Einblick in ein gespaltenes Land

Von Gabriela Jaskulla |
Mit den Menschen flieht auch die Kamera. Als die ersten Schüsse in Kunduz, fallen, rennen sie auf dem Basar davon, und die Bilder geraten ins Wanken. Der Rest ist leiser.
In 80 Minuten erzählt der Episodenfilm von fünf Bewohnern der Stadt. Heimlicher Protagonist des Films ist Mirwais, der Junge mit dem alten Gesicht, ein kleiner Schuhputzer, liebevoll ins Bild gesetzt.

Das fällt auf, weil Mirwais für kluge Kommentare zuständig ist – über die Sinnlosigkeit des Krieges und warum die Taliban "böse" sind. Es fällt aber auch auf, weil Mirwais anscheinend in aller Ruhe mit dem Filmemacher geredet hat, während sich sonst viele von der Kamera abwenden – gewöhnliche Passanten ebenso wie die Teilnehmerinnen eines Korankurses.

Verordnete Schamhaftigkeit in einem Land, in dem gestandene berufstätige Frauen noch immer die Burka überwerfen, wenn sie auf die Straße gehen – aus Selbstschutz. Dennoch haben Gerner und seine vier Kameraleute es geschafft, einige von ihnen zu zeigen: auch die engagierte junge Radiojournalistin, den Imam und den Agrarstudenten. Und den exzentrischen Regisseur, eine Art Mittelost-Variante von Costa Cordalis, der bei inszenierten Filmschießereien mit der erbettelten Munition streng haushalten muss – ganz anders als die echten Kämpfer ein paar Kilometer weiter.

Das sind wenige heitere Momente in einem sonst naturgemäß ernsten Film. Wie viel Kunduz uns Deutsche angeht, wird dezent, aber eindringlich gezeigt: Immer wieder tauchen Bilder von jener Stelle auf, die der deutsche Oberst Klein im September 2009 voreilig bombardieren ließ – ausgebrannte Tanklaster, die immer noch anhaltende Verstörung der Augenzeugen.

Ein Karussell. Panzer. Spielende Kinder. Pferde. Die diskrete Musik wird nicht lauter, die Kamera nicht hektisch, der Schnitt nicht dramatisch. Und doch begreift man als Zuschauer sofort: Dies ist das Trauma von Kunduz. Und das oft als hilfreich gepriesene Deutschland ist Teil davon. Die Menschen sind Martin Gerner nähergekommen, das sieht man in den 80 Minuten. Uns auch.

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Den jungen Afghanen "ihre Würde, ihren Platz" geben - Regisseur Gerner über seinen Dokumentarfilm "Generation Kunduz" (Interview mit Martin Gerner, DKultur)
Filmhomepage "Generation Kunduz"
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