"Ein Volkssport, der eigentlich auch nicht mehr in unsere Zeit gehört"
Jedes Jahr im Frühling holen die Malteser ihre Gewehre aus dem Schrank und schießen auf alles, was fliegt. Sehr zum Ärger der Natur- und Vogelschützer. Um bedrohte Arten zu schützen, organisiert der Naturschutzbund Deutschland inzwischen so genannte Vogelschutzcamps auf Malta.
Joachim Scholl: Die Vogeljagd gilt als eine kulturelle Tradition, auf der die Malteser hartnäckig beharren, obwohl sie als EU-Mitglied sich auch dem europaweiten Schutz von Singvögeln unterworfen haben – offiziell. Im Studio ist jetzt Markus Nipkow vom Naturschutzbund Deutschland, und er hat das Problem in der letzen Woche buchstäblich in Händen gehabt, denn er hat einen verletzten Vogel vom Flughafen abgeholt, eine angeschossene Steppenweihe, auf Malta, und jetzt wird sie in einer Berliner Tierklinik behandelt. Ich grüße Sie, Herr Nipkow!
Markus Nipkow: Ja, hallo!
Scholl: Wie geht es dem Patienten?
Nipkow: So weit schon besser. Also, der Vogel ist am Wochenende angeschossen worden auf Malta und wurde dann von unseren Partnern dort, BirdLife Malta, geborgen. Wir haben gesagt, wir können ihn bei uns behandeln, denn auf Malta gibt es nicht die Möglichkeit, ihn wirklich auch später wieder frei zu lassen. Das ist ja dort eine Sache von einigen Wochen, die er jetzt erst mal praktisch in Behandlung bleiben muss. Und deswegen wollten wir ihr helfen und nun ist sie in der Berliner Tierklinik.
Scholl: Was ist die Steppenweihe überhaupt für ein Vogel?
Nipkow: Von der Steppenweihe leben nur Verwandte bei uns in Deutschland. Sie selbst ist ein Vogel, der in Südosteuropa vor allen Dingen vorkommt und dann weiter nach Asien hinein, das Brutgebiet reicht also bis in die Mongolei. Bei uns sieht man Steppenweihen, wenn überhaupt, dann nur zur Zugzeit. Aber er ist wirklich ein seltener Gast.
Scholl: Nun wird der eine oder andere Hörer vielleicht sagen, meine Güte, da wird ein einzelner Vogel per Flugzeug ins Krankenhaus gebracht! – Lohnen sich denn so aufwendige Rettungsmaßnahmen?
Nipkow: Ja sicher, der Aufwand ist groß, aber gerade bei der Steppenweihe muss man sagen, das ist eine so hoch bedrohte und so seltene Art, dass es da wirklich um jeden einzelnen Vogel geht. Wir haben natürlich genau überlegt, lohnt es sich, wird der Vogel auch wieder, hat er Chancen, wieder in die Freiheit entlassen zu werden. So sah es aber aus, und deswegen haben wir grünes Licht gegeben und hoffen, dass wir dann den Vogel auch eines Tages auswildern können, also nicht bei uns in Deutschland natürlich, sondern dann in einem osteuropäischen Land, vielleicht in Russland oder in Aserbaidschan, wo es auch Partner in unserem BirdLife-Netzwerk gibt.
Scholl: Nun ist dieses eine Opfer gerettet, sehr viele Vögel werden jetzt in diesen Wochen auf Malta sterben. Weiß man eigentlich, wie viele das jährlich sind?
Nipkow: Die Gesamtzahl ist immer schwer zu ermitteln. Also, obwohl Malta ja so klein ist, gerade mal 320 Quadratkilometer groß, aber es verteilen sich da 15.000 Jagdscheininhaber und 5000 Fallensteller und die sind also wirklich wie wild unterwegs. Am vergangenen Wochenende ist die sehr umstrittene Frühjahrsjagd erst zu Ende gegangen. Man bekommt also eigentlich immer nur kleine Ausschnitte mit. Man könnte es natürlich hochrechnen, aber auf jeden Fall sind das Zigtausende.
Scholl: Und das nicht nur in Malta?
Nipkow: Doch, gerade auf Malta. Der Inselstaat ist sicher führend, was die Vogeljagd betrifft …
Scholl: … warum eigentlich?
