"Ein wunderschönes Feedback"
Ein deutsches Paar und eine illegale Adoption in Kalkutta: Davon handelt der Abschlussfilm von Max Zähle an der Hamburg Media School. In Los Angeles wird er dafür mit dem Studenten-"Oscar" ausgezeichnet.
...
Max Zähle: Dankeschön, hallo!
Liane von Billerbeck: Gratulieren kann man ja bereits, denn einen "Oscar" haben Sie ja quasi schon in der Tasche, die Frage ist nur, ob der in Bronze, Silber oder Gold glänzen wird, und man denkt aber manchmal so bei den Studenten-"Oscars": Da herrscht olympischer Geist. Sehen Sie das auch so, wenn man einer aus dieser auserwählten Gruppe ist, dann hat man eigentlich schon den Hauptgewinn?
Zähle: Absolut! Das ist ja an sich schon eine ganz tolle Auszeichnung, ein ganz tolles Feedback für die Arbeit, die wir geleistet haben, insofern freuen wir uns jetzt schon auch über den bronzenen – wenn es mehr wird, wäre natürlich toll, aber das sehen Sie schon ganz richtig: Der olympische Gedanke ist auf jeden Fall dabei.
von Billerbeck: Sie erzählen in Ihrem Film ja die Geschichte einer Auslandsadoption, und ich habe gelesen, dass Sie im Zusammenhang mit den Bildern aus dem verwüsteten Haiti, durch das Erdbeben zerstörten Haiti auf das Thema Auslandsadoption für Ihren Abschlussfilm gekommen sind. Wieso spielt der dann aber ausgerechnet in Kalkutta?
Zähle: Zunächst sei gesagt, dass ich auf das Thema gekommen bin durch ein tatsächliches Geschehnis, was damals passiert ist, dass eine Gruppe – eine christliche amerikanische Vereinigung – Kinder rausgeholt hat aus Haiti, illegal, und wurden an der Grenze aufgehalten, und dadurch kam natürlich das Thema überhaupt erst ins Rollen. Die haben natürlich vermeintlich gesagt, dass es den Kindern besser gehen wird woanders als in Haiti zu diesen Tagen, und das war eigentlich der Aufhänger für generell Adoption, Auslandsadoption und dann natürlich der illegalen Auslandsadoption. Und dadurch angeschoben habe ich angefangen zu recherchieren und bin dann auch sehr schnell auf Kalkutta gekommen, also zum einen gibt es eine Kooperation unserer Filmschule mit einer Filmschule in Kalkutta, dadurch war natürlich der Fokus rein von außen her schon mal gegeben, dass man da mal schaut, was passiert denn da überhaupt? Und dann wurde auch sehr schnell klar, dass Kalkutta so ein Dreh- und Angelpunkt des asiatischen Kinderhandels ist. Und dadurch stand es schon sehr, sehr schnell sehr früh fest, dass wir den Film dort erzählen müssen.
von Billerbeck: Gibt es denn so was wie saubere Adoptionen? Sie haben ja jetzt eben in legale und illegale Adoptionen unterschieden.
Zähle: Absolut, es gibt ja die legale, die gut vorbereitete, gut betreute Adoption, so wie es auch sein soll, die auch bis zu fünf Jahren auch mal dauern kann. Aber das beinhaltet ja, dass die potenziellen Adoptionseltern wirklich vorbereitet werden, psychisch, dass man schaut, warum wollen die das machen, wie bekommt man das hin, dass sie betreut werden – eben davor, währenddessen, danach. Das beschreibt eine gute, legale Auslandsadoption. Die illegale Auslandsadoption umgeht eben solche Richtlinien. Da geht man den direkten Weg teilweise zu Adoptionsagenturen in den jeweiligen Ländern, wo man das Kind herholen möchte, und das wäre dann der illegale Weg.
von Billerbeck: Und die Geschichte, die Sie erzählen in Ihrem Film, das ist ein Ehepaar, das also lange daran gelitten hat, keine Kinder zu bekommen, und irgendwann den Weg ins Ausland geht. Was ist das für eine Geschichte?
