"Ein wahnsinnig spannendes Farbenspiel"

Moderation: Dieter Kassel |
Der Erzbischof von Köln, Josef Kardinal Meisner, hält das von Gerhard Richter entworfene Fenster für den Kölner Dom für unpassend. Der Kardinal ist der Ansicht, dass es besser in eine Moschee passen würde. Der Architekt Paul Böhm hingegen findet Gefallen an dem Farbenspiel. In die von ihm entworfene Zentral-Moschee in Köln würde es allerdings auch nicht passen, sagte Böhm.
Dieter Kassel: Der in Köln ansässige, eigentlich aus Sachsen stammende Künstler Gerhard Richter hat bekanntlich ein neues Fenster für den Kölner Dom geschaffen. Dieses Fenster ist knapp 115 Quadratmeter groß. Es besteht aus 11.200 kleinen Farbquadraten, sie sind alle gleich groß, aber jedes hat eine andere Farbe. Angeordnet wurden sie einerseits nach dem Zufallsprinzip – da hat ein Computer geholfen –, andererseits hat Gerhard Richter das am Ende noch mal ein bisschen überarbeitet und geordnet. Es gab in der Entstehungsphase dieses Fensters immer wieder Kritik, aber als am vergangenen Samstag nun im Kölner Dom das neue Fenster offiziell mit einem Gottesdienst eingeweiht wurde, da, man kann fast sagen, waren alle begeistert. Da gab es große Einigung, wie fabelhaft die Wirkung dieses Fensters sei und dass am Ende nun doch alles gelungen ist.

Das ist auch kein Wunder, denn bei diesem Einweihungsgottesdienst war der Erzbischof von Köln, Josef Kardinal Meisner, nicht dabei. Er war auf einer angeblich lang geplanten Reise. Nun ist er wieder zurück, und gestern hat er dem Kölner Express gesagt, dieses Fenster passt nicht in den Dom, es passt eher in eine Moschee oder in ein Gebetshaus. Kirche oder Moschee, den Unterschied kennt der Architekt Paul Böhm, sein Vater Gottfried und sein Großvater Dominikus Böhm sind, beziehungsweise waren berühmte Kirchenbaumeister. Er selbst hat Sakral- wie Profanbauten entworfen, und nun ist er der Architekt der neuen Kölner Zentralmoschee, und er sitzt für uns jetzt in unserem Kölner Studio. Schönen guten Tag, Herr Böhm.

Paul Böhm: Grüß Sie, Herr Kassel.

Kassel: Wenn man den Gedanken, den Herr Meisner da entworfen hat, zu Ende denkt, dann müssten Sie doch jetzt überlegen, ob Sie das Fenster aus dem Dom übernehmen wollen für Ihre Moschee.

Böhm: Ja, habe ich auch getan, aber ich glaube, dass wir Fenster haben wollen, was … Ja, wir haben ja einen sehr komplizierten Gebetsraum in seiner architektonischen Struktur, und ich glaube, da passt nicht diese Farbigkeit, dieser Reichtum, die das Domfenster ausstrahlt, rein. Insofern würde es wahrscheinlich für uns nicht passen.

Kassel: Ich glaube auch, man muss ja sagen, dass auch der Erzbischof von Köln das am Ende nicht entscheidet im Dom, das tun andere und die haben es ja entschieden. Dann reden wir erst nachher über die Moschee und reden jetzt über den Dom. Passt denn dieses Richter-Fenster – in Ihren Augen – in den Dom gut rein?

Böhm: Also, ich habe es noch nicht live gesehen, aber was ich so aus den Bildern entnehme, ist es natürlich ein wahnsinnig spannendes Farbenspiel. Dieses Farbenspiel ist natürlich … beeinflusst den Raum sehr stark, jedes Fenster, jedes farbige Fenster verändert einen Raum sehr stark, und das muss ich mir ehrlich gesagt noch anschauen, ob das nicht zu kitschig ist. Ich glaube aber, das ist ja nicht das Problem, was Herr Meisner damit hat, ich glaube, der Herr Meisner hat ja mit seiner Aussage darauf anspielen wollen, dass er, glaube ich, mehr was Figürliches haben wollte.