Nipkow: Also Malteser Jäger sagen manchmal, führen das auch als Argument ins Feld, also sie sagen, wir haben kaum eigene Tiere bei uns und auch wenig Vogelarten, und wir müssen dann eben das nutzen, was bei uns vorbeikommt. Nur, die Vögel werden ja noch nicht mal gegessen oder in irgendeiner Weise genutzt, wie das in anderen Ländern teilweise der Fall ist, sondern die werden letztlich just for fun, als Volkssport beinahe, werden die vom Himmel geholt. Manche werden ausgestopft, die besonders attraktiven Arten, die stellt man sich dann in die Vitrine, aber viele werden auch nur liegen gelassen.
Scholl: Was ist aber die Motivation auch für die Vogeljagd, wenn die Malteser von einer kulturellen Tradition sprechen? Da schnaubt ja der Vogelschützer wahrscheinlich verächtlich durch die Nase, was soll denn das für eine Kultur sein?
Nipkow: Genau, also diese Auffassung, die teilen wir, die teilt der NABU nicht. Denn es ist wirklich keine lange Tradition etwa auch auf der traditionellen Speisekarte der Malteser, sondern es ist wirklich ein Volkssport, der eigentlich auch nicht mehr in unsere Zeit gehört. Denn diese Arten benötigen unseren Schutz, und zwar in ganz Europa. Ich meine, Zugvögel kennen keine Grenzen, ist ein alter Spruch, aber er hat eben auch seine Berechtigung. Und Malta ist 2004 der Europäischen Union beigetreten, das heißt, die Regierung muss ihre eigene Gesetzgebung auch der europäischen anpassen, also vor allen Dingen der Vogelschutzrichtlinie. Und da ist noch sehr, sehr viel zu tun.
Scholl: Ich wollte Sie gerade danach fragen, also Malta ist mittlerweile in der Europäischen Union und die verbietet ja strikt die Jagd auf Singvögel. Wie verhält sich denn die Maltesische Regierung, hat sie das jetzt eigentlich offiziell verboten? Sie sagen, 15.000 registrierte Waffenscheininhaber rennen mit Knarren da auf der Insel rum und wahrscheinlich noch viele Illegale, das heißt, da muss es ja ständig knallen?
Nipkow: So ist das auch. Also, zunächst mal war ja nicht sicher, ob die Frühjahrsjagd überhaupt eröffnet würde. Die Regierung auf Malta hat sich dann auf ein Schlupfloch berufen eines Gerichtsurteils des Europäischen Gerichtshofs, was es leider in der Tat gibt, was aber nur eine sehr streng reglementierte Jagd auf bestimmte Arten zuließe, sofern sie sich in einem guten Erhaltungszustand befinden. Das trifft aber gerade auf die Art nicht zu, um die es jetzt im Frühjahr ging, nämlich Turteltauben und Wachteln, also gar nicht mal Singvögel, sondern diese beiden Arten. Nebenbei werden aber ganz viele andere Arten geschossen, seltene Arten, geschützte Arten, die eigentlich auch auf Malta geschützt wären. Aber die Polizei ist eben nicht in der Lage, das wirksam zu kontrollieren.
Scholl: Die Vogeljagd auf Malta, Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Markus Nipkow vom Naturschutzbund Deutschland. Malta ist ein Rastplatz für die Zugvögel, das heißt, die Jäger müssen eigentlich nur warten, dass die Schwärme kommen. Sie waren aber auch schon mehrfach auf Malta, Herr Nipkow, um dort Präsenz zu zeigen und die Jagd zu dokumentieren. Was haben Sie da erlebt?
Nipkow: Ja, der NABU veranstaltet jedes Jahr inzwischen zwei Vogelschutzcamps. Das sind internationale Camps mit Teilnehmern aus allen möglichen Ländern. Und da verteilen wir uns in kleinen Teams auf der Insel, sind praktisch den ganzen Tag draußen von früh morgens bis spät abends, postieren uns an Stellen, wo besonders viel geschossen wird, und dann kann man tatsächlich auch erleben: Wenn wir da stehen, wir sehen die Jäger im Tal beispielsweise, wir schauen runter, alle 50 Meter steht da einer, aber dann fällt entweder kein Schuss, oder aber eben tatsächlich nur auf die Arten, die zurzeit dann genehmigt sind. Aber wenn zum Beispiel ein Schwarm Bienenfresser dann über die Jäger hinwegzieht und wir merken, es wird nicht geschossen, dann ist das schon ein gutes Gefühl und dann merken wir, dass es auch was bringt, da zu sein.
Scholl: Ich wollte gerade sagen, das ist ja schon ein Erfolg. Man hat in der Vergangenheit ja auch immer von gewalttätigen Zusammenstößen von Jägern und Naturschützern gehört. Haben Sie da auch solche Situationen erlebt?