Zähle: Die Geschichte beschreibt tatsächlich dieses junge Elternpaar, das unbedingt ein Kind haben möchte, und ja auch blind wird für eventuelle illegale Machenschaften. Also, es ist gar nicht so, dass sie bewusst illegal diesen Weg gehen, sondern in ihrem Glauben ist das der normale, legale Weg, und werden an sich, was sie dann ja im Laufe des Films herausbekommen, in den illegalen Prozess einbezogen. Respektive sie sind ja die Abnehmer, die eigentlichen Antreiber dieses illegalen Prozesses, da sie auch "Gebühren" zahlen in Anführungsstrichen und dadurch ja auch diesen Markt am Laufen halten.
von Billerbeck: Es gibt ja auch viele Prominente aus dem Showgeschäft, aus der Filmwelt oder auch aus der Politik – Madonna fällt uns da sofort ein –, die Kinder aus ärmeren Ländern adoptiert haben. Madonna hat Kinder aus Malawi adoptiert. Was halten Sie davon?
Zähle: Das ist eigentlich ein schlechtes Beispiel – also ein schlechtes Beispiel einer Adoption. Weil das ist wirklich der kurze Weg, wo viel Geld fließt, wo man diesen Promistatus benutzt, um eben Kinder auf kurzem Wege zu adoptieren. Das hat in keinster Weise was mit einer gut geführten legalen Auslandsadoption zu tun. Und das ist in der Tat falsch, das auf diesem Wege zu machen und auch das nachzuahmen.
von Billerbeck: Das deutsche Ehepaar in Ihrem Film, gespielt von Wotan Wilke Möhring und Julia Richter, gerät ja nun in eine Stadt, die ihm völlig fremd ist, nach Kalkutta, und befindet sich plötzlich mitten im Zentrum eines Problems. Wie haben Sie die Schauspieler auf diesen Dreh vorbereitet? Es gibt ja bei den Regisseuren immer so unterschiedliche Auffassungen: Die einen wollen immer, dass die Schauspieler einfach so reingeworfen werden und aus dem Gefühl heraus spielen, und die anderen wollen den Schauspieler, der ganz bewusst weiß, was er tut, indem er das kopfgesteuert spielt. Was sind Sie für ein Typ Regisseur?
Zähle: Also, ich gehöre zu keiner konkreten Sorte des Regisseurs, das waren so ein bisschen äußerliche Bedingungen, die uns dazu gebracht haben, dass es keine große örtliche Vorbereitungszeit gab für Wotan Wilke Möhring und Julia Richter, da die beiden natürlich auch extrem gut gebuchte Schauspieler sind – das heißt, die sind am Tag vorm Dreh auch erst angekommen in Kalkutta und sind so gesehen natürlich reingeworfen worden in die Stadt, in die Kultur, in die Atmosphäre, was natürlich für den Film, für die Figuren auch gut war, weil das ja den Figuren selber auch passiert in dem Film. Aber in erster Linie haben wir – Wotan Wilke Möhring, Julia Richter und ich – extrem viel über die Rollen gesprochen, über deren Einstellung zu dem Thema, deren Gründe, auch die Ambivalenz dessen, die auch in dem Film erzählt wird. Das heißt aber sehr viel theoretische Arbeit im Vorwege, das heißt, emotional haben wir uns wirklich bestens vorbereitet, die äußerlichen Bedingungen haben die wirklich auch erst – so wie die Figuren – kurz vor dem Dreh kennengelernt.
von Billerbeck: Nun drehen Sie auch mitten in Kalkutta, wie war das?
Zähle: Das war ein Abenteuer! Das war aufregend, da können wir ... ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll! Es ist natürlich so, dass es einfach eine komplett andere Kultur ist, eine wunderbare Kultur, eine wunderbare Stadt, lebensfrohe Menschen, trotz auch der Armut, die natürlich dort vorherrscht. Aber es ist einfach eine komplett andere Kultur, ein ganz anderes System, das heißt, gerade auf beruflicher Basis mussten wir uns natürlich komplett umstellen. Das heißt, wir mussten – wir haben auch eine große indische Crew gehabt, die uns geholfen hat – und wir mussten uns so ein bisschen an deren Arbeitsweisen gewöhnen und auch die annehmen und nicht andersherum, sonst hätte das nicht funktioniert ...
von Billerbeck: Wie waren denn deren Arbeitsweisen, und was war daran so anders, als wenn Sie beispielsweise in Hamburg oder Berlin gedreht hätten?
