhard kündigt an, er wolle seine Söhne in Syrien besuchen. Im Gebiet des sogenannten "Islamischen Staates". Zunächst stimmen die Brüder freudig zu. Dann: Ihre Absage und der jähe Abbruch des Kontaktes zum Vater.
"Der Junge, der zurückgekommen ist, hat mir dann mal gesagt: (…) Joachim, der Fabi und der (...) waren richtig stolz auf dich, weil du uns ja auch besuchen wolltest, im Islamischen Staat, in Syrien. Aber vielleicht hatten die auch Angst, dass du runter kommst und dir passiert was und vielleicht wollen sie sich auch deshalb nicht mehr melden, um dich zu schützen."
Es seien alte Schulfreunde gewesen, die das Brüderpaar nach ihrer Rückkehr von Studium und Lehre in Berlin in die Kasseler Salafistenszene hineingezogen hätten, glaubt Joachim Gerhard. Als seine Söhne ihm 2014 mitteilten, dass sie zum Islam konvertieren wollen, habe er schon geschluckt - dann aber auch das Gespräch gesucht:
"Es war auch teils von meinem ältesten Sohn her, wir haben uns einmal unterhalten: Er hat dann gesagt, Papa, hier leben wir nur auf Zeit. Wir müssen hier vieles Gutes tun, das wahre Leben ist dann im Paradies. Da habe ich dann Angst gekriegt habe gedacht, mein Gott, was passiert denn da jetzt, ist der so fasziniert von dem Glauben? Aber am Anfang, als ich mit ihm in der Moschee war, da haben sie mir immer wieder geschworen: Wir haben nichts mit dem IS zu tun, wir gehen auch nicht nach Syrien. Und da war auch wieder so eine Phase, wo alles wieder normal war. Und ich dachte, vielleicht war es auch nur so eine Phase, in der sie was ausprobieren wollten und jetzt sind sie wieder normal. Und dann, als sie anfingen, sie wollten nach Wien fahren offiziell. Einen Freund besuchen, mein Ältester hatte einen Freund in der Schauspielschule gehabt. Da habe ich gedacht, jetzt kommen sie wieder auf den Weg und führen jetzt wieder ein normales Leben."
Doch das erweist sich als großer Irrtum. Statt nach Wien geht die Reise des Kasseler Brüderpaars an die türkisch-syrische Grenze. Dort lassen sie das Auto des Vaters zurück und reisen in das damals vom IS kontrollierte syrische Gebiet unmittelbar hinter der Grenze ein. Vor dort aus melden sich die beiden per Mobiltelefon beim Vater in Kassel. Joachim Gerhard kündigt an, er wolle seine Söhne in Syrien besuchen. Im Gebiet des sogenannten "Islamischen Staates". Zunächst stimmen die Brüder freudig zu. Dann: Ihre Absage und der jähe Abbruch des Kontaktes zum Vater.
"Der Junge, der zurückgekommen ist, hat mir dann mal gesagt: (…) Joachim, der Fabi und der (...) waren richtig stolz auf dich, weil du uns ja auch besuchen wolltest, im Islamischen Staat, in Syrien. Aber vielleicht hatten die auch Angst, dass du runter kommst und dir passiert was und vielleicht wollen sie sich auch deshalb nicht mehr melden, um dich zu schützen."
"Alle die darunter geholt werden, werden zum Kämpfen geholt"
Der Kasseler IS-Rückkehrer schildert Joachim Gerhard, dass das Leben im IS-Machtbereich an der türkisch-syrischen Grenze zunächst durchaus nicht nur von Krieg und Entbehrung bestimmt gewesen sei:
"Du musst dir vorstellen Achim, das schwöre ich beim Tod. Da unten an der Grenze, das war für uns wie ein Paradies. Wir haben nicht kämpfen müssen. Das einzige, was wir machen mussten, wir mussten ein paar Mal Patrouille fahren, in den Dörfern, in denen wir waren. Weil bei uns viele Kinder und Frauen waren. Wir hatten irgendwann mal Waffen bekommen, aber die Waffen hatten keine Munition. Ja, sagte ich, das habe ich auch gehört. Die hatten viele IS-Leute, die übergelaufen sind, die hatten teilweise keine Munition in den Waffen gehabt. Das hat uns ja die Frau vom Roten Kreuz der Kurden hat uns gesagt, das teils IS-Leute, die sie festgenommen haben, das die Waffen hatten, aber da war keine Munition. Die konnten gar nicht kämpfen. Weil das Vertrauen noch nicht da war. Die wollten erstmal gucken, wollen die echt kämpfen? Wollen die nicht kämpfen, wie gehen die damit um? Aber im Endeffekt ist es so, alle die darunter geholt werden, die werden zum Kämpfen runter geholt, das steht auf jeden Fall fest."