Nipkow: Ja, die gibt es leider auch. Die gibt es ab und zu. Ich selbst habe zum Glück jetzt keine Handgreiflichkeiten selber erlebt, aber es gab auch schon angezündete Fahrzeuge von Vogelschützern, die kamen dann zurück, und dann war das Fahrzeug nur noch ein Schrotthaufen. Ja also, da passiert leider immer wieder Einiges. Die Nerven liegen teilweise schon blank bei den Jägern auf Malta.
Scholl: Wie wird das denn eigentlich in Malta selbst diskutiert? Gibt es da eine starke Umweltlobby für die Vögel, oder sind das dann die spinnerten Außenseiter, die da sozusagen im grünen Look über Wald und Flur streifen und die Jäger am Schießen hindern wollen?
Nipkow: Das ist in der Tat ganz interessant, denn die Mehrheit der Bevölkerung Maltas ist offenbar für den Vogelschutz und gegen die Zugvogeljagd, das haben auch Umfragen ergeben. Aber die Jagdlobby ist einfach trotzdem sehr, sehr stark, eben durch die hohe Zahl der Mitglieder. Und so spielt das auch politisch natürlich eine Rolle und niemand möchte es sich mit den Jägern auf Malta verscherzen, keine der Parteien. Das Thema ist immer ganz oben in den Nachrichten, also ein Thema, das dort viele bewegt.
Scholl: Wie können Sie eigentlich in Brüssel aktiv werden? Also in Brüssel müsste man ja eigentlich Sanktionen verhängen gegen Malta, wenn die so flagrant das EU-Recht verletzen. Gibt es da eine entsprechende Lobby?
Nipkow: Richtig, es gibt ein Prozedere, durch das der politische Druck Schritt für Schritt erhöht wird seitens der EU-Kommission. Da ist es auch wichtig eben, dass die Umweltschutz- und Naturschutzverbände hier Druck machen. Wir haben beispielsweise letztes Jahr eine große Unterschriftensammlung veranstaltet und da sicher auch auf diese Weise dazu beitragen können. Brüssel erhöht also den politischen Druck, hat ja auch Malta angeklagt, daraufhin gab es die eben erwähnte Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof. Tatsächlich wäre der letzte Schritt dann auch, dass es zu Strafzahlungen kommen müsste. Möglicherweise wird zu lange gewartet auf Malta.
Scholl: Werden Sie wieder nach Malta fahren?
Nipkow: Mit Sicherheit, vielleicht im Herbst oder nächstes Jahr wieder.
Scholl: Jährlich sterben Zigtausende von Zugvögeln auf Malta. Markus Nipkow und seine Kollegen vom Naturschutzbund Deutschland werden nicht müde, dagegen vorzugehen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Nipkow: Danke auch!
Links auf dradio.de:
Aktuell: Da fliegen Sie wieder! - Die Große Vogelschau im Deutschlandradio Kultur vom 9. bis 14. Mai
Markus Nipkow: Ja, hallo!
Scholl: Wie geht es dem Patienten?
Nipkow: So weit schon besser. Also, der Vogel ist am Wochenende angeschossen worden auf Malta und wurde dann von unseren Partnern dort, BirdLife Malta, geborgen. Wir haben gesagt, wir können ihn bei uns behandeln, denn auf Malta gibt es nicht die Möglichkeit, ihn wirklich auch später wieder frei zu lassen. Das ist ja dort eine Sache von einigen Wochen, die er jetzt erst mal praktisch in Behandlung bleiben muss. Und deswegen wollten wir ihr helfen und nun ist sie in der Berliner Tierklinik.
Scholl: Was ist die Steppenweihe überhaupt für ein Vogel?
Nipkow: Von der Steppenweihe leben nur Verwandte bei uns in Deutschland. Sie selbst ist ein Vogel, der in Südosteuropa vor allen Dingen vorkommt und dann weiter nach Asien hinein, das Brutgebiet reicht also bis in die Mongolei. Bei uns sieht man Steppenweihen, wenn überhaupt, dann nur zur Zugzeit. Aber er ist wirklich ein seltener Gast.
Scholl: Nun wird der eine oder andere Hörer vielleicht sagen, meine Güte, da wird ein einzelner Vogel per Flugzeug ins Krankenhaus gebracht! – Lohnen sich denn so aufwendige Rettungsmaßnahmen?