Zähle: Ja, man muss sich vorstellen, dass – auch wenn man gerade auf den Straßen Kalkuttas dreht – die Menschen dort in Kalkutta sind extrem filmverrückt, und sobald eine Kamera ausgepackt wird, scharen die sich zu Hunderten um diese Kamera. Das heißt, die Möglichkeit wie hier, abzusperren und kontrolliert ein Drehset aufzumachen, ist halt in den Straßen Kalkuttas gar nicht möglich, zumal wir ja auch nicht das Riesenbudget hatten, es ist ja nach wie vor ein Studentenfilm, aber auch dann wäre es eigentlich nicht möglich, da großartig abzusperren und für Ruhe zu sorgen vor allem. Das heißt, da muss man ein bisschen mit umgehen können und muss das alles ein bisschen mit einbinden und auch sich da rein werfen in diese Masse, in dieses Chaos, was dem Film jetzt eigentlich auch zugute kam.
Und was natürlich noch ganz spannend ist, dass die Inder selten – oder in Indien selten wirklich mit Liveton, also mit SyncSound gedreht wird. Die vertonen sehr viel nach, und auch da war natürlich diese Set-Disziplin, wie wir sie aus Deutschland kennen, nicht wirklich da, das heißt, man musste immer sehr sensibel für Ruhe sorgen, da wir den Ton live mitgeschnitten haben. Der Wotan ist wirklich reingesprungen in die Masse, und der Sin Huh, der Kameramann, ist hinterher mit der Kamera, wir alle anderen haben uns in einem Kartoffelkeller versteckt, wo wir rein durften beim Gemüsehändler, haben das alles auf dem Board schon aufgezeichnet, danach angeschaut, das heißt, wir sind auch nicht mit einer riesigen Crew raus, sondern wollten wirklich auch so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen, um auch wirklich alles um uns herum in den Film mit einbeziehen zu können.
von Billerbeck: Sind Sie jetzt mit dem Thema durch? Oder könnte aus diesem Film so eine Art Lebensthema werden?
Zähle: Es ist so, dass wir natürlich noch sehr, sehr eng in Kontakt stehen zu den Leuten, die uns dort geholfen haben. Und wir haben auch einen Verein gegründet, angeschoben von dem Hans Tillmann, dem Szenenbildner, der mitgekommen ist. Das heißt, wir stehen auch mit den NGOs, die uns vor Ort geholfen haben – die versuchen wir jetzt ein wenig zu unterstützen, da wir die auch kennen, und wir wissen, wie die mit den Kindern arbeiten. Also, es ist nicht einfach abgehakt – generell das Thema und auch die Menschen dort –, und filmisch werde ich mit Sicherheit noch an einem Langfilm arbeiten, weil da noch so viel mehr drinsteckt, oder in diesem Thema hängt, als was wir erzählen konnten in diesen 25 Minuten. Es geht ja bis in die Politik. Da sind so wahnsinnig große, große Sachen, die da dranhängen, dass da einfach ein 90-Minüter noch gedreht werden muss.
von Billerbeck: Das Deutschland so relativ viele Preisträger eines Studenten-"Oscars" hat, das kann ja irgendwie kein Zufall sein und muss auch dafür sprechen, dass die deutschen Filmschulen doch ziemlich gut sind. Was würden Sie sagen, wenn Sie Ihre Schule, also die Hamburg Media School, beschreiben müssten? Woran liegt das?
Zähle: Ja, ich glaube, das Konzept der Hamburg Media School ist ja auch einzigartig bei den Filmschulen in Deutschland. Das sind zwei Jahre, da ist ein Masterstudiengang, ein Aufbaustudiengang, wo es ganz klare Richtlinien gibt. Es ist kein Experimentierstudium, sondern da sollen gut funktionierende, qualitativ gute Filme produziert werden. Das ist ein ganz klares Anforderungsprofil. Das heißt, dementsprechend ist auch der Druck da, so etwas umzusetzen, und das finde ich für mich als Student ... habe ich das als extrem herausfordernd und extrem positiv empfunden, weil natürlich eben dieser Druck da ist und man sich nicht in Gemütlichkeit zurücklehnen kann und schauen kann, was denn da jetzt passiert, sondern es gibt eine ganz klare Struktur, an die hat man sich zu halten, und innerhalb dieser Struktur sollen und werden gute Filme produziert.
von Billerbeck: Das hat offenbar geklappt, denn nun sind Sie und Ihr Team Preisträger eines Studenten-"Oscars", den Sie also Anfang Juni bekommen werden. Mit welchen Erwartungen und mit welchen Hoffnungen fliegen Sie denn – und Ihr Team nach Los Angeles? Wird dieser Studenten-"Oscar" ein Türöffner sein für Ihre berufliche Karriere?