Obwohl Joachim Gerhard längst damit rechnet, dass seine Söhne mit der Waffe in der Hand für den sogenannten "Islamischen Staat" kämpfen, fährt er bis heute immer wieder von Kassel aus in das türkisch-syrische Grenzgebiet, um Spuren zu suchen. Seine Geschichte hat sich längst bis in den arabischen Raum herumgesprochen – inzwischen auch sein Buch. Unlängst war ein arabisches Fernsehteam bei ihm in Kassel. Der Beitrag soll um die Jahreswende ausgestrahlt werden, auch von den arabischen Zuschauern erhofft sich Joachim Gerhard mögliche neue Hinweise auf den Verbleib seiner Söhne. Vor einigen Monaten war er tatsächlich zum ersten Mal selbst in Syrien. Joachim Gerhard durchsuchte die Gefängnisse der lange Zeit von IS-Einheiten belagerten Grenzstadt Kobane, die von syrischen Kurden verwaltet wird. Die Kurden halten dort IS-Kämpfer gefangen:
"Im Gefängnis sind sie definitiv nicht mehr, ich konnte in mehrere Gefängnisse gucken. Da haben wir auch ein Mädchen gesehen aus Deutschland, die wird nach Deutschland ausgeliefert, die aus Rakka befreit worden ist. Die ist aus Frankfurt, die wird in den nächsten Monaten irgendwann nach Deutschland ausgeliefert. Mit der konnten wir uns auch kurz unterhalten. Die hat aber weder die Namen meiner Söhne gekannt noch den Mädchennamen von der, mit der mein kleiner Sohn verheiratet ist. Das ist jetzt mir zumindest ein Stein vom Herzen gefallen, dass sie nicht tot sind, dass sie auch nicht im Gefängnis sind. Was für mich gut wär, wenn sie im Gefängnis gewesen wären, und wir hätten sie mitnehmen können nach Deutschland, dass sie da erst einmal ins Gefängnis müssen, um sich dem Gericht zu stellen."
"Du musst dir vorstellen Achim, das schwöre ich beim Tod. Da unten an der Grenze, das war für uns wie ein Paradies. Wir haben nicht kämpfen müssen. Das einzige, was wir machen mussten, wir mussten ein paar Mal Patrouille fahren, in den Dörfern, in denen wir waren. Weil bei uns viele Kinder und Frauen waren. Wir hatten irgendwann mal Waffen bekommen, aber die Waffen hatten keine Munition. Ja, sagte ich, das habe ich auch gehört. Die hatten viele IS-Leute, die übergelaufen sind, die hatten teilweise keine Munition in den Waffen gehabt. Das hat uns ja die Frau vom Roten Kreuz der Kurden hat uns gesagt, das teils IS-Leute, die sie festgenommen haben, das die Waffen hatten, aber da war keine Munition. Die konnten gar nicht kämpfen. Weil das Vertrauen noch nicht da war. Die wollten erstmal gucken, wollen die echt kämpfen? Wollen die nicht kämpfen, wie gehen die damit um? Aber im Endeffekt ist es so, alle die darunter geholt werden, die werden zum Kämpfen runter geholt, das steht auf jeden Fall fest."