Kassel: Er wollte eigentlich figürliche Darstellungen von Heiligen aus dem 20. Jahrhundert haben und er argumentiert natürlich damit, dass anders als in der christlichen Tradition in der muslimischen ja die figürliche Darstellung, einfach konkrete Bilder gar nicht erlaubt sind. Heißt das denn für Sie im Umkehrschluss, so wie Meisner das ja meint, dass in christliche Kirchen wiederum nicht-figürliche Darstellungen nicht hineingehören?

Böhm: Nein, eben, genau, in meinen Augen wäre das der falsche Schluss. Ich glaube, dass man sehr wohl in christlichen und vor allem in katholischen Kirchen abstrakte Fenster oder abstrakte Darstellungen bieten kann oder in unserer Zeit gerade soll. Was der Herr Meisner und der Herr Richter, beide, erreicht haben, ist eigentlich was sehr Ähnliches wie das, was wir mit unserer Moschee erreicht haben, nämlich, dass wir über das Thema reden. Und das Problem ist ja eigentlich, dass jetzt hier im Kölner Dom ein zeitgenössisches, modernes Kunstwerk entstanden ist, was es eigentlich so in den letzten 20 und 30 Jahren nicht gegeben hat. In meinen Augen zumindest ist das Problem so ein bisschen, dass in der katholischen Kirche so in den letzten Jahren der Anschluss verloren gegangen ist an die moderne Kunst, und durch dieses Fenster und durch die Diskussion darüber, finde ich, ist das eigentlich wieder auf die Tagesordnung gekommen. Und auch, wenn es der Herr Meisner nicht gewollt hat, er hat eigentlich die moderne Kunst wieder in der katholischen Kirche aktuell gemacht, und das finde ich eigentlich sehr gut.

Kassel: Nun ist der Kölner Dom natürlich ein Bauwerk, das, wenn man mal von der Grundsteinlegung abrechnet, knapp 760 Jahre alt ist. Ist denn das trotzdem ein Gebäude … Sie sind ja vor allen Dingen Architekt. Sind alte Gebäude Gebäude, die aber auch wachsen müssen, die, wie der Kölner Dom, durch diese moderne Kunst auch selber wieder moderner werden? Oder haben doch die Leute recht, die sagen, das Fenster ist vielleicht an für sich schön, aber es gehört nicht in diese alte Kirche?

Böhm: Es ist ja, soweit ich das sehen kann, schon sehr interessant und geschickt gemacht. Es ist eben nicht dieses Kunsthandwerkliche, was ich so den letzten Jahren ankreide, und es ist glaube ich etwas, was einfach sehr viel Kraft hat und daher, vermute ich – wie gesagt, ich habe es nicht live gesehen, aber was ich von den Bildern kennen –, sehr gut auch in diese kraftvolle Architektur und Innenraumstruktur des Doms passt.

Kassel: Ein weiterer Punkt bei diesen Fragen – und da kann man eine Parallele jetzt finden zwischen der Arbeit von Herrn Richter als Künstler für dieses Fenster und Ihrer Arbeit als Architekt für die geplante Moschee in Köln-Ehrenfeld – ist ja die Frage, wieweit jemand, der etwas, was in einem spirituellen Kontext gezeigt wird, entwirft, inwieweit der diese Spiritualität haben muss. Klingt sehr verquast, einfach ausgedrückt: Gerhard Richter ist Atheist, auch das werfen ihm manche vor, wo er das Bild für den Kölner Dom geschaffen hat. Sie sind kein Muslim, aber Sie sind der Architekt einer Moschee. Halten Sie das für ein Problem?

Böhm: Nein, nein, halte ich nicht für ein Problem. Mein Gott, als Architekt muss man sich ja – vielleicht noch mehr als als bildender Künstler – mit vielerlei Aufgaben auseinandersetzen, die an einen herangetragen werden. Ich meine, ich muss ja auch nicht todkrank sein, um ein Krankenhaus planen zu können, oder, sicherlich bin ich christlich erzogen, aber ich bin jetzt nicht derjenige, der regelmäßig und jeden Morgen in die Kirche geht und habe, glaube ich, eine Kirche gebaut, die zumindest von den Christen, die da hingehen, sehr gut angenommen wird.

Kassel: Herzlichen Dank! Paul Böhm war das, der Architekt der Kölner Zentralmoschee, der geplanten, in Ehrenfeld, und ein in Köln wohnender Mensch, der zusammen mit fast der ganzen Million anderen Kölnern und Zugereisten nun entscheiden wird, ob es denn funktioniert, das Fenster von Gerhard Richter im Kölner Dom, oder nicht.