Nipkow: Ja sicher, der Aufwand ist groß, aber gerade bei der Steppenweihe muss man sagen, das ist eine so hoch bedrohte und so seltene Art, dass es da wirklich um jeden einzelnen Vogel geht. Wir haben natürlich genau überlegt, lohnt es sich, wird der Vogel auch wieder, hat er Chancen, wieder in die Freiheit entlassen zu werden. So sah es aber aus, und deswegen haben wir grünes Licht gegeben und hoffen, dass wir dann den Vogel auch eines Tages auswildern können, also nicht bei uns in Deutschland natürlich, sondern dann in einem osteuropäischen Land, vielleicht in Russland oder in Aserbaidschan, wo es auch Partner in unserem BirdLife-Netzwerk gibt.
Scholl: Nun ist dieses eine Opfer gerettet, sehr viele Vögel werden jetzt in diesen Wochen auf Malta sterben. Weiß man eigentlich, wie viele das jährlich sind?
Nipkow: Die Gesamtzahl ist immer schwer zu ermitteln. Also, obwohl Malta ja so klein ist, gerade mal 320 Quadratkilometer groß, aber es verteilen sich da 15.000 Jagdscheininhaber und 5000 Fallensteller und die sind also wirklich wie wild unterwegs. Am vergangenen Wochenende ist die sehr umstrittene Frühjahrsjagd erst zu Ende gegangen. Man bekommt also eigentlich immer nur kleine Ausschnitte mit. Man könnte es natürlich hochrechnen, aber auf jeden Fall sind das Zigtausende.
Scholl: Und das nicht nur in Malta?
Nipkow: Doch, gerade auf Malta. Der Inselstaat ist sicher führend, was die Vogeljagd betrifft …
Scholl: … warum eigentlich?
Nipkow: Also Malteser Jäger sagen manchmal, führen das auch als Argument ins Feld, also sie sagen, wir haben kaum eigene Tiere bei uns und auch wenig Vogelarten, und wir müssen dann eben das nutzen, was bei uns vorbeikommt. Nur, die Vögel werden ja noch nicht mal gegessen oder in irgendeiner Weise genutzt, wie das in anderen Ländern teilweise der Fall ist, sondern die werden letztlich just for fun, als Volkssport beinahe, werden die vom Himmel geholt. Manche werden ausgestopft, die besonders attraktiven Arten, die stellt man sich dann in die Vitrine, aber viele werden auch nur liegen gelassen.
Scholl: Was ist aber die Motivation auch für die Vogeljagd, wenn die Malteser von einer kulturellen Tradition sprechen? Da schnaubt ja der Vogelschützer wahrscheinlich verächtlich durch die Nase, was soll denn das für eine Kultur sein?
Nipkow: Genau, also diese Auffassung, die teilen wir, die teilt der NABU nicht. Denn es ist wirklich keine lange Tradition etwa auch auf der traditionellen Speisekarte der Malteser, sondern es ist wirklich ein Volkssport, der eigentlich auch nicht mehr in unsere Zeit gehört. Denn diese Arten benötigen unseren Schutz, und zwar in ganz Europa. Ich meine, Zugvögel kennen keine Grenzen, ist ein alter Spruch, aber er hat eben auch seine Berechtigung. Und Malta ist 2004 der Europäischen Union beigetreten, das heißt, die Regierung muss ihre eigene Gesetzgebung auch der europäischen anpassen, also vor allen Dingen der Vogelschutzrichtlinie. Und da ist noch sehr, sehr viel zu tun.
Scholl: Ich wollte Sie gerade danach fragen, also Malta ist mittlerweile in der Europäischen Union und die verbietet ja strikt die Jagd auf Singvögel. Wie verhält sich denn die Maltesische Regierung, hat sie das jetzt eigentlich offiziell verboten? Sie sagen, 15.000 registrierte Waffenscheininhaber rennen mit Knarren da auf der Insel rum und wahrscheinlich noch viele Illegale, das heißt, da muss es ja ständig knallen?
Nipkow: So ist das auch. Also, zunächst mal war ja nicht sicher, ob die Frühjahrsjagd überhaupt eröffnet würde. Die Regierung auf Malta hat sich dann auf ein Schlupfloch berufen eines Gerichtsurteils des Europäischen Gerichtshofs, was es leider in der Tat gibt, was aber nur eine sehr streng reglementierte Jagd auf bestimmte Arten zuließe, sofern sie sich in einem guten Erhaltungszustand befinden. Das trifft aber gerade auf die Art nicht zu, um die es jetzt im Frühjahr ging, nämlich Turteltauben und Wachteln, also gar nicht mal Singvögel, sondern diese beiden Arten. Nebenbei werden aber ganz viele andere Arten geschossen, seltene Arten, geschützte Arten, die eigentlich auch auf Malta geschützt wären. Aber die Polizei ist eben nicht in der Lage, das wirksam zu kontrollieren.