Zähle: Also, uns freut das natürlich alle, dass einfach diese Aufmerksamkeit für diesen Film da ist, das ist natürlich ganz toll, weil wir ja auch wirklich extrem viel investiert haben in diesen Film, und das Thema auch wirklich erzählungswürdig ist und einfach auch diese Aufmerksamkeit braucht. Insofern ist das einfach wirklich ein wunderschönes Feedback, was da zurückkommt. Und nach LA fliegen wir – also, da ist keine Erwartungshaltung mehr da, das wird einfach wirklich eine wunderschöne Woche, da finden wunderschöne Veranstaltungen statt, man trifft extrem spannenden Menschen. Der Film läuft im Metro-Goldwyn-Mayer-Kino in Hollywood – das sind alles so Sachen, die sind einfach aufregend. Das werden wir, denke ich, genießen – und was letzten Endes, oder welche Farbe letzten Endes dabei rauskommt, das haben wir nicht in der Hand, das werden wir sehen. Aber wir freuen uns einfach extrem drauf. Und beruflich, ob da was passiert, hoffe ich natürlich, das wäre natürlich toll! Aber auch das hat man jetzt erst mal nicht in der Hand.
von Billerbeck: Max Zähle war das, dessen Abschlussfilm "Raju", gedreht an der Hamburg Media School, dem Regisseur und seinem Team einen der begehrten Studenten-"Oscars" für den besten ausländischen Film beschert hat. Kamera Sin Huh, Produktion Stefan Gieren, die Hauptrollen spielen Wotan Wilke Möhring und Julia Richter. Max Zähle, danke für das Gespräch, und wir wünschen Ihnen natürlich, dass Sie den goldenen Studenten-"Oscar" bekommen!
Zähle: Vielen Dank!
Max Zähle: Dankeschön, hallo!
Liane von Billerbeck: Gratulieren kann man ja bereits, denn einen "Oscar" haben Sie ja quasi schon in der Tasche, die Frage ist nur, ob der in Bronze, Silber oder Gold glänzen wird, und man denkt aber manchmal so bei den Studenten-"Oscars": Da herrscht olympischer Geist. Sehen Sie das auch so, wenn man einer aus dieser auserwählten Gruppe ist, dann hat man eigentlich schon den Hauptgewinn?
Zähle: Absolut! Das ist ja an sich schon eine ganz tolle Auszeichnung, ein ganz tolles Feedback für die Arbeit, die wir geleistet haben, insofern freuen wir uns jetzt schon auch über den bronzenen – wenn es mehr wird, wäre natürlich toll, aber das sehen Sie schon ganz richtig: Der olympische Gedanke ist auf jeden Fall dabei.
von Billerbeck: Sie erzählen in Ihrem Film ja die Geschichte einer Auslandsadoption, und ich habe gelesen, dass Sie im Zusammenhang mit den Bildern aus dem verwüsteten Haiti, durch das Erdbeben zerstörten Haiti auf das Thema Auslandsadoption für Ihren Abschlussfilm gekommen sind. Wieso spielt der dann aber ausgerechnet in Kalkutta?
Zähle: Zunächst sei gesagt, dass ich auf das Thema gekommen bin durch ein tatsächliches Geschehnis, was damals passiert ist, dass eine Gruppe – eine christliche amerikanische Vereinigung – Kinder rausgeholt hat aus Haiti, illegal, und wurden an der Grenze aufgehalten, und dadurch kam natürlich das Thema überhaupt erst ins Rollen. Die haben natürlich vermeintlich gesagt, dass es den Kindern besser gehen wird woanders als in Haiti zu diesen Tagen, und das war eigentlich der Aufhänger für generell Adoption, Auslandsadoption und dann natürlich der illegalen Auslandsadoption. Und dadurch angeschoben habe ich angefangen zu recherchieren und bin dann auch sehr schnell auf Kalkutta gekommen, also zum einen gibt es eine Kooperation unserer Filmschule mit einer Filmschule in Kalkutta, dadurch war natürlich der Fokus rein von außen her schon mal gegeben, dass man da mal schaut, was passiert denn da überhaupt? Und dann wurde auch sehr schnell klar, dass Kalkutta so ein Dreh- und Angelpunkt des asiatischen Kinderhandels ist. Und dadurch stand es schon sehr, sehr schnell sehr früh fest, dass wir den Film dort erzählen müssen.
