Ein Zombiefilm, der wütend macht

Von Hartwig Tegeler · 25.06.2013
In "World War Z" spielt Brad Pitt einen Krisenmanager der UNO, der einer Attacke von Zombies auf den Grund gehen soll. Die krude Melange aus Rassismus und Fremdenhass des Films appelliert an unser Gefühl einer grundlegenden Verunsicherung.
Kommen da nicht die Hunnen! Nein, falsch. Nicht die aus Fritz Langs "Die Nibelungen". Die Vietminh fallen wie Schwärme von Ameisen über französische Fremdenlegionäre in Indochina her. Nein. Nicht "Die Hölle von Dien Bien Phu", wieder falscher Film.

Doch ob fiktive asiatische Horden oder - realiter - Afrikaner, die übers Mittelmeer kommen: Mit den Zombies in "World War Z" haben sie eins gemein: Wie ein tödlicher Schwarm drohen sie, die Gated Community unseres Lebensmodells zu überschwemmen.

Der archetypische Kampf zwischen Barbarei und Zivilisation findet in Marc Forsters Film nach einer weltweiten Zombie-Pandemie statt. Das alles spielt nicht mehr im gegenkulturellen Horror- bzw. B-Picture, sondern ist jetzt im Mainstream angelangt, mit zwei-, dreihundert oder noch mehr Millionen Dollar Budget und Weltstar Brad Pitt in der Hauptrolle.

Während Zombies bisher meist stolpernd, wie in Zeitlupe, auf Menschenjagd gingen, erinnern sie in "World War Z" an einen Vogelschwarm oder eine Ameisenarmee. Unheimlich, bedrohlich, rasend schnell; Horror, wenn ein gigantischer Schwarm von Zombies gegen und auf die Mauer strömt, die die Israelis um Jerusalem errichtet haben.

Nein, dies ist nicht der echte Schutzwall zwischen Israel und dem Westjordanland; die Mauer im Film ist viel, viel höher. Den Bildern eines Spielfilms Eindeutigkeit zu unterstellen, das ist eine heikle Sache. Interessant ist es aber zu sehen, mit welchen Urängsten ein 3-D-Aktionspektakel wie "World War Z" spielt, und wo sich diese Filmbilder bei uns gezielt andocken.

Urängste und historische Resonanzen
Der Schutzwall, der überwunden wird von den Fremden, löst Ängste aus, Urängste. Wie Schmiermittel verbinden die die Kino- mit der realen Erfahrungswelt und berühren historische Resonanzen: Der Hadrianswall in Britannien sollte die Römer vor den barbarischen Pikten und Scoten schützen, die chinesische Mauer die Reiterhorden aus der asiatischen Steppe abhalten. Und der Zaun an der mexikanischen Grenze - inzwischen mehr als 1000 Kilometer lang - dient den USA als Schutz vor unerwünschten Einwanderern.

Endzeitstimmung, globale Katastrophe, Angst vorm Fremden - tot, untot, Zombie, Hunne, Barbar, Mexikaner, Afrikaner, Osteuropäer egal, was macht da den Unterschied, all das bindet "World War Z" zusammen in einer kruden Melange aus Rassismus und Fremdenhass und setzt sich drauf auf unser Gefühl einer grundlegenden Verunsicherung: Leben wir nicht wieder in Zeiten einer nicht kontrollierbaren Völkerwanderung?

Und da, vor der Tür, vor der Mauer, drüben, auf der anderen Seite der Grenze, die wir zu unserem Schutz errichtet haben, direkt auf uns weisend, da stehen sie, bereit, sich auf uns zu stürzen: die Fremden, die Anderen, die Zombies.

Früher waren Zombie-Filme auch mal gesellschaftskritisch
Filmhistorisch ist der Zombie-Film nur ein Gefäß, in das man füllen kann, was einem die Weltsicht vorgibt. George A. Romero, der 1968 mit "Die Nacht der lebenden Toten" diesem Genre einen kräftigen popkulturellen Schub versetzt hat, verstand seine Zombie-Geschichten immer als Gesellschaftskritik.

Die Elite der Restmenschheit lebt in einem hohen Glasturm, sagte Romero, während alle anderen keine Chance auf einen sozialen Aufstieg haben. Die Zombies bei mir sind nicht umsonst wie Obdachlose angezogen. Und dann bemerkte George A. Romero noch: Ich mag den Gedanken, dass Zombies sind wie wir.
Im Zombie, im Fremden, mich selbst zu sehen, das verbietet ein dumpfer Film wie "World War Z". Das Fremde darf hier nicht menschlich sein, noch ein individuelles Gesicht haben. Wie in "Die Nibelungen" die Hunnen, wie im "Herr(n) der Ringe" die Orks, so hat auch in "World War Z" der Feind kein Gesicht.

Wenn er dann noch animalisch ist, die Insignien Ungeziefer trägt - Marc Foster erklärt im Presseheft euphorisch, dass "seine" Zombies Tierschwärmen nachempfunden sind, dann ist der Kampf gegen einen solchen Feind nicht als Notwehr. Genfer Konvention, nix da.

Der letzte Satz in diesem reaktionären, rassistischen Machwerk: "Unser Krieg hat gerade erst begonnen." Ende des Zitats. Und der Endsieg ist nahe, oder wie?

Hartwig Tegeler, geboren 1956 in Nordenham-Hoffe an der Unterweser, begann nach einem Studium der Germanistik und Politologie in Hamburg seine journalistische Arbeit bei einem Privatsender und arbeitet seit 1990 als Freier Hörfunk-Autor und -Regisseur in der ARD, schreibt Filmkritiken, Features und Reportagen.
Der Hörfunk-Journalist Hartwig Tegeler
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