Ein Zeichen mit Tiefe und Widersprüchen

Von Peter Kaiser |
Zwei sich kreuzende Bögen, die einen Fisch ergeben - an diesem Symbol erkannten sich früher die Christen. Auch heute noch drücken sich in diesem Zeichen Kernelemente des Glaubens aus.
Klaus Bongard: "Das ist eine Thorie. Dass man sich eben daran erkannt hat, dass ein Christ einen Bogen in den Sand malte … und wer durch einen zweiten Bogen daraus einen Fisch formte, hat sich dann auch als Christ zu erkennen gegeben."

I = Jesous, CH = Christos, TH = Theou, Y = Hyos, S = Soter. Also Ichtys, und das heißt eben Fisch. Und das ist eine Abkürzung für Jesus Christus, Gottes Sohn, unser Heiland oder unser Retter. Jeder einzelne Buchstabe steht für das griechische Wort. Und früher hat man die griechischen Buchstaben als Erkennungszeichen gehabt.

Bei einem Ranking der wichtigsten christlichen Symbole würde das Kreuz die erste Stelle einnehmen, und das Fischsymbol die zweite. Doch von DEM Fischsymbol an sich zu sprechen, ist nicht ganz richtig, sagt Klaus Bongard, Professor am Institut für vergleichende Ethik der Freien Universität Berlin:

"Es gibt zum einen die Tradition, die Christus als Fisch sieht, im Fischsymbol darstellt. Es gibt auf der anderen Seite eine Tradition, die die Gläubigen als Fische darstellt."

In seiner Tauflehre "De Baptismo" spielt der Kirchenlehrer Tertullian um 200 nach Christus darauf an, dass sich die Christen gerne als "Fischlein" bezeichnen.

Klaus Bongard: "Und dann hat der Fisch in der Kirche noch eine ganz andere Tradition, die Jonasgeschichte. Die Geschichte von dem Propheten, der von dem Fisch verschluckt und wieder ausgespuckt wurde, ist ein weiterer Fisch, der in der christlichen Kunst und in der christlichen Theologie eine große Rolle spielt."

Eine frühchristliche Wandmalerei aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus stellt die sogenannten "eucharistischen Fische" dar. Zu finden in den Lucina-Krypten der römischen Calixtus-Katakombe. Angespielt wird damit auf die wundersame Vermehrung der fünf Gerstenbrote und der zwei Fische bei der Speisung der 5000. Doch Fisch und Fischen kommt in der Bibel auch noch anders vor.

Klaus Bongard: "Der Tradition nach waren die meisten der Jünger Jesu, die späteren Apostel, Fischer. Und die Berufungsgeschichten erzählen, dass er sie nach einem wunderbaren Fischfang zu sich gerufen hat mit dem Auftrag: Von nun an werdet Ihr Menschenfischer sein."

Nur … auch in den Stoas, den griechischen Philosophenschulen, wurde von dem Werben um Schüler als vom Fischfang gesprochen.

Klaus Bongard: "Es liegt natürlich einigermaßen nahe, Fischer, die ihre Fische im Netz zusammenfassen, als Bild zu sehen für Menschen, die Menschen zusammenführen."

Doch das Bild des Menschenfischers, mit dem auch die Institution Kirche generell oft belegt wird, birgt in seiner allegorischen, also vergleichenden, Funktion heftige logische Probleme.

Klaus Bongard: "Denn Fische werden durch den Fischfang aus dem Wasser gezogen, und damit aus ihrem Lebenselement und leben nicht mehr lange. Und das ist ja auch das Ziel des Fischens. Deshalb haben sich schon die Kirchenväter etwas schwer getan, dieses Bild so ohne Weiteres zu übernehmen.

Es gibt einen Kirchenvater, der von den Menschen, den Gläubigen, als Fischen redet, die sich im Taufwasser pudelwohl fühlen und da auch drin leben können. Dann passt da aber das Bild von den Menschenfischern nicht mehr.

Und deshalb ist zur gleichen Zeit, am Anfang des dritten Jahrhunderts, es üblich, dass die Menschenfischer, die Apostel, die Bischöfe, die Missionare, die Menschen aus dem Meer des Bösen fischen. Das Bild ist auch nicht ohne Weiteres und ohne Brüche übertragbar."

Wikipedia: "... archetypisch und tiefenpsychologisch kann der Fisch auch als Symbol für die unter dem Wasser, also der Oberfläche, verborgene Wahrheit gedeutet werden, die es zu fangen, also ans Licht zu holen, gilt. In der Geschichte vom Fischzug des Petrus erweist sich Jesus damit auch als Wegweiser zur Wahrheit."

Jürgen Quandt: "Also ich bin Autofahrer, und es passiert gar nicht so selten, dass ich hinten auf der Rückseite anderer Autos, die vor mir fahren, so ein stilisiertes Fischzeichen sehe, oder ein Fischsymbol. Und dann weiß ich immer, was das bedeutet, und was das für Menschen sind, die da im Auto sitzen. Die meisten dürften das nicht wissen, aber ich denke mal jemand, der von Beruf Pfarrer ist und Christ sein will, versteht dieses Zeichen schon."

Als das Christentum offen gelebt werden durfte, spielte das Fischzeichen auch nicht mehr die präsente Rolle von einst und geriet in Vergessenheit. Mehr oder weniger jetzt, in den 1970er Jahren, erfährt das Symbol eine Wiederbelebung. Die besteht jedoch mehr in einem Merchandising des Symbols auf T-Shirt, Taschen, als Button oder Heckklappenaufkleber.

Jürgen Quandt: "Ich würde sagen, es ist heute sehr ausgeprägt das Bedürfnis sich durch äußere, ach, ist vielleicht immer so gewesen, aber heute eben auch, durch äußere Zeichen sich erkennen zu geben zu welcher Gruppierung, oder wo man zugehört, oder wo man zugehören möchte. Also ich glaube, das ganze Thema Mode ist nicht anders zu verstehen."

Jürgen Quandt von der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Berlin-Kreuzberg ist Pfarrer im Ruhestand.

"Ich würde es mir deswegen nicht ranmachen. Ich habe keine Probleme damit, sozusagen, mein Christsein öffentlich zu machen. Aber ich glaube, das Motiv ist es auch nicht bei den Menschen, die das machen. Sondern ich glaube, es ist eher so, dass heute in unserer Gesellschaft die Kenntnis von dem, was christliche Symbole vielleicht sind und bedeuten, eher schon verloren gegangen ist."

I = Jesous, CH = Christos, TH = Theou, Y = Hyos, S = Soter. Inzwischen ist das Ychthis-Symbol wieder gebräuchlich und erfährt sogar eine Art Konjunktur in unseren Tagen. Der CVJM etwa - der Christliche Verein Junger Männer - hat es in seinem Logo. Auf der EXPO 2000 in Hannover war es zu sehen oder als Leitsymbol des Deutschen Evangelischen Kirchentages im Jahr 2007 in Köln.

Und wenn das Fischsymbol auch heute längst nicht mehr das Geheimzeichen der Christen ist - etwas Verbindendes und Zusammenführendes, das hat es sicherlich noch immer.