Obwohl Joachim Gerhard längst damit rechnet, dass seine Söhne mit der Waffe in der Hand für den sogenannten "Islamischen Staat" kämpfen, fährt er bis heute immer wieder von Kassel aus in das türkisch-syrische Grenzgebiet, um Spuren zu suchen. Seine Geschichte hat sich längst bis in den arabischen Raum herumgesprochen – inzwischen auch sein Buch. Unlängst war ein arabisches Fernsehteam bei ihm in Kassel. Der Beitrag soll um die Jahreswende ausgestrahlt werden, auch von den arabischen Zuschauern erhofft sich Joachim Gerhard mögliche neue Hinweise auf den Verbleib seiner Söhne. Vor einigen Monaten war er tatsächlich zum ersten Mal selbst in Syrien. Joachim Gerhard durchsuchte die Gefängnisse der lange Zeit von IS-Einheiten belagerten Grenzstadt Kobane, die von syrischen Kurden verwaltet wird. Die Kurden halten dort IS-Kämpfer gefangen:
"Im Gefängnis sind sie definitiv nicht mehr, ich konnte in mehrere Gefängnisse gucken. Da haben wir auch ein Mädchen gesehen aus Deutschland, die wird nach Deutschland ausgeliefert, die aus Rakka befreit worden ist. Die ist aus Frankfurt, die wird in den nächsten Monaten irgendwann nach Deutschland ausgeliefert. Mit der konnten wir uns auch kurz unterhalten. Die hat aber weder die Namen meiner Söhne gekannt noch den Mädchennamen von der, mit der mein kleiner Sohn verheiratet ist. Das ist jetzt mir zumindest ein Stein vom Herzen gefallen, dass sie nicht tot sind, dass sie auch nicht im Gefängnis sind. Was für mich gut wär, wenn sie im Gefängnis gewesen wären, und wir hätten sie mitnehmen können nach Deutschland, dass sie da erst einmal ins Gefängnis müssen, um sich dem Gericht zu stellen."
Junger Anwalt fährt statt in den Urlaub nach Syrien zum IS
Die syrischen Kurden, aber auch türkische Regierungsvertreter im Grenzgebiet klärten Joachim Gerhard darüber auf, dass es für den IS ideologisch wichtig war, gerade auch Europäer mit guter Schulbildung und bürgerlicher Herkunft für ihr politisches Projekt zu gewinnen:
"Das sind ja keine Doofen. Das ist kein Bin Laden, der in der Höhle wohnt. IS hat einen Staat aufgebaut, IS hat intelligente Leute. Irgendwann hat IS gesagt: Ihr bringt unsere Kinder hier unsinnig um, hier unten bringt ihr westlichen Alliierten unsere Kinder um. Also holen wir jetzt eure Kinder und wir zeigen euch, dass wir euch auch die gebildeten Kinder wegnehmen. Die haben gebildete Jungs oder Mädchen darunter geholt, um den Staat aufzubauen. Ich habe ein Ehepaar aus Frankfurt kennengelernt, die sind beide Anwälte. Der Junge hat seinen Anwaltstitel gemacht und hat dann zu seinen Eltern gesagt: Ich muss ein paar Tage in die Türkei, muss ausspannen, es war alles so hart, so anstrengend. Da haben die Eltern gesagt: Kein Problem, fahre du in die Türkei, wir machen für Samstag eine riesengroße Party mit Familien, mit Freunden und alles. Und dann ist er samstags nicht gekommen und da haben sie versucht, ihn am Samstag den ganzen Tag anzurufen, er geht nicht ans Telefon, Polizei eingeschaltet. Sonntags ruft er an: Ich bin in Syrien. Die haben bis heute nie mehr was gehört. Die wissen nicht: Lebt er, ist er tot, nie mehr was gehört."
Diese Ungewissheit über das Schicksal der Kinder nagt auch weiterhin an Joachim Gerhard. Doch er versucht alles, um neue Hinweise zu bekommen, knüpft unermüdlich Kontakte in die Region. Seine Beharrlichkeit wurde inzwischen sogar dem jordanischen König Abdullah dem Zweiten und seiner Frau Raina bekannt. Das Königspaar traf sich überraschend mit Joachim Gerhard im Rhein-Main-Gebiet, um ihm Mut zusprechen:
"Ich solle ruhig bleiben, ich würde meine Söhne zurückkriegen. Es könne dauern, das sei nicht so einfach. Sie sagten: Sie müssen nicht wie ein Löwe losrennen und immer da hinfahren, das brauchen sie nicht, ich müsste praktisch warten wie ein Krokodil, bis die Beute praktisch zu mir ins Maul komme. Es war schon gigantisch gewesen."