von Billerbeck: Gibt es denn so was wie saubere Adoptionen? Sie haben ja jetzt eben in legale und illegale Adoptionen unterschieden.
Zähle: Absolut, es gibt ja die legale, die gut vorbereitete, gut betreute Adoption, so wie es auch sein soll, die auch bis zu fünf Jahren auch mal dauern kann. Aber das beinhaltet ja, dass die potenziellen Adoptionseltern wirklich vorbereitet werden, psychisch, dass man schaut, warum wollen die das machen, wie bekommt man das hin, dass sie betreut werden – eben davor, währenddessen, danach. Das beschreibt eine gute, legale Auslandsadoption. Die illegale Auslandsadoption umgeht eben solche Richtlinien. Da geht man den direkten Weg teilweise zu Adoptionsagenturen in den jeweiligen Ländern, wo man das Kind herholen möchte, und das wäre dann der illegale Weg.
von Billerbeck: Und die Geschichte, die Sie erzählen in Ihrem Film, das ist ein Ehepaar, das also lange daran gelitten hat, keine Kinder zu bekommen, und irgendwann den Weg ins Ausland geht. Was ist das für eine Geschichte?
Zähle: Die Geschichte beschreibt tatsächlich dieses junge Elternpaar, das unbedingt ein Kind haben möchte, und ja auch blind wird für eventuelle illegale Machenschaften. Also, es ist gar nicht so, dass sie bewusst illegal diesen Weg gehen, sondern in ihrem Glauben ist das der normale, legale Weg, und werden an sich, was sie dann ja im Laufe des Films herausbekommen, in den illegalen Prozess einbezogen. Respektive sie sind ja die Abnehmer, die eigentlichen Antreiber dieses illegalen Prozesses, da sie auch "Gebühren" zahlen in Anführungsstrichen und dadurch ja auch diesen Markt am Laufen halten.
von Billerbeck: Es gibt ja auch viele Prominente aus dem Showgeschäft, aus der Filmwelt oder auch aus der Politik – Madonna fällt uns da sofort ein –, die Kinder aus ärmeren Ländern adoptiert haben. Madonna hat Kinder aus Malawi adoptiert. Was halten Sie davon?
Zähle: Das ist eigentlich ein schlechtes Beispiel – also ein schlechtes Beispiel einer Adoption. Weil das ist wirklich der kurze Weg, wo viel Geld fließt, wo man diesen Promistatus benutzt, um eben Kinder auf kurzem Wege zu adoptieren. Das hat in keinster Weise was mit einer gut geführten legalen Auslandsadoption zu tun. Und das ist in der Tat falsch, das auf diesem Wege zu machen und auch das nachzuahmen.
von Billerbeck: Das deutsche Ehepaar in Ihrem Film, gespielt von Wotan Wilke Möhring und Julia Richter, gerät ja nun in eine Stadt, die ihm völlig fremd ist, nach Kalkutta, und befindet sich plötzlich mitten im Zentrum eines Problems. Wie haben Sie die Schauspieler auf diesen Dreh vorbereitet? Es gibt ja bei den Regisseuren immer so unterschiedliche Auffassungen: Die einen wollen immer, dass die Schauspieler einfach so reingeworfen werden und aus dem Gefühl heraus spielen, und die anderen wollen den Schauspieler, der ganz bewusst weiß, was er tut, indem er das kopfgesteuert spielt. Was sind Sie für ein Typ Regisseur?
