Ein vergessener Humboldt
Das 19. Jahrhundert ist die Hochzeit der Naturerkundung. Zeitgenossen und Nachfolger Alexander von Humboldts reisen aus Mitteleuropa in die ganze Welt. Viele dieser Forscher sind heute vergessen: Auch Friedrich von Sellow ging es so.
Friedrich Sellow wurde 1789 geboren, wurde Gärtner, arbeitete als Gehilfe im Berliner Botanischen Garten, studierte in Paris und London Botanik, unter anderem auf Empfehlung Alexander von Humboldts. Ab 1814 lebte und forschte er in Brasilien. Er begleitete Expeditionen durch Regenwald, Bergwelt und Pampa, sammelte und bestimmte tausende von Pflanzen, Insekten, Vögeln, aber auch Mineralien.
Und Sellow führte akribisch Tagebuch. Darin berichtet er unter anderem vom Fund der Fossilien eines prähistorischen Riesengürteltieres im heutigen Uruguay, vom Besuch einer ehemaligen Jesuitenreduktion, von der Ernte und der Verarbeitung des Maté-Tee oder auch von einem Besuch bei Goldwäschern. Die Tagebücher sollten als Gedächtnisstützen für eine spätere wissenschaftliche Aufarbeitung seiner Reisen dienen. Doch dazu kam es nicht. Im Oktober 1831 ertrank der damals 42-Jährige in den Stromschnellen des Rio Doce.
Teile seiner Tagebücher werden nun erstmals in diesem Band veröffentlicht – dazu Aufsätze, die Sellows Biografie erzählen und sein Wirken in einen historischen Kontext setzten. Man erfährt von anderen Expeditionen der Zeit, von der Bedeutung der Wissenschaftsmetropole Paris, von Sellows Art zu forschen, die sich durch besondere Präzision und Sachlichkeit auszeichnet, von seinen Forschungen zu den indianischen Sprachen und anderen Wissenschaftsgebieten. Geschrieben wurden diese Beiträge von 13 Autorinnen und Autoren – und jeder Beitrag ist unterschiedlich: Manche sind anschaulich und lebendig geschrieben, andere ergehen sich stark im Wissenschaftsjargon. Und manches ist leider auch redundant.
Herausragend hingegen sind die Ausstattung und Gestaltung des Buches. Der Verlag hat nicht an der Papierqualität gespart, die Buchgestalterin Hanna Zeckau nicht an Bildern, und sie hat bei deren Auswahl Fantasie bewiesen. Zu sehen sind Zeichnungen von Sellow selbst, überwiegend Bleistiftskizzen, dazu solche, die er mit Hilfe einer Camera lucida, die ein Bild des Objektes auf die Leinwand projiziert, anfertigte. Dazu kommen Abbildungen der Tagebuchseiten mit eingeklebten Pflanzen, Lithographien und Aquarelle anderer Reisender. Außergewöhnlich sind die Entwürfe für Tapeten aus dem 19. Jahrhundert, die einen exotistischen Blick auf die Kolonien und ihre Bewohner bieten.
Umso erstaunlicher ist es, dass kein Porträt Sellows existiert. Es gibt nur eine Federzeichnung: Auf der reitet ein kleiner Mann mit Hut einer Gruppe von Reisenden voran. Dass man jetzt weiß, wer dieser Mann war, ist das Verdienst dieses Buches.
Besprochen von Günther Wessel
Und Sellow führte akribisch Tagebuch. Darin berichtet er unter anderem vom Fund der Fossilien eines prähistorischen Riesengürteltieres im heutigen Uruguay, vom Besuch einer ehemaligen Jesuitenreduktion, von der Ernte und der Verarbeitung des Maté-Tee oder auch von einem Besuch bei Goldwäschern. Die Tagebücher sollten als Gedächtnisstützen für eine spätere wissenschaftliche Aufarbeitung seiner Reisen dienen. Doch dazu kam es nicht. Im Oktober 1831 ertrank der damals 42-Jährige in den Stromschnellen des Rio Doce.
Teile seiner Tagebücher werden nun erstmals in diesem Band veröffentlicht – dazu Aufsätze, die Sellows Biografie erzählen und sein Wirken in einen historischen Kontext setzten. Man erfährt von anderen Expeditionen der Zeit, von der Bedeutung der Wissenschaftsmetropole Paris, von Sellows Art zu forschen, die sich durch besondere Präzision und Sachlichkeit auszeichnet, von seinen Forschungen zu den indianischen Sprachen und anderen Wissenschaftsgebieten. Geschrieben wurden diese Beiträge von 13 Autorinnen und Autoren – und jeder Beitrag ist unterschiedlich: Manche sind anschaulich und lebendig geschrieben, andere ergehen sich stark im Wissenschaftsjargon. Und manches ist leider auch redundant.
Herausragend hingegen sind die Ausstattung und Gestaltung des Buches. Der Verlag hat nicht an der Papierqualität gespart, die Buchgestalterin Hanna Zeckau nicht an Bildern, und sie hat bei deren Auswahl Fantasie bewiesen. Zu sehen sind Zeichnungen von Sellow selbst, überwiegend Bleistiftskizzen, dazu solche, die er mit Hilfe einer Camera lucida, die ein Bild des Objektes auf die Leinwand projiziert, anfertigte. Dazu kommen Abbildungen der Tagebuchseiten mit eingeklebten Pflanzen, Lithographien und Aquarelle anderer Reisender. Außergewöhnlich sind die Entwürfe für Tapeten aus dem 19. Jahrhundert, die einen exotistischen Blick auf die Kolonien und ihre Bewohner bieten.
Umso erstaunlicher ist es, dass kein Porträt Sellows existiert. Es gibt nur eine Federzeichnung: Auf der reitet ein kleiner Mann mit Hut einer Gruppe von Reisenden voran. Dass man jetzt weiß, wer dieser Mann war, ist das Verdienst dieses Buches.
Besprochen von Günther Wessel
Hanns Zischler, Sabine Hackethal, Carsten Eckert und das Naturkundemuseum Berlin (Hrsg.), Die Erkundung Brasiliens. Friedrich Sellows unvollendete Reise
Verlag Galiani, Berlin 2013,
256 Seiten, mit Abbildungen, 39,99 Euro
Verlag Galiani, Berlin 2013,
256 Seiten, mit Abbildungen, 39,99 Euro