In wenigen Tagen wird Joachim Gerhard in seiner Heimatstadt Kassel erstmals sein Buch auch in einer öffentlichen Lesung einem großen Publikum vorstellen. Es ist auch ein Dank an seine Freunde, die ihn in den vergangenen Jahren gestützt haben. Und: Joachim Gerhard versteht es auch als seinen Beitrag dazu, zu verhindern, dass noch viele andere Jugendliche in die IS-Sackgasse geraten:
"Die Anteilnahme an der ganzen Geschichte war halt riesengroß. Jetzt gibt es hier am 13.12. in Kassel in der Stadthalle eine Lesung. Das geht zwei Stunden. Eine halbe Stunde Lesung und dann gibt es so eine Stunde oder anderthalb Stunde, wo die Leute mich halt fragen können, auch wegen der Kinder. Wie ist das alles passiert."
Eine Frage, die der Vater der verschollenen Brüder vielleicht letztlich auch nicht beantworten kann. Aber das er sich mit ganzer Kraft darum bemüht, ist beeindruckend. Genauso wie sein großer Glaube, dass er seine Söhne eines Tages finden wird. Vielleicht mit großer Schuld beladen - aber lebendig.
"Das sind ja keine Doofen. Das ist kein Bin Laden, der in der Höhle wohnt. IS hat einen Staat aufgebaut, IS hat intelligente Leute. Irgendwann hat IS gesagt: Ihr bringt unsere Kinder hier unsinnig um, hier unten bringt ihr westlichen Alliierten unsere Kinder um. Also holen wir jetzt eure Kinder und wir zeigen euch, dass wir euch auch die gebildeten Kinder wegnehmen. Die haben gebildete Jungs oder Mädchen darunter geholt, um den Staat aufzubauen. Ich habe ein Ehepaar aus Frankfurt kennengelernt, die sind beide Anwälte. Der Junge hat seinen Anwaltstitel gemacht und hat dann zu seinen Eltern gesagt: Ich muss ein paar Tage in die Türkei, muss ausspannen, es war alles so hart, so anstrengend. Da haben die Eltern gesagt: Kein Problem, fahre du in die Türkei, wir machen für Samstag eine riesengroße Party mit Familien, mit Freunden und alles. Und dann ist er samstags nicht gekommen und da haben sie versucht, ihn am Samstag den ganzen Tag anzurufen, er geht nicht ans Telefon, Polizei eingeschaltet. Sonntags ruft er an: Ich bin in Syrien. Die haben bis heute nie mehr was gehört. Die wissen nicht: Lebt er, ist er tot, nie mehr was gehört."
Diese Ungewissheit über das Schicksal der Kinder nagt auch weiterhin an Joachim Gerhard. Doch er versucht alles, um neue Hinweise zu bekommen, knüpft unermüdlich Kontakte in die Region. Seine Beharrlichkeit wurde inzwischen sogar dem jordanischen König Abdullah dem Zweiten und seiner Frau Raina bekannt. Das Königspaar traf sich überraschend mit Joachim Gerhard im Rhein-Main-Gebiet, um ihm Mut zusprechen:
"Ich solle ruhig bleiben, ich würde meine Söhne zurückkriegen. Es könne dauern, das sei nicht so einfach. Sie sagten: Sie müssen nicht wie ein Löwe losrennen und immer da hinfahren, das brauchen sie nicht, ich müsste praktisch warten wie ein Krokodil, bis die Beute praktisch zu mir ins Maul komme. Es war schon gigantisch gewesen."
In wenigen Tagen wird Joachim Gerhard in seiner Heimatstadt Kassel erstmals sein Buch auch in einer öffentlichen Lesung einem großen Publikum vorstellen. Es ist auch ein Dank an seine Freunde, die ihn in den vergangenen Jahren gestützt haben. Und: Joachim Gerhard versteht es auch als seinen Beitrag dazu, zu verhindern, dass noch viele andere Jugendliche in die IS-Sackgasse geraten:
"Die Anteilnahme an der ganzen Geschichte war halt riesengroß. Jetzt gibt es hier am 13.12. in Kassel in der Stadthalle eine Lesung. Das geht zwei Stunden. Eine halbe Stunde Lesung und dann gibt es so eine Stunde oder anderthalb Stunde, wo die Leute mich halt fragen können, auch wegen der Kinder. Wie ist das alles passiert."
Eine Frage, die der Vater der verschollenen Brüder vielleicht letztlich auch nicht beantworten kann. Aber das er sich mit ganzer Kraft darum bemüht, ist beeindruckend. Genauso wie sein großer Glaube, dass er seine Söhne eines Tages finden wird. Vielleicht mit großer Schuld beladen - aber lebendig.