Zähle: Also, ich gehöre zu keiner konkreten Sorte des Regisseurs, das waren so ein bisschen äußerliche Bedingungen, die uns dazu gebracht haben, dass es keine große örtliche Vorbereitungszeit gab für Wotan Wilke Möhring und Julia Richter, da die beiden natürlich auch extrem gut gebuchte Schauspieler sind – das heißt, die sind am Tag vorm Dreh auch erst angekommen in Kalkutta und sind so gesehen natürlich reingeworfen worden in die Stadt, in die Kultur, in die Atmosphäre, was natürlich für den Film, für die Figuren auch gut war, weil das ja den Figuren selber auch passiert in dem Film. Aber in erster Linie haben wir – Wotan Wilke Möhring, Julia Richter und ich – extrem viel über die Rollen gesprochen, über deren Einstellung zu dem Thema, deren Gründe, auch die Ambivalenz dessen, die auch in dem Film erzählt wird. Das heißt aber sehr viel theoretische Arbeit im Vorwege, das heißt, emotional haben wir uns wirklich bestens vorbereitet, die äußerlichen Bedingungen haben die wirklich auch erst – so wie die Figuren – kurz vor dem Dreh kennengelernt.
von Billerbeck: Nun drehen Sie auch mitten in Kalkutta, wie war das?
Zähle: Das war ein Abenteuer! Das war aufregend, da können wir ... ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll! Es ist natürlich so, dass es einfach eine komplett andere Kultur ist, eine wunderbare Kultur, eine wunderbare Stadt, lebensfrohe Menschen, trotz auch der Armut, die natürlich dort vorherrscht. Aber es ist einfach eine komplett andere Kultur, ein ganz anderes System, das heißt, gerade auf beruflicher Basis mussten wir uns natürlich komplett umstellen. Das heißt, wir mussten – wir haben auch eine große indische Crew gehabt, die uns geholfen hat – und wir mussten uns so ein bisschen an deren Arbeitsweisen gewöhnen und auch die annehmen und nicht andersherum, sonst hätte das nicht funktioniert ...
von Billerbeck: Wie waren denn deren Arbeitsweisen, und was war daran so anders, als wenn Sie beispielsweise in Hamburg oder Berlin gedreht hätten?
Zähle: Ja, man muss sich vorstellen, dass – auch wenn man gerade auf den Straßen Kalkuttas dreht – die Menschen dort in Kalkutta sind extrem filmverrückt, und sobald eine Kamera ausgepackt wird, scharen die sich zu Hunderten um diese Kamera. Das heißt, die Möglichkeit wie hier, abzusperren und kontrolliert ein Drehset aufzumachen, ist halt in den Straßen Kalkuttas gar nicht möglich, zumal wir ja auch nicht das Riesenbudget hatten, es ist ja nach wie vor ein Studentenfilm, aber auch dann wäre es eigentlich nicht möglich, da großartig abzusperren und für Ruhe zu sorgen vor allem. Das heißt, da muss man ein bisschen mit umgehen können und muss das alles ein bisschen mit einbinden und auch sich da rein werfen in diese Masse, in dieses Chaos, was dem Film jetzt eigentlich auch zugute kam.
Und was natürlich noch ganz spannend ist, dass die Inder selten – oder in Indien selten wirklich mit Liveton, also mit SyncSound gedreht wird. Die vertonen sehr viel nach, und auch da war natürlich diese Set-Disziplin, wie wir sie aus Deutschland kennen, nicht wirklich da, das heißt, man musste immer sehr sensibel für Ruhe sorgen, da wir den Ton live mitgeschnitten haben. Der Wotan ist wirklich reingesprungen in die Masse, und der Sin Huh, der Kameramann, ist hinterher mit der Kamera, wir alle anderen haben uns in einem Kartoffelkeller versteckt, wo wir rein durften beim Gemüsehändler, haben das alles auf dem Board schon aufgezeichnet, danach angeschaut, das heißt, wir sind auch nicht mit einer riesigen Crew raus, sondern wollten wirklich auch so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen, um auch wirklich alles um uns herum in den Film mit einbeziehen zu können.
von Billerbeck: Sind Sie jetzt mit dem Thema durch? Oder könnte aus diesem Film so eine Art Lebensthema werden?
