"Wir geben den Menschen ein bisschen die Würde wieder"
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Katholiken singen zum Glaubensbekenntnis: "Und will im Tod vertraun, dass ich in meinem Leibe soll meinen Gott anschaun." Der Bestatter Christoph Kuckelkorn pflegt eine Kultur des Abschieds. Er balsamiert die Toten lieber ein und ist bei Feuerbestattungen skeptisch.
Der Bestatter Christoph Kuckelkorn erzählt: "Einbalsamieren ist ein Teil unserer Arbeit, wir geben eine Konservierungslösung quasi in den Kreislauf ein, der natürlich nicht mehr funktioniert, den wir mit einer Pumpe wieder in Schwung bringen, und auf dem Weg wird dann der Körper durchgespült und konserviert für sechs bis acht Wochen. Viele denken, wir arbeiten mit verschiedenen Salben dabei, aber Balsamierung ist da wirklich nur der Platzhalter-Begriff, der von der Antike aus benutzt wird – was wir tun, ist eher etwas, was einer Dialyse im Körper ähnelt."
Im Johannes-Evangelium heisst es:
"Josef aus Arimathäa (…) bat Pilatus, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen, und Pilatus erlaubte es. Also kam er und nahm den Leichnam ab. Es kam auch Nikodemus, der früher einmal Jesus bei Nacht aufgesucht hatte. Er brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit Leinenbinden, zusammen mit den wohlriechenden Salben, wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist."
Den Toten die Würde zurückgeben
Die Geschichten von der Grablegung Jesu sind Geschichten von körperlicher Berührung. Josef von Arimathäa, so heißt es, nimmt Jesus eigenhändig vom Kreuz. Zusammen mit Nikodemus versorgt er den Leichnam Jesu. Von Scheu oder Angst davor, den von der Folter entstellten Körper anzufassen, erzählt die Bibel nichts. Heute würden – nach einem gewaltsamen Tod – eher Bestatter diese Arbeit übernehmen.
Christoph Kuckelkorn, Bestatter in Köln, ist auch Thanatopraktiker, also das, was früher Einbalsamierer hieß. "Wir geben den Menschen ein bisschen die Würde wieder, die sie vielleicht im Sterben ein Stück weit verloren haben", sagt er. "Dass wir Verstorbene waschen, dass wir sie ankleiden, einen Knochenbruch wieder schienen, um dann die Muskulatur vernähen zu können und anschließend dann die Haut zu verkleben, damit eine Verletzung vielleicht nach einem Unfall nicht mehr so schrecklich wirkt, wie sie tatsächlich ist."
Kuckelkorn schätzt diese Praxis für den Moment, in dem die Angehörigen von ihrem Verstorbenen Abschied nehmen. Und ihn dann auch selbst berühren. Er sagt: "Diese Berührung eines toten Menschen, wo man spürt, es ist kein Leben in diesem Körper, das sagt so viel mehr, das kann man mit vielen Büchern gar nicht erklären – und das ist ganz wichtig, um Tod zu begreifen, wortwörtlich, die Situationen zu verstehen."
Und dann? Immer häufiger äußern Menschen für sich selbst oder ihre Angehörigen den Wunsch, verbrannt und in einer Urne bestattet zu werden. So wird ein Körper, der zuerst für die Angehörigen ästhetisch aufbereitet und konserviert wird, dem Feuer übergeben, wo er innerhalb kürzester Zeit zu einem Häufchen Asche wird.
Bedauern über Einäscherungen
Kuckelhorn findet: "Das ist schade um den Körper, der da so brachial verbrannt wird, weil er so ein tolles Unikat ist, so ein komplexes Konstrukt, was in sich alles trägt, um friedlich und biologisch auch perfekt zu vergehen. Und da braucht man nicht Emissionen zu verursachen, Energie aufzuwenden, zum Krematorium und noch lange Fahrwege hin und her zu unternehmen, um so eine Bestattungsform zu wählen, wo der Körper von jetzt auf gleich verloren geht." Natürlich akzeptiert der Bestatter die Wünsche seiner Kunden, aber er sieht auch die Schwierigkeiten, die bei einer Urnenbestattung auftauchen können.
"Jemand ist im Krankenhaus gestorben, wurde abgeholt, wurde eingeäschert, und der erste nächste Kontakt der Familie ist mit der Urne – das ist super abstrakt, das ist skurril, das kann auch keine Beziehung sein", sagt er.
Im Markus-Evangelium heißt es: "Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben. Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging."
Ist es für die biblischen Auferstehungsgeschichten wichtig, dass der Körper Jesu – laut Evangelien – unversehrt geblieben ist? Maria von Magdala erkennt ihren auferstandenen Freund am Grab trotzdem erst, als er sie mit Namen anspricht. Die Jünger in Emmaus erkennen Jesus, als er, wie vor seinem Tod, das Brot bricht. Der ungläubige Thomas allerdings darf seine Hände in die Wunden legen. Er braucht den Leib, um zu verstehen.
Nähe zu den Toten
Dazu Kuckelkorn: "Wäre Jesus in einer Urne gelandet, dann wäre die Geschichte eine andere. Wobei, die körperliche Auferstehung ist, glaube ich, ein Bild, um zu verstehen, was damit ausgedrückt werden soll, aber ich glaube persönlich - auch als gläubiger Christ - nicht wirklich an die körperliche Auferstehung, aber ich glaube, dass es weitergeht, und ich glaube, dass es auch ganz handfest weitergeht, aber dafür ist unser Verstand einfach viel zu klein. "
Er habe auch nahe Verwandte verloren und schlimme Verluste erlebt. "Im Leben hat man ja oftmals Situationen, wenn man mit Menschen ganz eng ist, und die betreten den Raum, da braucht man ja gar nicht hinzugucken, man spürt, dass sie im Raum sind. Und dieses Gefühl hatte ich nach dem Tod von lieben Menschen ganz häufig, zuerst einmal ist das ganz spooky und verrückt, und hinterher freut man sich, wenn es kommt." Der Bestatter erlebt das als körperliche Erfahrung. "Aber nicht in der Form, dass ein Mensch wandelt, aber dass man das Gefühl hat, dass der plötzlich total nah ist und dann ist es völlig egal, wie er bestattet worden ist – aber ich muss damit meinen Frieden finden als Hinterbliebener, und das ist eben auch ganz wichtig."