Scholl: Die Vogeljagd auf Malta, Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Markus Nipkow vom Naturschutzbund Deutschland. Malta ist ein Rastplatz für die Zugvögel, das heißt, die Jäger müssen eigentlich nur warten, dass die Schwärme kommen. Sie waren aber auch schon mehrfach auf Malta, Herr Nipkow, um dort Präsenz zu zeigen und die Jagd zu dokumentieren. Was haben Sie da erlebt?
Nipkow: Ja, der NABU veranstaltet jedes Jahr inzwischen zwei Vogelschutzcamps. Das sind internationale Camps mit Teilnehmern aus allen möglichen Ländern. Und da verteilen wir uns in kleinen Teams auf der Insel, sind praktisch den ganzen Tag draußen von früh morgens bis spät abends, postieren uns an Stellen, wo besonders viel geschossen wird, und dann kann man tatsächlich auch erleben: Wenn wir da stehen, wir sehen die Jäger im Tal beispielsweise, wir schauen runter, alle 50 Meter steht da einer, aber dann fällt entweder kein Schuss, oder aber eben tatsächlich nur auf die Arten, die zurzeit dann genehmigt sind. Aber wenn zum Beispiel ein Schwarm Bienenfresser dann über die Jäger hinwegzieht und wir merken, es wird nicht geschossen, dann ist das schon ein gutes Gefühl und dann merken wir, dass es auch was bringt, da zu sein.
Scholl: Ich wollte gerade sagen, das ist ja schon ein Erfolg. Man hat in der Vergangenheit ja auch immer von gewalttätigen Zusammenstößen von Jägern und Naturschützern gehört. Haben Sie da auch solche Situationen erlebt?
Nipkow: Ja, die gibt es leider auch. Die gibt es ab und zu. Ich selbst habe zum Glück jetzt keine Handgreiflichkeiten selber erlebt, aber es gab auch schon angezündete Fahrzeuge von Vogelschützern, die kamen dann zurück, und dann war das Fahrzeug nur noch ein Schrotthaufen. Ja also, da passiert leider immer wieder Einiges. Die Nerven liegen teilweise schon blank bei den Jägern auf Malta.
Scholl: Wie wird das denn eigentlich in Malta selbst diskutiert? Gibt es da eine starke Umweltlobby für die Vögel, oder sind das dann die spinnerten Außenseiter, die da sozusagen im grünen Look über Wald und Flur streifen und die Jäger am Schießen hindern wollen?
Nipkow: Das ist in der Tat ganz interessant, denn die Mehrheit der Bevölkerung Maltas ist offenbar für den Vogelschutz und gegen die Zugvogeljagd, das haben auch Umfragen ergeben. Aber die Jagdlobby ist einfach trotzdem sehr, sehr stark, eben durch die hohe Zahl der Mitglieder. Und so spielt das auch politisch natürlich eine Rolle und niemand möchte es sich mit den Jägern auf Malta verscherzen, keine der Parteien. Das Thema ist immer ganz oben in den Nachrichten, also ein Thema, das dort viele bewegt.
Scholl: Wie können Sie eigentlich in Brüssel aktiv werden? Also in Brüssel müsste man ja eigentlich Sanktionen verhängen gegen Malta, wenn die so flagrant das EU-Recht verletzen. Gibt es da eine entsprechende Lobby?
Nipkow: Richtig, es gibt ein Prozedere, durch das der politische Druck Schritt für Schritt erhöht wird seitens der EU-Kommission. Da ist es auch wichtig eben, dass die Umweltschutz- und Naturschutzverbände hier Druck machen. Wir haben beispielsweise letztes Jahr eine große Unterschriftensammlung veranstaltet und da sicher auch auf diese Weise dazu beitragen können. Brüssel erhöht also den politischen Druck, hat ja auch Malta angeklagt, daraufhin gab es die eben erwähnte Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof. Tatsächlich wäre der letzte Schritt dann auch, dass es zu Strafzahlungen kommen müsste. Möglicherweise wird zu lange gewartet auf Malta.
Scholl: Werden Sie wieder nach Malta fahren?
Nipkow: Mit Sicherheit, vielleicht im Herbst oder nächstes Jahr wieder.
Scholl: Jährlich sterben Zigtausende von Zugvögeln auf Malta. Markus Nipkow und seine Kollegen vom Naturschutzbund Deutschland werden nicht müde, dagegen vorzugehen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Nipkow: Danke auch!
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Aktuell: Da fliegen Sie wieder! - Die Große Vogelschau im Deutschlandradio Kultur vom 9. bis 14. Mai