Zähle: Es ist so, dass wir natürlich noch sehr, sehr eng in Kontakt stehen zu den Leuten, die uns dort geholfen haben. Und wir haben auch einen Verein gegründet, angeschoben von dem Hans Tillmann, dem Szenenbildner, der mitgekommen ist. Das heißt, wir stehen auch mit den NGOs, die uns vor Ort geholfen haben – die versuchen wir jetzt ein wenig zu unterstützen, da wir die auch kennen, und wir wissen, wie die mit den Kindern arbeiten. Also, es ist nicht einfach abgehakt – generell das Thema und auch die Menschen dort –, und filmisch werde ich mit Sicherheit noch an einem Langfilm arbeiten, weil da noch so viel mehr drinsteckt, oder in diesem Thema hängt, als was wir erzählen konnten in diesen 25 Minuten. Es geht ja bis in die Politik. Da sind so wahnsinnig große, große Sachen, die da dranhängen, dass da einfach ein 90-Minüter noch gedreht werden muss.
von Billerbeck: Das Deutschland so relativ viele Preisträger eines Studenten-"Oscars" hat, das kann ja irgendwie kein Zufall sein und muss auch dafür sprechen, dass die deutschen Filmschulen doch ziemlich gut sind. Was würden Sie sagen, wenn Sie Ihre Schule, also die Hamburg Media School, beschreiben müssten? Woran liegt das?
Zähle: Ja, ich glaube, das Konzept der Hamburg Media School ist ja auch einzigartig bei den Filmschulen in Deutschland. Das sind zwei Jahre, da ist ein Masterstudiengang, ein Aufbaustudiengang, wo es ganz klare Richtlinien gibt. Es ist kein Experimentierstudium, sondern da sollen gut funktionierende, qualitativ gute Filme produziert werden. Das ist ein ganz klares Anforderungsprofil. Das heißt, dementsprechend ist auch der Druck da, so etwas umzusetzen, und das finde ich für mich als Student ... habe ich das als extrem herausfordernd und extrem positiv empfunden, weil natürlich eben dieser Druck da ist und man sich nicht in Gemütlichkeit zurücklehnen kann und schauen kann, was denn da jetzt passiert, sondern es gibt eine ganz klare Struktur, an die hat man sich zu halten, und innerhalb dieser Struktur sollen und werden gute Filme produziert.
von Billerbeck: Das hat offenbar geklappt, denn nun sind Sie und Ihr Team Preisträger eines Studenten-"Oscars", den Sie also Anfang Juni bekommen werden. Mit welchen Erwartungen und mit welchen Hoffnungen fliegen Sie denn – und Ihr Team nach Los Angeles? Wird dieser Studenten-"Oscar" ein Türöffner sein für Ihre berufliche Karriere?
Zähle: Also, uns freut das natürlich alle, dass einfach diese Aufmerksamkeit für diesen Film da ist, das ist natürlich ganz toll, weil wir ja auch wirklich extrem viel investiert haben in diesen Film, und das Thema auch wirklich erzählungswürdig ist und einfach auch diese Aufmerksamkeit braucht. Insofern ist das einfach wirklich ein wunderschönes Feedback, was da zurückkommt. Und nach LA fliegen wir – also, da ist keine Erwartungshaltung mehr da, das wird einfach wirklich eine wunderschöne Woche, da finden wunderschöne Veranstaltungen statt, man trifft extrem spannenden Menschen. Der Film läuft im Metro-Goldwyn-Mayer-Kino in Hollywood – das sind alles so Sachen, die sind einfach aufregend. Das werden wir, denke ich, genießen – und was letzten Endes, oder welche Farbe letzten Endes dabei rauskommt, das haben wir nicht in der Hand, das werden wir sehen. Aber wir freuen uns einfach extrem drauf. Und beruflich, ob da was passiert, hoffe ich natürlich, das wäre natürlich toll! Aber auch das hat man jetzt erst mal nicht in der Hand.
von Billerbeck: Max Zähle war das, dessen Abschlussfilm "Raju", gedreht an der Hamburg Media School, dem Regisseur und seinem Team einen der begehrten Studenten-"Oscars" für den besten ausländischen Film beschert hat. Kamera Sin Huh, Produktion Stefan Gieren, die Hauptrollen spielen Wotan Wilke Möhring und Julia Richter. Max Zähle, danke für das Gespräch, und wir wünschen Ihnen natürlich, dass Sie den goldenen Studenten-"Oscar" bekommen!
Zähle: Vielen Dank!